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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 47.1897-1898

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Fabrikant und Künstler, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7002#0038

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Fabrikant und Künstler.

reichen und zum großen Theil nicht unberechtigten
Klagen der Künstler gegen die Fabrikanten. Damit
diese zum Schaden des Ganzen nicht weiter überhand
nehmen, ist es endlich an der Zeit einmal in der
Geffentlichkcit darauf hinzuweisen, Sobald ein Fabri-
kant die Anschauung hegt, das Product des Künstlers
stehe unter dem Gesetze des Angebotes und der Nach-
frage, so sinkt der Künstler auf eilte Linie nrit den:
Handarbeiter herab; er wird, um einen national-
ökonomischen Ausdruck zu gebrauchen, zutit variablen
Kapitalsbestandtheil, und ganz naturgemäß richtet
sich dann das Bestreben des Fabrikanten dahin, mit
möglichst geringer Kapitalsanlage auf ihn möglichst
viel von ihm zu erlangen. Ja, der Künstler ist sogar
noch schlimmer daran als der Fabrikarbeiter. Wäh-
rend dieser engagirt wird, auf Grutid dessen, was
er früher gethan hat und worüber er seine Zeugnisse
besitzt, verlangt man vom Künstler, den man doch
auch itach seinen sonstigen Leistungen kennen köititte,
für jede Einzelleistung häufig noch eine neue Probe.
Gefällt diese nicht, zu deren Herstellung der Künstler
Arbeitszeit und Geld für Material opfert, so erhält
er keine Beschäftigung und hat für nichts uitd
wieder nichts gearbeitet. Zu welchen Unzuträglich-
keiten diese Zustände führen, hat man jeden Tag zu
erfahren Gelegenheit. Es wird z. B. für einen
Adreßkalender ein Umschlag gefordert. Der Besteller
ist bereit dafür sOO Mk. zu geben, will aber Skizzen
sehen. Der Künstler liefert zwei, die nicht gefallen.
Der Besteller ersucht noch um weitere Skizzen. Der
Künstler fertigt noch drei Stück an und hat für diese
fünf Skizzen zum allermindesten ebensoviel Zeit ge-
braucht, wie zur Anfertigung eines nachbildbaren
Mriginalblattes. Schließlich weist der „Besteller"
sämmtliche Skizzen zurück und man erfährt, daß der
edle Mäcen noch von fünf anderen Künstlern gleich-
falls sich Skizzen hat machen lassen, um schließlich,
befruchtet vou diesen 25 Entwürfen, nach „eigener
Idee" einen Umschlag von irgend einem armen
Teufel ausführen zu lassen. In letzter Linie beruhen
diese Mißstände aus den: Bestreben der Besteller, selbst
gleichsam mitzuarbeiten und auf dem Mangel an
Vertrauen in die Künstler.

Am auffälligsten tritt die große Verpuffung von
Arbeitskraft und Einfällen hervor bei dem Toncur-
renzenwesen, das nirgends so stark entwickelt ist als
in Deutschland. Niemand wird sich gegen einen
Wettbewerb für eine ganz besondere Gelegenheit
sträuben. Aber man kann die Frage aufwersen, ob
dieses zweifellose Uebel in so mannigfaltiger Gestalt
überhaupt ein nothwendiges ist. Es läßt sich kaum
wahrscheinlich machen, daß durch eine unbeschränkte
Toncurrenz jemals ein Talent ausgetaucht sei, das

bis dahin den intereffirten Kreisen völlig unbekannt
geblieben wäre. Durch den Sieg wird der Künstler
allerdings auf ein piedestal gestellt, aber dasselbe
geschieht, vielleicht in noch höheren: Maaße, durch
einen Auftrag. Laufen zu einer Toncurrenz 200 Ent-
würfe ein — was nicht selten ist — und hat jeder
Zeichner nur 2 Tage an seiner Skizze gearbeitet, so
bedeutet dies eine Vergeudung von 3ß8 Arbeitstagen.
Nicht umsonst sind Wettbewerbe derart in Mißcredit
gekommen, daß Künstler von Namen sich über-
haupt fast niemals daran betheiligen. Bekanntlich
werden auch die Arbeiten von Künstlern, die häufig
an Toncurrenzen theilnehmen nicht besser; denn die
Vorstellung, daß die Entwürfe den Wünschen der
Besteller entsprechen müssen, ist lediglich geeignet, die
Originalität der künstlerischen Zeugungskraft zu
schädigen. Biit Wehmuth mag Mancher des großen
Geschäftsmannes Rubens gedenken, der den Preis
seiner Bilder nach einem Tages- und Stundentarif
berechnen konnte. Das Allermindeste aber, was
Künstler verlangen können, ist, daß die Wettbewerbe
so gehandhabt werden, daß die Künstler nicht alles
Vertrauen zu den Fabrikanten verlieren.

Vor uns liegen die Actenstücke eines Falles, der
der betreffenden Firma keineswegs zum Ruhme
gereicht und von dem zu hoffen ist, daß er vereinzelt
ist und bleibe. Die Leipziger „Kunstanstalt Grimme
und Pempel" hat in: Frühjahre s8st6 ein Preisaus-
schreiben für Plakate von „künstlerischer Auffassung",
mit „originellen Ideen" sowohl in: bisher üblichen
als ausdrücklich im „modernen Styl" erlassen. Die
Umstände waren verlockend: Der Preis fOOO Mk.
oder Vergebung der Summe in Theilbeträgen. Als
Jury sollten fünf, allerdings nicht genannte Künstler
fungiren sammt den: Thef, so daß man den bei-
gegebenen procuristen wohl noch ertragen konnte.
Außerdem bestand noch die Möglichkeit, daß der ge-
krönte Entwurf von der Firma angekauft würde
zun: Preis vou \00 bis 250 Mk. Im besten Falle
waren also ^250 Mk. zu verdienen. Die betheiligten
Künstler übernehmen noch die Verpflichtung, in:
Falle ihrer prännirung bei der nächsten Toncurrenz
gegen Rückfahrtkarte II. Klasse und 30 Mk. (!) Tag.
gelber als Preisrichter zu fungiren. Die Prännirung
sollte beginnen, wenn 200 Plakate zusammengekommen
wären. Nicht zufrieden mit diesen: Anerbieten for-
derte die Firma auch noch in: Annoncentheil der
„Jugend" jüngere Kräfte auf, plakatentwürfe zu
senden. Begeistert von der muthigen Firma wandte
sich ein jüngerer Künstler, dessen decorative Be-
gabung außer Zweifel steht und dessen Arbeiten die
Firma schon aus der „Jugend" kennen mußte, an
das Geschäft. Er wurde, wenn auch in etwas herab-

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