Das Munsthandwerk im Münchener Glaspalast.
62{. Zierteller aus Kupfer von Steinicken 6c Lohr, München,
der wirkl. Größe.) Muster geschützt.
die nach Entwürfen von Willy von Beckerath,
Düsseldorf, ausgeführt find, liegen Fälle vor, bei
denen man die Empfindung hat, daß das Muster
irgend ein Gebilde darstellen soll, ohne daß man
dahinter kommt, was es fein soll; bald glaubt man,
Schinetterlingsflügeln auf der Spur zu fein, bald
vermuthet man Schlangenköpfe oder ein Augenpaar,
ein perz. Eittweder muß man Formen wählen,
die von vornherein als nichtssagend angesehen werden,
die sich dann aber auch hübsch bescheiden benehmen
und nicht so thun, als wären sie große Herren, —
oder man muß Gebilde bringen, die etwas Ver-
ständliches vorstellen und nicht Vexirbilder aufgeben.
Wir verkennen keiiteswegs weder die kraftvollen
Farbenaccorde dieser Muster, noch den Adel der
Gobelintechnik, wünschen aber doch, daß diese sich
an edleren, verständlicheren Mustern zeiget! nrögen,
wie sie z. B. Leistikow an seinen Stühlen und dem
Windschirin vorführt (Abb. 60^). Gleiche Bedenken
tauchen auch gegenüber den Portieren von Br. Paul
(gestickt von Frau Marie Artiger) auf; gegen die
farbige Wirkung läßt sich nichts einwenden, und bei
faltigein Dahängen wird die Zeichnung weniger
aufdringlich wirken, die Nachbarschaft weniger stören.
Da aber in der letzten Zeit die „Linie an sich" als
ein ganz neues und jederzeit verwendbares Grnament-
motiv gepriesen wird, so mag es gestattet sein, hier
auf die Gefahren des zu großen Maaßstabes hinzu-
weisen. Bei den in Rede stehenden Vorhängen, nament-
lich bei ihrer flachen Aufhängungsweise, ist der
Maaßstab des Linienornaments ein so großer, nianche
Bewegungen der Linien erscheinen so gewaltsam,
daß dadurch Alles niedergeschmettert wird, was sich
in die Nähe wagt. Es ist nicht die geistige Ueber-
legenheit, die hier den Sieg über den konkurrirenden
Nachbarn davonträgt, sondern die brutale Gewalt.
Denn diese Linien treten wohl auf mit den Ansprüchen
großer Geister, geben uns aber nichts als hohle
Phrasen! Gewiß hat eine Liniendekoration auch
ihre Berechtigung —- hat doch auch der große Dürer
uns Zeichnungen dieser Art hinterlassen, und wie
schön ist oft das Gefchnür an slovakifchen Zacken! —,
aber die Linie führt sich hier viel zurückhaltender
auf als bei vielen niodernen Arbeiten.
Aehnliches gilt von den Stickereien auf den
Eckstühlen in der Fensternische in Dülfer's Zim-
tner (Abb. 587) und von dem größern Anüpf-
teppich von p. Behrens (auf Abb. 557, Pest jp
sichtbar). Alle Anerkennung für den unendlichen
Fleiß, mit dem der Aünstler und seine Gattin dieses
Werk zu Wege gebracht; aber das Muster sagt doch
mit seinen großen, an die Spiegelungen auf leicht
bewegter Wasserfläche gemahnenden Flächengestal-
tungen zu wenig und ist dabei zu, großformig, um
noch einigermaaßen begriffen zu werden, wenn Tisch
und Stühle darauf stehen. Und begriffen werden
sollen und wollen doch alle künstlerischen Dinge.
Besser ist in dieser pinsicht der kleinere Teppich
Behrens' mit den streifig hin- und herlaufenden,
622. Schirmgestell von St ei nicken und Lohr, München.
(7, der wirkl. Größe.) Muster geschützt.
