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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1885

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Huber-Liebenau, Theodor von: Ueber gewerbliches Ausstellungswesen, [1]
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pflegen, dauerte nur drei Tage, erhöhte aber das schon
durch die vorausgegangenen Unternehmungen des Marquis
d'Aveze wachgerufene Interesse der Bevölkerung an der-
artigen Veranstaltungen, so daß die Regierung beschloß,
nunmehr jedes Jahr eine Ausstellung abzuhalten und die
Präfekten in den Provinzen anwies, alle hervorragenden
Industriellen hiezu heranzuziehen. Ls kann nicht Wunder
nehmen, daß ein Univerfal-Genie, wie Napoleon I., sofort
die hohe Bedeutung solcher Unternehmungen für das Em-
porblühen des Landes erkannte und dieselben mit allen
Mitteln zu befördern bestrebt war, wobei er namentlich
den unsinnigen Widerstand der Handarbeiter gegen die
Maschine richtig beurtheilte und durch eine derartige offen-
kundige Darlegung ihre wohlthätigen Wirkungen zu para-
lysiren suchte. Bon nun an werden die Ausstellungen aus-
schließend von ihrem höheren Gesichtspunkte aufgefaßt,
als eines der wirksamsten Mittel zur Hebung des allge-
meinen Wohlstandes; sie bleiben in Frankreich — wenig-
stens im Wesentlichen — unbeeinflußt von allen politischen
Wirren und ein englischer Autor führt mit Recht die bis
auf die neuere Zeit herrschende Ueberlegenheit dieses Landes
auf gewerblichem Gebiete, besonders im allgemein geläu-
terten Geschmacke und durch die schöne Zeichnung, auf die
frühzeitige und fortdauernde pflege zurück, welche das Aus-
stellungswesen daselbst gefunden hat.

Die politischen Verhältnisse hinderten indessen gleich-
wohl die Realisirung der geplanten alljährlichen Ausstell-
ungen und ermöglichten erst im Jahre s80j die zweite
französische Industrie-Ausstellung im Louvre. Au derselben
fanden sich noch einmal so viele Aussteller ein, als zur
ersten, und zeichneten sich die drei Jahre zwischen diesen
beiden Expositionen durch einen ganz außerordentlichen
Fortschritt im ganzen Lande, sowohl im Gewerbewesen,
wie auch in der Landwirthschaft aus, und zwar auf ersterem
Gebiete vorzüglich in der Wollenindustrie, in der Bauin-
wollspinnerei und in der Lederindustrie. Nicht minder
überraschend waren die Fortschritte der gesammten Indu-
strie, welche in der kurzen Zeit von zwölf Monaten zwischen
der zweiten und der dritten Exposition vom Jahre 1802,
welche 5^0 Aussteller zählte, erzielt worden waren und
durch diese letztere Exposition ebenso vor Aller Augen ge-
führt wurden, als dieselbe eine vermehrte Anwendung der
Maschinen und der Themie im Gewerbe zur Anschauung
brachte. Schon die beiden ersten Ausstellungen hatten
jedoch den hohen Werth und die Wichtigkeit solcher Unter-
nehmungen derart in volles Licht gestellt, daß ein dama-
liger Reporter sogar zu dem Ausspruche begeistert wurde,
„daß, wenn ähnliche Unternehmungen früher versucht
worden wären, eine Reihe von Erfindungen auch früher
gemacht worden sein würde und die neueste Erfindung der
Dampfmaschine einen anderen Weg genommen hätte, wenn
das Projekt des Marquis von Worcester die gehörige
Veröffentlichung hätte finden können."

