Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1885

DOI Artikel:
Huber-Liebenau, Theodor von: Ueber gewerbliches Ausstellungswesen, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7029#0028

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
23

-4-

/


\

München vom Jahre s876, große Fortschritte gemacht haben.
Indessen darf hiebei auch des Guten nicht zu viel geschehen, sei
dies nun durch übertriebenen Luxus, welcher nur bombastisch
hohl wirkt und weniger bemittelte Gewerbetreibende ferne
hält oder ihre finanziellen Aräste übermäßig in Anspruch
nimmt, oder sei es durch eine Verwendung des Materiales,
wodurch dasselbe zu Formendiensten gezwungen wird, welche
mit seiner Natur, seinem Zwecke oder mit beiden zugleich
im Widerstreite stehen. Als einen der glücklichsten Fort-
schritte im Arrangeinent der neueren Ausstellungen begrüßen
wir die reizende Vorführung ganzer Zimmereinrichtungen,
wie wir solche zuerst in München s876, sowie in verschie-
denen kleineren kunstgewerblichen Expositionen zum Verkaufe
daselbst, dann vornehmlich in Berlin und Leipzig s87ß, in
Düsseldorf s880, in Frankfurt und Stuttgart f88f und zu-
letzt in Nürnberg f882, neuerlich aber auch schon in der
Aunstgewerbe-Verkaufshalle in Dresden gesehen haben, Hat
ja doch die ganze Aunst und das ganze Aunstgewerbe zu-
nächst und zumeist die Aufgabe, das irdische Leben zu ver-
schönern und angenehm zu machen, und konzentrirt sich
dasselbe auch zunächst in unsere Wohnung. Solche Zu-
sammenstellungen erhöhen die Wirkung der einzelnen Leist-
ungen des Aunstgewerbes und äußern auch ihren geschmack-
bildenden und zur Nachahmung anregenden Einfluß auf
den Beschauer; sie stellen ihn mitten hinein in die Trau-
lichkeit eines wenn auch noch so prunklosen, aber durch die
Aunst veredelten Heims und führen ihm das Glück eines
solchen unmittelbar vor Augen.

Wegen des bemessenen Raumes vermögen wir ferner
nur anzudeuten, wie praktisch für Lebens- und Genußmittel
die Errichtung einer Aosthalle, wie instruktiv die Vorführung
einzelner in Betrieb gesetzter Werkstätten, wie lehrreich eine
Nebenausstellung kunstgewerblicher Meisterwerke der früheren
Zeit und wie wichtig für jede Ausstellung ein guter, wo
möglich illustrirter Aatalog sei, welcher nicht blos ein Ver-
zeichniß der Aussteller und der Ausstellungsobjekte enthält,
sondern auch durch kurze geschichtliche, technologische und
statistische Notizen Auskunft über die betreffende Gewerbe-
thätigkeit ertheilt.

Eine vielbestrittene Frage bildet bei den Ausstellungen
die Prämiirung. Natürlich erscheint hier als Aardinal-
bedingung, ohne Rücksicht auf Aosten, eine Jury aus den
ersten Aoryphäen im Ausstellungswesen zu konstituiren,
welche umfassende Aenntnisse und Erfahrungen in den ver-
schiedensten Industriezweigen besitzen. Allein auch für solche
Aräfte wird es immer eine kolossale und schwierige Auf-
gabe bleiben, innerhalb weniger Tage die Leistungen vieler
tausender Gewerbetreibender, von welchen viele nicht mit
ihrer Gesammtleistung, sondern lediglich mit einigen Parade-
stücken aufgetreten find, vollkommen richtig zu beurtheilen;
diese Schwierigkeit steigert sich aber fast zur Unmöglichkeit,
bei einer technologischen Gruppen-Lintheilung, wo Jury-
Mitglieder oft ihnen ganz fremde Branchen mitzubeur-
theilen haben, wo Geschäfte einerlei Gattung in verschie-
denen Gruppen ausstellen müssen, und in Folge dessen ein
Aussteller in einer Gruppe eine höhere prämiirung erhält,
als sein Aonkurrent mit den gleichen Waaren in gleicher
oder sogar noch besserer Qualität in einer anderen Gruppe.
So wenig unfehlbar die Preisrichter, so eitel und unver-
ständig sind aber auch viele Aussteller. So mancher Pro-

