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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 47.1897-1898

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Streiter, Richard: In eigener Sache
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https://doi.org/10.11588/diglit.7002#0126

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In eigener Sache.

on der Redaktions -Kommission aufgefordert, zu
den Ausführungen des perrn Prof. G. Seidl
als ein zwischen den Parteien stehender, objektiver
Betrachter unserer Aunstverhältnisse das Wort zu er-
greifen, wage ich einen dahin zielenden Versuch in
der Hoffnung, daß nach Beseitigung dieser und jener
mißverständlichen Auffassung Gegensätze, wie sie in
der Seidl'schen Erklärung hervorgetreten sind, als
weit weniger grundsätzlich und einschneidend, ja
vielleicht gar nicht als Gegensätze sich erweisen
möchten.

Die Gründe, welche hauptsächlich zu einer Um-
wandlung der Zeitschrift hindrängten, sind im Vor-
stehenden erläutert. Dabei hat auch schon die An-
nahme, die Leitung der Zeitschrift bezwecke, „dieselbe
einer speziellen Richtung dienstbar zu machen, die
mit jeder Tradition grundsätzlich brechen will und
alles Vorangegangene als veraltet und überlebt be-
zeichnet", eine kurze Berichtigung erfahren. Im An-
schluß hieran muß noch etwas entschiedener hervor-
gehoben werden, daß durch jene Annahme bei den
Leitern der umgestalteten Zeitschrift Absichten und
Anschauungen vermuthet werden, wie sie in Wirk-
lichkeit bei ihnen nicht vorhanden sind. In dem
kurzen Begleitwort der Redaktion, das dem ersten
im neuen Gewände erschienenen Pest der Zeitschrift
als eine Art von Programm mitgegeben wurde, war
folgendes zu lesen: „Daß keineswegs die Absicht be-
steht, mit der alten Ueberlieferung zu brechen, dafür
bürgt die ganze Vorgeschichte der Zeitschrift und ihres
Perausgebers, des bayer. Aunstgewerbe-Vereins. Den
Arbeiten früherer Zeiten, die auch der Gegenwart
noch als Vorbilder dienen können, wird die Zeit-
fchrift stets ihre Spalten offen halten; sie wird aber
auch andererseits den immer stärker hervortretenden
Bestrebungen der Gegenwart, für neue Aufgaben
neue selbstständige künstlerische Ausdruckssormen zu
erringen, Rechnung tragen." Ein pinweis auf diese
Sätze, wie auf den bildlichen und textlichen Inhalt
der zuletzt erschienenen pefte kann wohl alle Befürch-
tungen vor einen: einseitigen Aultiviren einer extremen
Richtung zerstreuen.

perr Professor Seidl hat sich zu seiner Gegen-
erklärung durch den Eindruck bestimmen lassen, den
er aus einem einzigen Pest erhalten; und von
diesem einzigen fersten) Pest war es, wie offen aus-
gesprochen, vornehmlich die im textlichen Theil ge-
gebene Beurtheilung der beiden kunstgewerblichen
Zimmer in der Glaspalast-Ausstellung, was seine
Aritik herausgefordert. Eine Aritik an diesen An-
tiken zu üben, steht mir nicht zu; nur eine allge-
meine Bemerkung sei gestattet. Wenn neue, aus
dem Gewohnten heraustretende Bestrebungen nicht

ohne pemmungen und Schwierigkeiten sich durchzu-
setzen suchen, so pflegen nach alter Erfahrung die
ersten Schritte erfolgreichen Vorwärtsdringens leicht
etwas überschätzt zu werden, genauer gesagt: sie
pflegen nicht mit absolutem, sondern mit relativem
Maßstab gemessen zu werden, pat dann das Neue
sich durchgesetzt, so wird es von selbst „alt" und
fällt damit einer absoluten Werthschätzung anheim.

Junge, verheißungsvolle Ansätze und Regungen
auf künstlerischen: Gebiet werden aber gewiß mit
Recht stets einer entgegenkommenden, aufmunternden
Beachtung in der Presse empfohlen, mögen auch die
anfänglichen Leistungen nur von relativem Wertste
sein. Wenn dann von überzeugten und, wie nicht
anders inöglich, auch von einseitig-parteiischen Vor-
kämpsern nmnchmal schon kleine Erfolge in ein so
Helles Licht gesetzt werden, daß das nach absoluten:
Maß werthvollere Bestehende vorübergehend etwas
in den Schatten gerückt erscheint, so wird man das
nicht allzu tragisch nehmen dürfen.

In: vorliegenden Fall n:uß aber ausdrücklich
betont werden, daß jener Gruppe von Mitgliedern
des bayer. Aunstgewerbe-Vereins, die der modernen
Bewegung in der dekorativen Aunst und in: Aunst-
handwerk sich angeschloffen hat, nichts ferner liegt,
als eine Unterschätzung des bisher in München auf
diesen Gebieten Geleisteten. Sollte wirklich eine oder
die andere Aeußerung eine gegentheilige Meinung
hervorgerufen haben, so wird dies als Folge einer
vor Mißverständnissen nicht ganz schützenden Aus-
drucksweise sicherlich allgemein bedauert. Rat größter
Pochachtung und Verehrung blickt auch die jüngere
Generation aus die Meister, deren gefeierte Hamen
mit den: Wiederaufblühen des Münchener, weiterhin
des deutschen Aunsthandwerks in den letzten 25 Jahren
unzertrennlich verknüpft sind. Und die „Jungen"
glauben nicht zu jenen Meistern in einen trennenden
Gegensatz zu treten, wenn sie trachten, auf den von
diesen hochverdienten Bahnbrechern geebneten und
gefestigten Wegen mit frischem wagemuth rüstig
weiterzuschreiten. Aann doch kein Einsichtiger ver-
kennen, daß auch die vielbeachteten Erfolge der Eng-
länder auf kunstgewerblich-dekorativem Gebiet unter
Führung von Männern wie Roffetti, Uiorris, Burne-
Iones, Trane durch dieselbe Schulung an: Alten er-
rungen wurden, die das deutsche Aunsthandwerk
unseren Gedon, Seitz, Seidl, v. Uiiller verdankt.

Wer aber wollte und könnte den sicheren Be-
weis liefern, daß die auf neue, selbstständige Ziele
gerichtete Bewegung, die in den letzten Jahren in
allen modernen Aulturländern fast gleichzeitig fühl-
bar wurde, „n:it Gewalt gemacht" sei, daß sie nicht
aus den „neuen Elementen der Zeit" herausgewachsen
 
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