Die IV. Ausstellung vom Jahre 1606 mit \\22
Ausstellern aus Departements in einem eigenen Gebäude
beim Jnvaliden-Hofpitale nahm die allgemeine Aufmerk-
samkeit zunächst für die bedruckten Baumwollstoffe aus
Mühlhausen in Anspruch, in deren Fabrikation bisher
England unerreicht dastand; allein während man in Eng-
land nur die maschinelle Technik verbesserte und hiedurch

die Leistungsfähigkeit erhöhte, schritt Frankreich auch in der
Zeichnung und Uolorirung voran, und dieses gerade durch
die Exposition vom Jahre 1806 allgemein geoffenbarte
Vorwärtsschreiten rettete die Mühlhauser Fabriken vom
anscheinend sicheren Untergang. Aber auch baumwollene
Spitzen, Seidengewebe, imitirte Tachemirshawls, Eisen- und
Porzellan-Fabrikation zeigten große Fortschritte. Während
eine mittlere Stadt der Normandie, das gewerbereiche und
intelligente Gaen, von 1803 bis 1819 nicht weniger als
vier Ausstellungen veranstaltete, gestattete in Paris erst
die nach den dortigen welterschütternden politischen Aata-
strophen wieder eingetretene friedlichere Zeit im Jahre
1819 eine V. Ausstellung in eigens hiezu im Hofe des
Louvre errichteten großartigen Galerien. Hier war nament-
lich die Metall-Industrie reichhaltig vertreten, in welcher
Frankreich vor kurzer Zeit hinter England, Belgien und
Preußen noch weit zurückstand. Abermals eine Landes-
ausstellung fand als die VI. im Jahre 1823 zu Paris
statt, welche 50 Tage währte und sich vornehmlich in der
Textil-, Farben-, Metall- und Papier-Industrie, sowie in
optischen Instrumenten auszeichnete. Die VII. Landes-
ausstellung Frankreichs im Jahre 1327 war bedeutend
vergrößert, zählte 1795 Aussteller und bot vorzüglich ein
übersichtliches Gesammtbild der vermehrten Anwendung
und Ausnützung der Dampfkraft. Als hervorragend er-
schien hiebei die Merinofabrikation, sowie die Seidenindustrie
und waren da Stoffe aus Seide und Wolle zum ersten
Male vertreten. Ebenso durch Billigkeit wie durch Schön-
heit machten sich Baumwolldrucke, Tüll und Blonden gel-
tend und offenbarte fast jedes Ausstellungsobjekt bereits
die große Bedeutung und die segensvolle Einwirkung der
Maschine, durch welche nunmehr die Papiertapeten endlos
fabrizirt werden konnten und den englischen bereits den
Vorrang abgewonnen hatten, während Brequet durch
seine schönen und billigen Ehronometer, Vicat durch neue
Gemente und die Fabrik zu Sevres durch wunderhübsche
Glasmalereien exzellirte. Die große Entwickelung, welche
die französische Industrie durch die Aneiferung der fortge-
setzten Expositionen erhielt, zeigte sich recht auffällig in der
im Jahre s83H — nach den inzwischen stattgesundenen
großen politischen Störungen — in einem eigenen Gebäude
auf der klace de la concorde mit 2^7 Ausstellern ab-
gehaltenen VIII. Ausstellung; denn während im Jahre
1798 in ganz Frankreich nur zehn Patente erworben
wurden, entzifferten dieselben im Jahre 183^ bereits 576.
Hier sah man zum ersten Male in der Tapetendruckerei
den Druckzylinder angewendet, Seiden-, Flachs-, und Baum-
woll-Industrie hatte sich ungemein vergrößert, Shawls er-
schienen bei gleicher Qualität um 30—-sO Prozent billiger
gegen früher, die Kattune des Elsaß mit einem jährlichen
Fabrikationswerth von 2^ Millionen Francs beherrschten
schon den englischen Markt, die Gummigewebe wiesen nur
Verbesserungen auf, die Möbeltischlerei stellte wieder präch-
tige Marqueterien, das Silberschmiedegewerbe das wieder
gelernte Nielliren aus, zum ersten Male trat ein Farben-
fabrikant mit Ultramarin auf, während eine neue Er-
scheinung in der Keramik das sog. opaque china bildete und
sich ebenso durch Schönheit wie durch Billigkeit hervorthat.

Die IX. Landesausstellung wurde im Jahre 1839 in
einem 16,000 Quadrat-Meter Umfang besitzenden, in den
 
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