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Die Kunst-Halle — 3.1897/​1898

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No. 12
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Norden, J.: Berliner Kunstschau
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Kunstchronik
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186

Die Aun st-Halle

Nr. s2

von Aman-Jean und Gandara beeinflußt ist, daß er als
Landschafter sich in primitivsten Ausdrucksformen gefällt,
das wußten wir schon. Das Line beweist nur eine
künstlerische Unselbstständigkeit, das Zweite zeugt von
einer Marotte, die vielleicht vorübergehend sein wird.
Aber ein Drittes noch beweist uns seine jetzige große
Ausstellung: daß er nämlich ein bewußter Apostel des
Häßlichen ist. Nicht bloß in vielen der hingesudelten Land-
schastsskizzen, sondern noch mehr in einigen Bildnissen
und Genreszenen. Da sitzt im Hauptraum eine scharszügige
Dame mit schwarz-roth-grauen Seitenlocken, da finden wir
im schmalen Straßenzimmer das Porträt eines Herrn mit
schwarzem Haar und Bart und stechenden Augen und eine
alte Dame mit Pelzkragen über einem Sammt-Iaquet —
man kann von diesen Bildern nur sagen: „das ist der
Gipfel der Häßlichkeit". Und doch hat Ripxl-Ronai
versucht, hierin sich selbst noch zu übertreffen. Im Interieur
z. B. mit den Teppichwirkerinnen. Einfach ein gräßliches
Bild. Ohne Licht, ohne Lust, ohne koloristisches Problem
und mit einer Hexe in der Lcke, die nervöse Damen er-
schrecken kann, wenn sie es nicht vorziehen, zu lachen.
Auch das andere Interieur, mit der Dame am pianino,
und mit der allein oder in anderen Bildern immer wieder-
kehrenden abermals grundhäßlichen blauen Vase, in der
knallrothe Tulpen stecken — gehört hierher. Hier schwelgt
er auch förmlich in seiner Liebhaberei dicker schwarzer
Umrisse. Aber trotz alledem ist der Künstler ernst zu
nehmen. Wenn er häufig durch die Farbenhäßlichkeit,
durch Verzeichnungen, durch gesucht unschöne Stellungen
abstößt, so weiß er doch gelegentlich zu fesseln mit seiner
Erfassung seelischer Zustände. Ja selbst koloristisch giebt
er sich mitunter interessant, wie z. B. in dem braunge-
kleideten schlanken jungen Mädchen, mit dem grünen
Vogelbauer, aus blauem Hintergründe. Dann möchte ich
die beiden Bildnisse seines Freundes, des pariserischen
Schotten pitcairn - Knowles mit dem dem Mysti-
cismus ergebenen Wesen zwischen ihnen. Die blonde
Dame mit dem mächtigen schwarzen Rembrandthut und
auch das weibliche Kniestück in Lebensgröße am Fenster,
nennen als beredte Zeugen des Talents und der Kraft
Rippl-Ronai's, die er aber nur selten so zu Worte kommen
läßt. Er hat auch Entwürfe für Wandteppiche ausge-
stellt. In Schwarz und weiß, wie sie farbig wirken,
läßt sich also nicht ermessen. Aber die Komposition des
mythischen Gartens und des stilisirten wiesenxlans mrt
Vieh ist nicht der Art, daß man es gleich begreift, daß
das Luxemburger Museum die Entwürfe für 20 000 Fr.
angekaust hat.
Eine Verwandtschaft mit dem Ungarn zeigt die
Berlinerin Susanne Goldschmidt. Gleich ihm ist sie,
zumal bei den pariser Impressionisten in die Schule ge-
gangen, bei Larriöre, auch bei Whistler und — wer weiß bei
wem sonst? Gleich jenen liebt sie die nebelhaft verschleierten
Töne, die verschwommenen Umrisse. Aber wenn auch
ihre Palette bisweilen recht trübe ist, so sucht sie doch
keineswegs die Häßlichkeit. Da ist namentlich ein Damen-
Porträt, das in gehöriger Sehweite einen vorzüglichen
Eindruck macht. Die Haltung der Sitzenden ist natürlich
und ungezwungen, der Ausdruck so lebendig und liebens-
würdig, daß man sich gern aus eine Unterhaltung einließe,
voll Leben ist auch der Ausdruck der Mutter aus dem
großen Bilde beim Fenster. Line Leidensgeschichte ist in
diesen Zügen erzählt, die uns bewegt. Der figurenbelebte

