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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1885

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Huber-Liebenau, Theodor von: Ueber gewerbliches Ausstellungswesen, [2]
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ihrem Nutzen stünden, beispielsweise hervorhob, daß die
pariser-Ausstellung vom Jahre J867 nicht weniger als
23 Millionen Francs, die Wiener-Ausstellung vom Jahre
J873 nicht weniger als sst Millionen Gulden, einschlüssig
der betreffenden Subventionen, gekostet habe, und die be-
deutenden Defizite fast aller bisherigen Weltausstellungen
betonte. Es ist ja auch richtig, daß von allen seitherigen
internationalen Ausstellungen sich eigentlich nur die Lon-
doner von s83s, am schlechtesten aber die Wiener von
s873 rentirte. Aber immerhin! Unsere Zeit bedarf zu
ihren großartigen Leistungen auch großartiger Beförderungs-
mittel! Wie nach den Dichterworten gleich den Rosen zur
Rosenzeit auch große Gedanken erst zur Zeit der höchsten
Aultur emporblühen, so machen sich auch die großen Aus-
stellungen nach unseren weit fortgeschrittenen heutigen Rul-
tur- und speziell Verkehrs-Zuständen unabweisbar geltend.

Es war die bahnbrechende Weltausstellung zu London
von f85s, welche zum ersten Male die Mängel des seit-
herigen gewerblichen Schaffens und die bisherige Supre-
matie Frankreichs im Geschnracke allgemein offenkundig
darlegte und das praktische Volk der Engländer von der
Nothwendigkeit überzeugte, den Geschmack des Publikums
ebenso wie den des Arbeiters durch mustergiltige Vorbilder
der besseren Vorzeit zu läutern und zu bilden, in Folge
dessen sie jene berühmten Institute, wie das South Aen-
sington-Museum und andere Lehr- und Fortbildungs-An-
stalten und Einrichtungen gründeten und Frankreich schon
bei der Weltausstellung von s862 im Geschmacke eingeholt
hatten, welchem Beispiele — wenn auch langsamer — die
anderen Nationen nachfolgten; es war Reuleaux's Ruf über
die deutsche Industrie: „billig aber schlecht", welcher aus
Philadelphia ini Jahre s876 wie eine Bombe in unser
seitheriges gewerbliches Sichgehenlaffen einschlug und die
deutsche Industrie aus ihrer Indolenz zu neuer Energie
nud Thatkraft aufrüttelte; es war die Ausstellung zu
Sydney von s87ß, welche uns zuerst zeigte, daß Deutsch-
land auch in den australischen Aolonien mit dem übrigen
Europa konkurrenzfähig sei; es war Reuleaux's günstiger
Bericht, aus Melbourne f880, der unser gewerbliches
Weiterstreben mächtig anspornte und ermuthigte; es ist ins-
besonders unser Runstgewerbe, das sein Aufblühen vor-
nehmlich den großen, allgemeinen Ausstellungen verdankt.

Zu einer allgemeinen Tagesfrage werden voraussicht-
lich in Bälde die auf Absatz- speziell Export-Vermittelung
und Beförderung abzielenden Ausstellungs-Unternehmungen.
Ihre Zahl ist zwar noch gering, aber ihre Erfolge schon
so bedeutend, daß die Errichtung permanenter Exportmuster-
lager in allen größeren Industriebezirken oder wenigstens
an den Zentralpunkten der Handelsbewegung, — und zwar
nicht blos des Inlandes, sondern, wo immer angezeigt und
möglich, auch des Auslandes, nur noch als eine Frage der
Zeit erscheint.

