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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 47.1897-1898

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Frankreichs u. Deutschlands Kunsthandwerk in französischer Beleuchtung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7002#0378

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Frankreichs und Deutschlands ^unsthandwerk inIranzösischer Beleuchtung.

reden. Deutschland hat uns geschlagen ebenso völlig
wie mit den Waffen. Und diese Niederlage wird
unendlich bedeutsamere materielle Folgen nach sich
ziehen. Um dessen gewahr zu werden, glaube ich,
brauchen wir nicht mehr lange zu warten."

„Dr. Rommel hat Aeußerungen gethan, welche
ohne Aushören meine Gedanken durchkreuzen. Er
hat vorausgesagt, Frankreich werde eine Art von
Aolonie werden, verwaltet von französischen Beamten,
ausgebeutet durch deutsche Industrielle, Aaufleute,
Landwirthe. Als ich das erste Mal diese Prophe-
zeiung las, vor drei oder vier Jahren, erschien
sie mir einfach wie eine Beleidigung. Aber bei
genauem Zusehen kann ich feststellen, daß sie schon
zu drei Viertheilen verwirklicht ist. Zweifeln Sie
daran? Dann fragen Sie diejenigen, welche in
diesen Dingen Erfahrung haben, was aus der fran-
zösischen Industrie und aus deni französischen Pandel
würde, wenn plötzlich alle Fremden gezwungen würden,
Frankreich zu verlassen! Wie viel neue Geschäfte
giebt es, in welchen sie nicht die Leiter sind, wo sie
nicht alle Fächer in den pänden haben?"

„Man wird mir die Ehre anthun, zu glauben,
daß diese Betrachtungen auf Rosten meines Patrio-
tismus erfolgen; aber ich glaube, daß die wahre
Weisheit darin besteht, die Vorzüge der Gegner in's
Auge zu fasten, nicht sie zu läugnen. Lange genug
haben wir geglaubt, daß Frankreich durch eine Art
göttlicher Gnade die erste Nation der Welt fei. Der
Augenblick ist gekommen, zu begreifen, daß diese
Stellung allein denen zukommt, welche sie zu er-
ringen wissen. Die günstigen Bedingungen erleichtern
das Erringen, aber sie sichern nicht den dauernden
Besitz."

„Was die Deutschen für ihre Armee, ihre In-
dustrie, ihren Pandel — und auch für andere Zweige
ihres Wirkens — gethan haben, das sind sie auch
für die dekorative Aunst zu thun entschlossen. Wan
muß sich darüber keiner Täuschung hingeben. Es
ist derselbe Aainpf, der sich entspinnt, und er wird
mit inehr Zähigkeit und womöglich mit noch mehr
Geduld geführt, weil Deutschland durch seine vorher-
gegangenen Erfolge ein unbegrenztes Vertrauen
gewonnen hat. Wird unsere Blindheit auch die
gleiche sein? Ich fürchte ja, leider. Für alle Fälle
rufe ich: „pabt Acht!" denn es ist meine Pflicht,
diesen Ruf auszustoßen. Dieses Wal findet der
Aampf am Hellen Tage statt. Die deutschen Zeit-
schriften, welche dabei die wirksamsten pilfsmittel
sind, sprechen dies, ohne ihre Absicht zu verhehlen,
offen aus und machen sich in den Schaufenstern

unserer Buchhandlungen breit."

* *

*

Soweit der pariser Schriftsteller!

Wenn wir auch die von Waillet gehegten Be-
sorgnisse in Bezug auf die französische Industrie zwar
in gewissem Sinne für begründet halten, aber der
Weinung sind, daß der Verfasser für seine Leser die
Verhältnisse zu schwarz geschildert hat, so freuen wir
uns doch aufrichtig der unserer Industrie und unserem
Aunsthandwerk gezollten Anerkennung. Mehr jedoch
freut uns die Unerschrockenheit, mit welcher Waillet
als ein wirklicher Patriot seinen Landsleuten ernste
Wahrheiten sagt; nicht Schadenfreude ist es, die uns
dabei so froh bewegt, sondern die Ueberzeugung,
daß hier ein Wann das Beste seines Volkes will
und, unbekümmert um entgegenstehende Meinungen,
seiner Ansicht offenen Ausdruck verleiht. Wenn
wirklich, wovon wir zur Zeit noch nicht überzeugt
sind, für das französische Aunsthandwerk die Gefahr
besteht, vom deutschen Aunsthandwerk überflügelt zu
werden, und das erstere in Folge der eindringlichen
Wahnworte Maillet's sich zu energischem Aufstreben
aufrafft, so inüssen wir dies mit Freuden begrüßen.
Ghne Wettkampf kein Fortschritt! Der Gedanke an
die Aeberlegenheit des französischen Aunsthandwerks
war bisher für das deutsche ein bedeutender Sporn zun:
Weiterstreben, zur Vervollkommnung, dessen gänzliche
Beseitigung vielleicht von schädlichen Rückwirkungen auf
unsere Arbeiten begleitet werden könnte, während es
andererseits den französischen Aunsthandwerker voraus-
sichtlich zu vermehrtem Eifer anspornen wird, wenn
ihm die wachsende Gefahr des deutschen Wettbewerbes
eindringlich klar gemacht wird. — Wenn Eines den
Worten Waillet's etwas von ihren: Ernst benimmt,
so ist es die Berufung auf den vor einiger Zeit als
Nichtdeutscher entpuppten, also mehr oder weniger
apokryphen Or. Rommel; wir dürfen wohl annehmen,
daß Waillet von dieser Thatsache noch keine Aennt-
niß hatte, als er den Artikel schrieb. G.

* *

*

Wit besonderer Beziehung aus die keramische
Industrie behandelt der folgende (der deutschen Töpfer-
und Ziegler-Ztg. entnommene) Artikel das gleiche
Thema unter den: Titel „französische Selbsterkenntniß
auf keramischem Gebiete":

In einer ihrer ersten vorjährigen Nummern
brachte das französische Fachblatt »Revue generale
ckes seiencss« u. A. unter dem Titel: „Ueber die

wissenschaftliche Methode in Pandel und Industrie"
einen Artikel zur Veröffentlichung, welcher in seinen:
Inhalte viel Neues und für die Franzosen in wissen-
schaftlicher und praktischer Beziehung geradezu Wich-
tiges enthielt. In einer parallele nämlich, welche
der Verfasser jener Abhandlung — p. Maurice

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