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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1885

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Gmelin, Leopold: Internationale Ausstellung von Arbeiten aus edlen Metallen und Legierungen in Nürnberg 1885, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7029#0104

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durch die Ostasiaten. So schön auch die alten Arbeiten
sind — die historische Abtheilung enthält u. A. eine der-
artige meterhohe Vase aus China — so werden sie doch
durch die neuen überboten.

<£s mögen wohl an die zweihundert Gegenstände fein,
die uns von den Chinesen (p. Aierulff, Peking) vorgeführt
werden, in überwiegender Zahl weithalsige Vasen, dann
Jardinieren, riesige Blumentöpfe, einige hochsußige Schalen
und Leuchter. Der Rörper ist aus Rupferblech getrieben,
an Fuß und Rand mit Bronzestreifen verstärkt und auf
der ganzen Oberstäche enraillirt. Der mit einem niäander-
artigen Netz von Bronzefäden durchzogene Fond ist entweder
blau — und dann meist die zarte grünliche Nuance des
Türkis — oder schwarz, seltener ein erdiges, dem Zinnober
nahestehendes Roth oder pellblau und Rosa. An zusammen-
gehörigen Vasen kann man die interessante Beobachtung
machen, daß sie gewissermaßen symmetrisch zu einander
sind; Blüthenzweige, welche aus der einen Vase in schräger
Stellung um den Vasenkörper z. B. nach rechts aufsteigen,
winden sich auf der anderen nach links, und in derselben
Weise sind auch die Stellungen der Blüthen und Blätter
vertauscht. Die Gesammtwirkung jedes einzelnen Stückes
ist durch die milde Farbenharmonie eine ungemein feine,
und was in der Nebeneinanderstellung seitens der ziemlich
reichen Farbenskala etwa gesündigt wird, das lösen die
Alles durchziehenden Bronzefäden wieder in parmonis auf.

Ist bei den Cmailarbeiten China's eine Stagnation
der Technik unverkennbar — die meisten Sachen könnten
fast ebenso auch in der historischen Abtheilung stehen —
so zeugen dagegen diejenigen Japans von einem außer-
ordentlich frischen Leben. Das sind Crzeugniffe eines mit
Riesenschritten voranschreitenden modernen Geisteslebens!
Wie in den Bronzen, so stehen auch in den Emails die
Japaner als unübertroffene Vorbilder uns vor Augen.
Aut erstaunlicher Rühnheit und Sicherheit werden selbst
Vasen bis 80 und I0 cm. pöhe mit Cmail bedeckt —
und man wird sich trotzdem vergeblich bemühen, technische
Mängel daran ausfindig zu machen. Was diesen Sachen
vielleicht an Stil abgeht, das ist reichlich ausgewogen durch
eine unvergleichliche Farbenstimmung, die auch nirgends
eine brutale Zudringlichkeit, nirgends eine unpassende
Verwendung einzelner Farben auskommen läßt. Platten, deren
Flächen gewissermaßen mit lauter verschieden gemusterten
Papierschnitzeln beklebt sind, zwischen welchen noch hin und
wieder der blaue Grund hervorlugt, und Aehnliches können
von einem, wenn auch recht maßvollen Stilgefühl, nicht
anerkannt werden; aber die sonntägliche Sauberkeit, in der
alles das geboten wird, verhält sich zu einem stilistisch voll-
kommenen Gebilde genau so wie der Gesang einer Nachtigall
zu einem Orchesterstück. Pier finden wir üppig naturalistische
Pflanzen und Vögel auf schwarzem und rothem, dort weiße
Reiher und beschneite Bäume auf grauem Grund — hier
reizend gezeichnete Schmetterlinge aus olivengrünem ge-
spritztem (?), dort Ranken und Blätter aus weißem Fond
und bisweilen so pikant dargestellt, als wären sie mit
flüchtigein Pinsel hingeworfen. Der Reichthum der Palette
ist geradezu unbegrenzt, da die Extreme vorhanden und
die Möglichkeit der Mischung derselben gewissermaßen all
oculos demonstrirt wird; wir sehen nicht allein Blumen
von rosa in weiß, Vogelfedern von schwarz in hellgrau

u. s. w. übergehen, sondern es sind auch ganz große Bilder
(Ofenschirme bis zu f m. pöhe) im Fond abgetönt, z. B.
vom leuchtenden Blau bis zum bläulichen Weiß.

