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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 47.1897-1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.7002#0385

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Periodische Fachliteratur.

noch nicht genug wäre, werden in Berlin und Leipzig
noch weitere ähnliche Unternehmungen geplant —
ob zum Heile des Ganzen, darf füglich bezweifelt
werden. Konkurrenz ist nothwendig und gut; aber
allzuviel davoit führt leicht zuin unlautern Wett-
bewerb oder zur Unterbietung der Preise, namentlich
aber zun, Haschen nach Extravaganzen.

Nicht weniger wie in Deutschland hat auch die
künstlerische Zeitschriftenliteratur Oesterreichs eine ge-
waltige Umgestaltung erfahren. Die vor 26 Jahren
von Teirich gegründeten, später von Storck bezw.
Bücher geleiteten „Blätter für Kunstgewerbe",
das Organ des Wiener Kunstgewerbevereins, suchen
auch im neuen Gewände und auch in nwdernisirter
Ausstattung ihren bisherigen Bestrebungen Geltung
zu verschaffen; sie verbinden mit einem unverkenn-
baren konservativen Zug und mit der treuen Anhäng-
lichkeit an das gute Alte doch einen duldsamen Sinn
für das gute Neue, vertreten sonnt einen ähnlichen
Standpunkt wie unsere eigene Zeitschrift.

Wehr als nur eine Umgestaltung haben die
bisherigen „Mittheilungen des k. k. Oesterreichischen
Museums für Kunst und Industrie" erfahren; was
das genannte Museum jetzt in seinem neuen Organ
„Kunst und Kunst Hand werk" bietet, ist etwas
vollständig Anderes, — etwas Neues auch in dem
Sinne, daß es sich weniger als andere Zeitschriften
an vorhandene Muster anlehnt. Die literarische,
künstlerische pnd nicht zuletzt die typographische Aus-
stattung steht auf einer bisher nicht übertroffenen
Höhe. Die bescheidenen kleinen Hefte der „Mit-
theilungen" mit ihren akademischen Erörterungen
haben sich da in einer Weise entwickelt, wie dieß nur
durch namhafte staatliche Unterstützung ermöglicht
werden konnte. „Steigerung des Interesses und der
Freude an den Schöpfungen auf dein Gebiete des
Schönen — Hebung des Geschmackes beim Erzeuger
sowie beim Erwerber — Fortentwickelung der Lei-
stungsfähigkeit des Kunsthandwerkes — Herstellung
thunlichst enger Beziehungen zwischen der hohen
Kunst und dem Handwerke, sorgsame Förderung des-
selben — Studium und pflege guter moderner Bahnen,
welche Kunst und Kunsthandwerk in unseren Tagen
einschlagen mögen" — das sind die Grundsätze,
nach denen die Zeitschrift von: Vorstand des Museums
— Hofrath v. Scala — selbst geleitet werden wird.
In den ersten Heften herrscht zwar noch der historische
Hintergrund vor; aber die entschiedene Richtung,
welche der Vorstand v. Scala bei Veranstaltung seiner
ersten Museumsausstellung (vgl. darüber Heft V
S. J56 ff.) in Bezug auf moderne Bestrebungen ein-
geschlagen hat, weist deutlich darauf hin, daß er

alles Andere eher erstrebt und durch seine Zeitschrift
begünstigen will, als eine Neuauflage platter Alter-
thümelei.

Völlig neu und eigenartig, allem Bisherigen
ein Schnippchen schlagend, ist die gleichfalls von Wien
ausgehende Monatsschrift: »Ver sacrum«, Organ
der Vereinigung bildender Künstler Oesterreichs —
schon in der äußeren Erscheinung: Neu in Format,
neu in der typographischen Ausstattung, neu in der
Einordnung des reichen Bildermaterials, ja selbst
neu in den Buchstabentypen. Aber auch sachlich
stellt sich der „heilige Frühling" als etwas so Eigen-
artiges, absichtlich Neues dar, daß wir uns nicht
darüber wundern, wenn die Zeitschrift von den un-
entwegten Anhängern der alten Anschauungen als
„Umsturz" betrachtet werden wird. In gewissem
Sinne will die Zeitschrift auch „Umstürzen."

„Wir wollen — so sagt das Prograin,n —
dem thatenlofen Schlendrian, dein starren Byzan-
tinismus und allein Ungeschinack den Krieg erklären.
Wir brauchen dabei in erster Linie die nothwendigen
Kräfte der Aerstöruiig und Vernichtung. Auf inorschem
Untergrund kann maii nicht bauen, neuen Wein
nicht in alte Schläuche fassen. Dann aber, wenii der
Boden vorbereitet, geackert uiid gerodet ist, brauchen
wir die Macht der segenspendenden Soniie, der auf-
bauenden Arbeit, die Kräfte des Schaffells und des
Erhaltens." Es ist unzweifelhaft das Programm
einer selbstbewußten, radikalei, Künstlergruppe, die
sich zur Aufgabe gemacht hat, die stagnirenden Kunst-
verhältnisse Oesterreichs neu zu beleben. Das ist
gewiß freudig zu begrüßen und in dem, was die
Hefte bisher an Abbildungen geboten, steckt so viel
Gutes, daß n,an die Erreichung des gesteckten Zieles
wohl erhoffen kann; damit sollen aber keineswegs
auch die Exzesse gutgeheißen werden, wie sie sich
namentlich häufig dein, „Buchschnmck" wie bei der
Einordnung der Bilder breit machen. Der eingestreute
Buchschnmck erinnert nur zu häufig an die karri-
katurenhaften Ornamente, die auf indianischen und
peruanischen, aztekischen und mexikanischen Gefäßen
und Geräthen ihren Spuck treiben und die etwa in
einer Künstlerfaschingszeitung am Platze sind, wenn
man gewisse Seiten der modernen dekorativen Kunst
in's Lächerliche ziehen will; in eine Zeitschrift, die
ernst genomnien werden soll, paßt derlei Schabernack
nicht. Den Einfluß, welchen die Wiener „Sezession"
auf das öffentliche Kunstleben in Oesterreich ge-
winnen will und welchen inan ihr nur von ganzem
Herzen wünschen kann, wird sie sich am ersten sichern,
wenn sie in ihrem Organ alles fern hält, was mit den,
Ernst ihrer Absichten in Widerspruch zu stehen scheint.

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