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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 47.1897-1898

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Gmelin, Leopold: Das Kunsthandwerk im Münchener Glaspalast, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7002#0436

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Das Aunsthandwerk im Münchener Glaspalast.

In konstruktiver Beziehung sind auch die Stühle
und der Tisch von Schmidt & Tie. nicht ganz un-
bedenklich; wenn man die bei den Tischfüßen senk-
recht verlaufenden Lärchenholzfasern gleichlaufend
auch an den Tischzargeti sich ausbreiten sieht, so
weiß mau von vornherein, daß hier die senkrechte

566. wandbrunnen von ks. L. v. Berlepsch, Ausführung
von I. Win hart & Lo., München.

Maserung nur oberflächlich liegt, also die Haltbarkeit
der Zarge nicht durch die sichtbare Auerfaserung in
Frage gestellt wird — aber bei den durchbrochenen,
übrigens ganz originellen und reizvollen Rücklehnen
der Stühle sind wegen der theilweife recht ungünstigen
Durchquerung der Fasern Zweifel über die palt-
barkeit nicht ganz unberechtigt (Abb. 599).

Völlig im Banne der Eigenschaften des Holzes stehen
die Möbel von pössenbacher und Wenig. Von
diesen ist unseren Lesern schon der Schrank aus der

Nr. fO (5. 363) bekannt, neu ist ein sauf Abb. 55 s
sichtbares) Buffet, zu dessen Entwürfe sich Maler
und Architekt in einer Person vereinigt zu haben
scheinen. Das Ganze ist von einer fast lapidaren
Einfachheit, nur die Füllungen theilweife belebt durch
eingerissene, bunt bemalte Pflanzenornamente, die
allerdings nicht immer ganz glücklich — weil zu
groß im Maßstabe — ausgefallen sind. Ebenso
wie hier so ist auch bei Wenig's Möbeln der geistige
Ursprung derselben in der Werkstatt des Tischlers
zu suchen. Das Tischchen, der Stuhl, das kleine
Wandkästchen, welch' letzteres durch die einfachen
Reliefs (Salamander und Kamille) sich deutlich als
Pausapotheke kennzeichnet, — sie alle sind modern
gedacht, ohne Spielereien und ohne den Forderungen
des Materials zu widersprechen.

Die meisten Möbel der Ausstellung tragen eine
ausgesprochene Abneigung gegen ornamentale Aus-
schmückung zur Schau; nur bei ganz wenigen bildet
die Ausstattung mit pflanzlichem Grnament das
Tharakteristikum, so bei den geschnitzten Truhen, an
denen I. Rösl sich stellenweise nicht ohne Glück
mit der Anwendung naturalistisch gezeichneter Pflanzen
in der Art gothischer Flachschnitzereien versuchte.
Die beiden kleinen Tischchen von (D. Fritzsche be-
wegen sich hinsichtlich der ornamentalen Durchbildung
des Fußgestelles in ziemlich freien Formen; aber
des Meister's fachmännische Kenntnisse bewahren
ihn davor, jenmls etwas zu machen, das der Natur
des Holzes zuwiderläuft. Auch wenn das Holzwerk
stark schwinden sollte, werden diese Tischchen nie
unansehnlich werden, da die Holzfugen gut liegen.
Sehr viel weiter und stellenweise über die Grenzen
des technisch Zuträglichen gehen einige Möbel von
Michael; Tischchen und Stuhl erinnern stark an
den längst verflossenen „Maximiliansstyl" Münchens;
die I-förmige Lehne ist zwar nicht unbequem, aber
auch nicht schön. Von den beiden Zierschränkchen
hält sich das eine mit seinen modernen Neigungen noch
in erträglichen Grenzen, während das andere vor
lauter Geschnitz und Getändel aller Gebrauchsfähig-
keit spottet; daß im Einzelnen manches Pflanzen-
motiv hübsch geschnitzt ist, soll damit nicht bestritten
werden.

Von Auswärts sind nur wenige Möbel zur
Ausstellung gekommen, und außer einem „Bauern-
stuhl" von Afhbee, London, durchweg französische
Arbeiten, lauter Stücke voll Eleganz und Knappheit der
Form; erstere erklärt sich ebenso leicht aus der pariser
Kultur wie letztere aus der Engigkeit der Pariser
Wohnungen. Es liegt auf den meisten Stücken ein
Hauch von Ueberfeinerung und Abgelebtheit, über
den auch die solideste Technik nicht hinwegtäuschen

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