duzent bildet sich ein, in seinem Fache der Erste zu sein,
und hat er nun auf irgend einer Miniatur-Ausstellung die
goldene Medaille erhalten, so ist ihm natürlich auf einer
Welt- oder Landes-Ausstellung die silberne oder gar die
bronzene nicht mehr genügend. Oft erringt sich ein Meister
nur durch geschickte Mitarbeiter den ersten Preis und sinken
seine Leistungen mit dem Momente ihres Abganges; das
Publikum kann daher durch eine solche prämiirung oft
erheblich getäuscht werden und sollte es deshalb vorge-
schrieben sein, immer auch die Namen der hervorragend-
sten Mitarbeiter zur öffentlichen Aenntniß zu bringen. Ein
großer Uebelstand besteht bei prämiirung durch Medaillen
auch darin, daß sie wegen ihres Geldwerthes immer nur
in beschränkter Anzahl vertheilt werden können. Hat man
nun z. B. nur föO goldene Medaillen und s80 Aussteller
verdienen dieselbe, so muß man gegen 30 derselben
eine offenbare Ungerechtigkeit begehen, während man im
umgekehrten Falle eine gleiche Ungerechtigkeit gegen alle
diejenigen verübt, welche die silberne Medaille erhalten und
gegen jene 30 zurückgesetzt werden. Will man durchaus
eine Prämiirung haben, so ertheile man daher eine solche
lieber durch Diplome; allein wenn man schon in den
Schulen die Vertheilung von Preisen, ja sogar das Loziren
als überflüssig und sogar als schädlich erkannt hat, so wird
man — Angesichts der ungleich schwierigeren Aufgabe,
welche in dieser Beziehung eine Ausstellung darbietet, viel-
leicht mit unserer Anschauung übereinstimmen müssen, von
jeder prämiirung abzusehen und die gerechtere Würdigung
der einzelnen Leistungen weit untrüglicheren Richtern —
der Deffentlichkeit, der Presse und namentlich der Aon-
kurrenz zu überlassen.

Auch gegen die Verloosungen ließe sich so manches
einwenden, man wird sie aber im Interesse der zahlreichen
Beschickung der Ausstellung, sowie der finanziellen Seite
derselben nicht wohl entbehren können.

Wenn wir bei unserer Betrachtung auch noch einem
Hauptpunkte, nämlich der Frage näher treten wollen: ob
denn die gewerblichen Ausstellungen für das Gewerbewesen
der Jetztzeit wirklich nothwendig oder wenigstens nutz-
bringend sind? so wird die Frage in beiderlei Richtungen
wohl von keinem Weitersehenden und Weiterdenkenden ver-
neint werden können und zwar sowohl hinsichtlich der inter-
nationalen als auch aller übrigen Ausstellungen. Bezüg-
lich der letzteren kann ja wohl Niemand die hohe und wohl-
thätige Bedeutung verkennen, welche die permanenten Aus-
stellungen der National- und Gewerbe-Museen, dieser zen-
tralen Mittelpunkte der gewerblichen Erziehung und Fort-
bildung, die Gewerbe- und Aunstgewerbe- fallen, die
Wanderausstellungen und die so ungemein nützlichen Fach-
Ausstellungen nach den verschiedensten Richtungen hin zu
beanspruchen haben. Was sodann die internationalen
Ausstellungen anbelangt, so ist ja schon mehrseitig eine ge-
wisse Gleichgiltigkeit, ja sogar eine Antipathie hiegegen zu
Tage getreten. Der Reiz der Neuheit ist vorüber, — schon
wieder eine Ausstellung! hört man sagen, wenn ein neues
Projekt einer solchen auftaucht; ja selbst der gewerbe- und
handelswissenschaftlich so hochgebildete Delbrück sprach sich
vor einiger Zeit im Berliner „Verein zur Förderung des
Gewerbefleißes" hiegegen aus, indem er geltend machte,
daß die großen Opfer hiefür in keinem Verhältnisse zu
 
Annotationen