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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 47.1897-1898

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Chronik des Bayerischen Kunstgewerbevereins
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https://doi.org/10.11588/diglit.7002#0197

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tlfjtonif des Bayer. Kunstgewerbevereins.

249-

250.

Siebente Wachenversammlung, an,
V Januar (898. Der II. Vorstand, Hof-
juwelier Merk, widmete der Versammlung
einen warmen Neujahrsgruß, und ertheilte
alsdann Dr. p. I. Ree das Wort zu
seinem Vortrag: Die Kunst als volks-
bild ungs inittel. Aus dem ungemein
gehaltvollen Vortrag können wir hier leider
nur einen kleinen Auszug geben. Nach
einer kurzen Einleitung über die Veranstal-
tungen, welche eine Erziehung des Volkes
für die Kunst bezwecken — Museen, Vor-
träge, Ausstellungen — wurden zunächst
bie verschiedenen Anschauungen über Zweck
und Wesen der Kunst beleuchtet; insbeson-
dere wurde das Schiller'sche Wort „heiter
>st die Kunst" in seiner wahren Bedeutung
gekennzeichnet: den: an die Nothwendigkeit
geketteten und darum ernsten Leben steht
bie im Reiche der Freiheit heimische Kunst
als eine heitere gegenüber. Die Kunst ist
aber mehr als ein Erheiterungsmittel; die
Erheiterung, die sie gewährt, ist nur das
Ükittel zu dem höheren Zweck, unmittelbar
auf das Leben einzuwirken und dem Men-
schen als Führerin zu dienen. Dieser höhere
8eruf der Kunst macht es uns zur Pflicht,
fle zu pflegen und für die
Verbreitung künstlerischen
Sinnes Sorge zu tragen; die
Kunst reiht sich ebenbürtig
ben andern Lcbensmächten,
bie den Menschen zur Kultur
geführt haben — Religion,

Wissenschaft und Recht —
an- Im Bewußtsein, daß

sein Glauben, Forschen und Handeln auf
die Wahrheit gerichtet sind, findet der Mensch
die rechte Befriedigung seines Gemüthes,
seines Verstandes und seines Gewissens.
Aber wir wollen die Wahrheit der Dinge
nicht nur glauben und wissen, sondern auch
sehen und hören. Die Knust wendet sich
unmittelbar an die Sinne, und je tiefer der
Eindruck ist, den sie auf unsre Sinne macht,
um so mehr wird auch unsre Seele davon
berührt und emporgehoben; darauf beruht
die große erzieherische Bedeutung der Kunst,
sobald sie nur sinnliche Kraft mit idealem
Gehalt vereinigt. Nicht die Gedankenfülle
macht den Werth des Kunstwerks aus,
sondern allein die überzeugende Gewalt der
Darstellung, die plötzlich unser Gefühlsleben
erhellt. — Die Aegypter waren beherrscht
von der Idee eines Lebens nach dem Tode,
und die Kunst erzog die Einzelnen für
diesen Gedanken. Den Griechen war die
vollendete Menschlichkeit das erstrebcns-
werthe Ideal, und ihre ganze Kunst predigt
diese Anschauung. Das junge Ehristenthum
suchte dagegen in der preisgebung des
Menschlichen das Göttliche. Der Kunst des
Mittelalters war besonders daran gelegen,
die Seele mit Bildern eines
bessern Jenseits zu erfüllen;
der kirchliche Geist prägte
allen Kunstwerken des Mittel-
alters seinen Stempel auf.
Nach dem Absterben der mittel-
alterlichen Kultur machte sich
die Wiedergeburt des natür-
lichen Empfindens nirgends

2-(8. Entwurf zu einem pokal von E. Riegel, München.
2-49 u. 250. Natnrstudien dazu, Blattknospe der Kornel-
kirsche, vergrößert.

und Handwerk. q.7. gahrg. Heft 5.

(8( .—

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