62{. Zierteller aus Kupfer von Steinicken 6c Lohr, München,
der wirkl. Größe.) Muster geschützt.
die nach Entwürfen von Willy von Beckerath,
Düsseldorf, ausgeführt find, liegen Fälle vor, bei
denen man die Empfindung hat, daß das Muster
irgend ein Gebilde darstellen soll, ohne daß man
dahinter kommt, was es fein soll; bald glaubt man,
Schinetterlingsflügeln auf der Spur zu fein, bald
vermuthet man Schlangenköpfe oder ein Augenpaar,
ein perz. Eittweder muß man Formen wählen,
die von vornherein als nichtssagend angesehen werden,
die sich dann aber auch hübsch bescheiden benehmen
und nicht so thun, als wären sie große Herren, —
oder man muß Gebilde bringen, die etwas Ver-
ständliches vorstellen und nicht Vexirbilder aufgeben.
Wir verkennen keiiteswegs weder die kraftvollen
Farbenaccorde dieser Muster, noch den Adel der
Gobelintechnik, wünschen aber doch, daß diese sich
an edleren, verständlicheren Mustern zeiget! nrögen,
wie sie z. B. Leistikow an seinen Stühlen und dem
Windschirin vorführt (Abb. 60^). Gleiche Bedenken
tauchen auch gegenüber den Portieren von Br. Paul
(gestickt von Frau Marie Artiger) auf; gegen die
farbige Wirkung läßt sich nichts einwenden, und bei
faltigein Dahängen wird die Zeichnung weniger
aufdringlich wirken, die Nachbarschaft weniger stören.
Da aber in der letzten Zeit die „Linie an sich" als
ein ganz neues und jederzeit verwendbares Grnament-
motiv gepriesen wird, so mag es gestattet sein, hier
auf die Gefahren des zu großen Maaßstabes hinzu-
weisen. Bei den in Rede stehenden Vorhängen, nament-
lich bei ihrer flachen Aufhängungsweise, ist der
Maaßstab des Linienornaments ein so großer, nianche
Bewegungen der Linien erscheinen so gewaltsam,
daß dadurch Alles niedergeschmettert wird, was sich
in die Nähe wagt. Es ist nicht die geistige Ueber-
legenheit, die hier den Sieg über den konkurrirenden
Nachbarn davonträgt, sondern die brutale Gewalt.
Denn diese Linien treten wohl auf mit den Ansprüchen
großer Geister, geben uns aber nichts als hohle
Phrasen! Gewiß hat eine Liniendekoration auch
ihre Berechtigung —- hat doch auch der große Dürer
uns Zeichnungen dieser Art hinterlassen, und wie
schön ist oft das Gefchnür an slovakifchen Zacken! —,
aber die Linie führt sich hier viel zurückhaltender
auf als bei vielen niodernen Arbeiten.
Aehnliches gilt von den Stickereien auf den
Eckstühlen in der Fensternische in Dülfer's Zim-
tner (Abb. 587) und von dem größern Anüpf-
teppich von p. Behrens (auf Abb. 557, Pest jp
sichtbar). Alle Anerkennung für den unendlichen
Fleiß, mit dem der Aünstler und seine Gattin dieses
Werk zu Wege gebracht; aber das Muster sagt doch
mit seinen großen, an die Spiegelungen auf leicht
bewegter Wasserfläche gemahnenden Flächengestal-
tungen zu wenig und ist dabei zu, großformig, um
noch einigermaaßen begriffen zu werden, wenn Tisch
und Stühle darauf stehen. Und begriffen werden
sollen und wollen doch alle künstlerischen Dinge.
Besser ist in dieser pinsicht der kleinere Teppich
Behrens' mit den streifig hin- und herlaufenden,
622. Schirmgestell von St ei nicken und Lohr, München.
(7, der wirkl. Größe.) Muster geschützt.