Was besonders angenehm auffällt, ist ein beneidens-
wertstes Stilgefühl, das bei aller Realistik in Darstellung der
Pflanzengebilde u. s. w. doch jeden Gedanken, eine Relief-
wirkung zu erzielen, vornehm ignorirt; die Fläche soll
durchaus als glatte, glänzende Fläche wirken und sie wirkt
auch so. Das Geheimniß liegt in dem Mangel jeder
Schattirung. Wohl wird z. B. das Laub von Dunkelgrün
nach pellgrün und Gelb abgestimmt; aber von einer
Schattenangabe, wie wir sie gewohnt sind, von dem Streben,
durch Anbringung von Rundungs- und Schlagschatten
eine Moöellirung zu simuliren, findet sich gar keine Spur.

Ein technischer Unterschied zwischen den chinesischen
und den japanischen Cmails verdient noch hervorgehoben
zu werden; während erstere auf der Innenseite der Gefäße
stets das nackte Rupfer zeigen, besitzen erstere ein ein-
farbiges (blaues) Lontre-Cmail, welches den Zweck hat,
die zusammenziehende Wirkung des Cmails auf der Vorder-
seite zu paralysiren.

Von der Bedeutung, die der Zellenschmelz im frühen
Mittelalter in Europa hatte, findet sich jetzt keine Spur
mehr; nur ein einziger Europäer ■— Christofle & Cie. —
hat größere Arbeiten in Zellenschmelz zur Ausstellung
gebracht: ein paar Rolossalvasen als Lampen- und Licht-
ständer, die den sonstigen tüchtigen Leistungen der Fabrik
völlig entsprechen.

Der im späteren Mittelalter als billigeres Surrogat
an Stelle des Zellenschmelzes getretene Grubenschmelz,
der durch die ausgestellten alten Rölner Reliquiarien ic.
seine Unzulänglichkeit für feinere Arbeiten bestätigt, erfreut
sich einer aufmerksameren Pflege, besonders in Berlin, von
wo Em. Laue, Nachfolger A. Stübbe, Em. Grohmam
und S. Elster eine große Anzahl Objekte verschiedener
Qualität ausstellten; man vermißt bisweilen Schönheit
und Gleichgewicht in den Farben. Vorzüglich in der
Gesammtwirkung ist dagegen eine reich emaillirte Mon-
stranz von Fr. Wüsten (Röln).

Von der prächtigen Wirkung des durchsichtigen Emails,
welches die Italiener im XIII. Jahrhundert zur Befreiung
des Emails von den Metallstegen und zur Reliefbehand-
lung des Emailgrundes führte, daher der Name Relief-
schmelz — geben die wenigen vorhandenen Beispiele
nur einen lückenhaften Begriff. Dem einzigen derartigen
Stück der historischen Ausstellung •— einem Deckelpokal
mit sehr zierlichen Ornamenten, aus dem Besitz des Stadt-
magistrats Nürnberg — kommt ein ähnlich behandeltes
Rrystallgefäß mit Goldfaffung von Fr. v. Miller sehr
nahe; die übrigen hierhergehörigen Arbeiten — ein goldenes
Theeservice von Christofle und mehrere Emailtafeln
von Wüsten — stehen künstlerisch nicht ganz auf der
pöhe, welche der Reliefschmelz beansprucht.

Der Schmelz auf erhabener Arbeit hat schon
bei Besprechung des Schmuckes hinreichende Berücksichtig-
ung gefunden; es erübrigt nun noch der sehr hervor-
ragenden Arbeiten in dem sogenannten Maler-Email
zu gedenken. Die manchfachen Stilwandlungen, welche
diese zu Limoges in der zweiten pälfte des XV. Jahr-
hunderts erfundene Technik bis zu ihrem Absterben im
 
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