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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 47.1897-1898

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Schumacher, Fritz: Hocheder's städtische Bauten in München
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Berlepsch, H.E.: Eine Möbel-Ausstellung im k.k. österreichischen Museum für Kunst und Industrie in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.7002#0173

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Wiener tNöbel-Ausstellung.

^ie Bewegung wurde nicht im Fluß erhalten. Sie
erstarrte. Zwar hieß das Prinzip nicht, wie in
München „Unserer Väter werke", vielmehr spielte die
Anlehnung an Vorbilder italienischer Provenienz die
Hauptrolle. Zn dieser Beziehung hatte die Bewegung,
^ie später von München ausging, in gewissem Sinne
etwas voraus: Sie wurzelte in dein, was der eigene
2oden, was nationale Art einst geboren. Dadurch war
^as Ganze entschieden dein deutschen Empfinden
uäher gerückt, und thöricht wäre es, nicht vollauf
anzuerkennen, daß dadurch in allererster Linie über-
haupt der Boden geschaffen worden sei, auf dem
eine spätere Bewegung lebensfähig sich zu entwickeln
im Stande ist, denn vor dieser Zeit war in München
genau wie in Wien einfach öde Leere da. Es wäre
schnöder Undank, wollten wir heutigen nicht freudig
anerkennen, daß ein Swertschkoff, v. Miller, ein
Tedon, ein Seitz, ein G. pirth, Seidl u. a. es ge-
wesen sind, die zuerst, lang ehe das peute kam, die
Scholle umackerten und das Bedürfniß nach Ver-
allgemeinerung künstlerischer Lebensumgebung wach-
Defen. Sie waren die Grundpfeiler einer neuen
<2eit, einer neu und siegreich durchbrechenden An-
schauung von der Notwendigkeit totaler Umwäl-
zung in Sachen der Ausgestaltung der tagtäglichen
Lebensumgebung. Sie wußten einer bedeutsamen
beite des künstlerischen Schaffens neues Leben ein-
Zuhauchen, allgemeines Interesse dafür wachzurufen.
Ihre Namen sind unauslöschlich init den Annalen
E>es Münchener Runstgewerbes verbunden. Ihren
Werken, die innner zu Recht bestehen werden, nicht
uollste Anerkennung zu weihen und ihre weittragende
Bedeutung durchaus anzuerkennen, das widerspräche
^hatsachen. Die heutige Bewegung ist dagegen erst
un Begriffe, sich das Arbeitsfeld zu bestellen, denn
ernten kann auch für alle Zukunft nur, wer gesäet
hat. Es kommt nichts von ungefähr, nichts ohne
Riffen, nichts ohne Rönnen. Beides spricht aus den
^Berken der Genannten iin vollsten Maaße.

Anders lagen die Verhältnisse in Wien. So-
zusagen gleichzeitig oder rasch nach einander entstanden
gothische Votivkirche, das in die Formen strenger
Sriechischer Rlassizität gebannte Reichsrathsgebäude,
mächtigen, in mannigfach umgemodelten römi-
schen Architekturforinen gehaltenen Museen, weiter
vom graziösen Geiste Toscanas durchwobene
Universität, das gothische Rathhaus init seinem hoch-
uusragenden Belfried und daneben jene Gattung von
baumeisterlichen Gebilden, die Semper als „Rom-
urodenstil" bezeichnete. Später kam im neuen Burg-
cheater freier Barockstil zu Ehren; in dem nunmehr
sertiggestellten einen Flügelbau der Burg, sowie in
^em Trakte desselben Gebäudekomplexes nach denr

Micheler-Platze hin dagegen wurde möglichst streng
an Fischer von Erlach angeknüpft. Natürlich ver-
langten all diese Schöpfungen, welche die Regierungs-
zeit Raffer Franz Iofeph's I. zu einer wahrhaft glanz
vollen für innner stempeln, auch die entsprechende
Ausstattung. Daß man hiebei der äußeren Gesammt
erscheinung soweit wie möglich sich anschmiegte, ist
naheliegend. Fragt man aber, ob das alles stark
genug zurückwirkte, um den Impuls zu einem selbst-
ständigen vorwärtsdrängen, zu einem von wahrem

223. Portal (zu Abb. 222 gehörig). Architekt A. kjoch cd er.

Lebensodem durchzogenen weiterbilden zu geben, so
ist ein Achselzucken die mildeste Aittwort darauf.
Wien hat iticht gehalten, was es versprach. Es
ist nicht allein stehen-, es ist zurückgeblieben, was
befruchtend zu wirken bestimmt erschien, verlor sich
in breit getretene Geleise. Es kam jener unglück-
selige Bourgeoisgeist zur Herrschaft, der froh ist, sich
des Gedankens an ein Aendern der Anschauung ent-
schlagen zu können, jener Geist, der sich mit vollen
Schüsseln, einer gesegneten Verdauung, einem un-
gestörteit Schlaf und genügender obrigkeitlicher Reber-
wachung aller etwa in Betracht zu ziehenden Neu-
bildungeit begnügt, am Tag sich des Sonnenscheins

»uns. und Handwerk. 47. Iahrg. Heft 6.

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