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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 47.1897-1898

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Zimmermann, Ernst: Scherrebeker Kunstwebereien
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https://doi.org/10.11588/diglit.7002#0092

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Zcherrebeker Aunstwebereien.

wahre Kunstwerke zu schaffen? Diese .frage, zur
Zeit mehr akut, denn je, und soeben erst wieder
schüchtern aufgeworfen durch jene beiden bekannten
Zimmerchen der Münchener Kunstausstellung, die
man als die Kinderstuben der modernen dekorativen
Kunst bezeichnen kann, ist hier so schon Jahre lang
vorher gelöst und hat ein Alle ermuthigendes Resultat
gezeitigt. Man braucht mithin nur das hier Allgemeine,
Typische zu wiederholen, um überall zu gleichen
Resultaten zu gelangen, die gleichen Kunstwerke herauf-
zubcschwören.

Und dieses Typische erscheint doch so einfach, doch
so leicht! Nur dreier schon vorhandener Kräfte hat es

Uö. „Ejamburger Kiffen", altes schleswig-holsteinisches Bauern-
muster; Farbe: weiß, schwarz, gelb, bla», roth. Neuaussührung
in der Aunstwebeschnle zu Scherrebek.

(V7 der wirkl. Größe.)

bedurft, um hier in diesem simplen Dorf in's Leben
zu rufen, was in den Städten bisher noch nicht geglückt
war: des Künstlers, des Handwerkers und schließlich
des Vermittlers, der jene beiden zusammenführte. Der
Künstler ist in diesem Falle Gtto Eckmann gewesen,
der Handwerker fand seinen Mbmann in seinem
geistlichen Wirten, dem Pastor Iacobsen, demselben,
der sich hier oben als jener muthige Streiter be-
kundet, der Vermittler war Or. Friedrich Deneken,
halb Hamburger, halb Schleswiger, damals Assistent
am Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe,
jetzt Direktor des Kaiser Wilhelm-Museums in Trefeld.
Letztere beiden verband schon lange das Band der
Freundschaft, der Erstere wurde erst durch die Kunst
der Dritte im Bunde. Die treibende Kraft war der
Vermittler, die finanzielle Grundlage eine Genossen-

schaft mit beschränkter Haftpflicht, mit vielen Statuten
und vielen opferwilligen Mitgliedern, deren erstes
Gesetz war: Kein geschäftlicher Gewinn!

Gin Stück Tradition spielte jedoch auch bei
dieser Schöpfung hier oben mit. „In den ländlichen
Bezirken der schleswigschen Westküste blühte in
früherer Zeit mancherlei häusliche Kunstarbeit. Die
Männer beschäftigten sich an den langen Winter-
abenden mit der Anfertigung von hölzernen: Geräth,
das mit Kerbschnittornamenten verziert und oft auch
in lustigen Farben beinalt wurde. Die Frauen ver-
standen sich auf feine Leinwandstickerei und Spitzen-
klöppeln. An: Webstuhle fertigten sie nicht nur
Stoffe für Männer- und Frauenkleidung, sondern
auch Arbeiten, die mit der praktischen Verwendung
dekorative Zwecke verbanden: glatte und plüschartige
Bezüge für Stuhl-, Bank- und Wagen - Kissen und
vor allein zweifarbige Vorhangstoffe mit geometrischen
Mustern, Blumenmotiven und figürlichen Darstel-
lungen biblischen und mythologischen Inhaltes."
Diese Bethätigungen alten Pausfleißes waren freilich
so gut wie ganz vergessen; aber das pamburger
Museum für.Kunst uiid Gewerbe hatte schon früh
ein wachsames Auge auf die zerstreuten Ueberbleibsel
desselben gehabt uiid eine sich beständig mehrende
Sammlung angelegt, die jetzt zu den originellsten
Abtheilungen dieses Museums gehört. Diese Zeugen
einer schönen alten Vergangenheit sprachen beredt genug.
Zugleich aber regte sich überhaupt an allen Gcken und
Enden der germanisch redenden Welt der Sinn für
diese alten heimischen Künste. Zahlreich waren die
mehr oder weniger gelungenen Wiederbelebungsver-
suche. Für Schleswig speziell und seinen kulturellen
Stützpunkt pamburg war Norwegen in dieser Be-
ziehung das nächste vorbildliche Land. Die Wirkerei,
die hier in der numerisch so starken Bauernschaft
mit großen: Erfolge als Pausindustrie wieder in's
Leben gerufen war, drängte sich so auch für die von
pamburg ausgehende Bewegung in den Vordergrund.
Eine Norwegerin ist es auch in der That gewesen,
die hier den Scherrebeker Landmädchen die ersten
Anfangsgründe und die dann gesteigerte Technik der
Teppichwirkerei beibrachte, die die technische Grund-
lage für diese ganze Kunst legte. Auch die Kunst-
richtung selber war Anfangs norwegisch. Erst als
zweites kamen die „uralten" heimischen Muster der
ehemaligen schleswig - holsteinischen Pausindustrie
hinzu, die das pamburger Museum aus seinem
großen Schatze mit Freuden zu dieser wiederbefruch-
tenden Aufgabe hergab. (Abb. f f5.)

Bis hierhin war das ganze Unternehmen das
geblieben, waspausindustrie schon früher gewesen war:
eine bäurische Kunst für bäurischen Geschinack. Dabei

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