Den Vorrang behauptete bisher das Nusee commer-
cial in Brüssel, ihm reiht sich wenn auch nicht ebenbürtig
doch würdig das permanente Exportmusterlager in Stutt-
gart an und neuerlich beabsichtigt man auch in Berlin die
Errichtung eines Reichshandels-Museums. In diesen In-
stituten prävalirt der Eine Zweck aller Ausstellungen,
nämlich den Absatz zu vermitteln und zu befördern, nament-
lich jenen im Auslande; in ihnen kehrt der Begriff der

Ausstellung zu seinem uranfänglichen weiteren und niede-
reren Wortverstande, nämlich zu jenem des Marktes, allein
ausgestattet mit allen Errungenschaften der Neuzeit, zurück;
sie gehen von dem Grundgedanken aus, daß solche Insti-
tute denselben Platz in den Exportwissenschaften auszufüllen
berufen feien, welchen geologische, anatomische und andere
dergleichen Sammlungen in den Naturwissenschaften ein-
nehmen; sie bilden so zu sagen anstatt eines blos deskrip-
tiven Lese-Aataloges einen realistisch dargestellten Anschau-
ungs-Ratalog für die Gesammtleistungen der Produzenten
eines ganzen bestimmten Gebietes. —

Nachdem die Exportmusterlager-Frage in vorliegenden
Blättern bereits eingehend besprochen wurde und noch werden
wird, müssen wir uns auf diese wenigen Bemerkungen
beschränken und vermögen nur noch den warmen Wunsch
auch hier nicht unausgesprochen zu lassen, es möchten auch
bei uns in Bayern recht bald solche segensreiche Institute
entstehen und zwar zunächst in München und hier vor-
nehnllich als Hauptbeförderungsmittel des deutsch-italienischen
Exportes, wozu München mehr als irgend eine andere
deutsche Stadt berufen erscheint, es möchte aber auch die
Errichtung von Exportmufterlagern im Auslande, so weit
thunlich, nicht aus dem Auge gelassen werden, in welcher
Beziehung uns namentlich England für unser gesammtes
Runstgewerbe angezeigt erscheint, nachdem dasselbe un-
bestreitbar nicht blos dem englischen bedeutend voraus ist,
sondern sich dortselbst auch die erforderlichen Mittel und
die erforderliche Rauflust vorfinden.

Fassen wir nun ani Schluffe die Bedeutung und den
Nutzen aller Ausstellungen überhaupt in aller Rürze und
in großen, allgemeinen Zügen zusammen, so entrollen sie
uns ein übersichtliches Gesammtbild der industriellen Leist-
ungen der betreffenden Nation; sie zeigen die bisherigen
Mängel und Fortschritte, die Hilfsmittel an neuen Maschinen
und Werkzeugen, überhaupt die Verbesserungen in der Technik,
wodurch neben dem Wege des Aunstgewerbes unser heutiges
Handwerk sittlich und finanziell gestärkt und geeinigt durch
einen zeitgemäßen Genosseuschafts- oder Innungs-Verband,
in denjenigen Branchen, welche überhaupt noch unter den
heutigen Verhältnissen aufrecht erhalten werden können,
durch Selbsthilfe allein noch mit der Macht des Aapitals
und der Großindustrie zu konkurriren vermag; sie offen-
baren die Wechselwirkung zwischen Gewerbe, Industrie und
Runst, zwischen diesen und dem heutigen Unterrichts- und
Verkehrswesen, die Werthe der Erzeugnisse, ihren Vertrieb
und Handel; sie bilden und läutern den Geschmack des
Publikums wie des Produzenten; sie sind der Sammelplatz
der Aonkurrenz, die sich bei unseren großartigen, auf die
ganze Welt sich ausdehnenden Verkehrsmitteln auch über
die ganze Welt erstreckt; sie sind so nothwendig, wie die
großen Schaufenster der einzelnen Etablissements, wie die
großen Revuen im Militärwesen; sie sind all' ihren Wider-
sachern gegenüber unter allen modernen Einrichtungen
vielleicht die bestverleumdeten Institutionen.

Und Einen Industriezweig wollen wir auch hier nicht
ganz mit Stillschweigen übergehen, dessen mächtige Förder-
ung durch die Ausstellungen schon ein hervorragender Aunst-
gelehrter in einem geistreichen, speziell das deutsche Uunst-
gewerbe auf den Ausstellungen behandelnden Vortrage vor
einiger Zeit im Bayer. Runstgewerbe-Vereine zu München
 
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