Winkel aus einer Blumenmarkthalle war schon früher zu
sehen. Hier hat dieKünstlerin die vielen verschiedenen Lokal- '1/
töne gut einem gefälligen Gesammtton unterzuordnen ver-
standen, was ihr nicht immer gelingt, und das färben-
dunstige Binnenlicht wirkt gut.
Mit diesen beiden hat noch der Dresdner Richard
Müller ausgestellt, ein Zeichner von großem Können,
ein feinfühliger Lithograph und glänzender Radirer,
vor Allem ein scharfer Beobachter der menschlichen und
der Thierfigur. Die Rast der Kameele z. B., oder die
beiden vom Rücken gesehenen sitzenden Männergestalten,
um nur zwei besonders hervorragende Blätter zu nennen,
lassen von dem jungen Künstler noch sehr Bedeutendes er-
warten. N.

Ikunstckronik.

* Große Berliner Kunstausstellung t 89 8. wie
in früheren Jahren so richtet auch dieses Mal wieder eine
Anzahl von Künstlern, die sich in ihren Interessen bedroht
oder eingeengt glauben, an uns das Ersuchen, gewisse
Punkte im Programm der Ausstellung vor Thoresschluß
einer Kritik zu unterziehen. Ganz abgesehen davon,
daß wir bereits früher u. a. zur Frage der Jury, gegen
deren Existenz wir im Prinzip nicht sind, Stellung ge-
nommen, wird es uns schwer, den wünschen aller Der-
jenigen, die uns durch ihre Zuschriften vertrauen ent-
gegenbringen, zu dienen, schon weil wir zu den Mitgliedern
der diesmaligen Jury unbedingtes vertrauen hegen und
nicht glauben können, daß ihr Gerechtigkeitssinn sie im
Stiche lassen werde. Sollte dieser Fall doch unerwartet
eintreten, was in jedem einzelnen uns mitzutheilenden Falle
freilich erst zu beweisen sein würde, dann wird uns ganz
gewiß die Sache über die Person gehen. An die verehrten
Juroren selbst aber richten wir aus diesem Anlaß
die Bitte, kein ehrliches Streben, in welcher künstlerischen
Form es sich auch offenbare, völlig unbelohnt zu lassen,
Künstler, die als solche durch ihre Zugehörigkeit z. B. zur
Allg. deutschen Kunstgenossenschaft legitimirt sind, nur im
allerdringendsten Falle abzuweisen und zu bedenken, daß
Werke, über deren Werth immerhin Zweifel möglich sind,
eher anzunehmen als abzulehnen sind, um auch den Urhebern
dieser Arbeiten Gelegenheit zu geben, Lob und Tadel
größerer Kreise zu vernehmen. Mehrere der an uns ge-
richteten Briefe verurtheilen die auch sonst schon scharf
kritisirte, in diesem Jahre abermals beschlossene Verleihung
von Medaillen. Andere weisen daraus hin, daß der
frühe Schlußtermin der Einsendung der Werke
(2Z. März) es vielen Malern, die durch das schlechte
Licht in den Wintermonaten sehr in ihrem Schaffen
beeinträchtigt wurden, unmöglich mache, ihre Bilder bis
dahin fertig zu stellen oder eine noch nachträglich nöthig
gewordene Uebermalung sorgfältig auszusühren. wir
geben der Kommission freundlichst anheim, solchen recht-
zeitig angemeldeten Ausstellern die in § 20 des Programms
in der That vorgesehene „Ausnahme" im möglichsten
Umfang zu Theil werden zu lassen.
* Berlin. Die im April stattfindende Ausstellung
des Verbandes Deutscher Illustratoren verspricht
ein künstlerisches Lreigniß zu werden. Die überaus rege
Betheiligung der heute schaffenden Künstler legt leider für
die anfangs sehr breit geplante historische Abtheilung
mancherlei Beschränkungen auf, obwohl auch hier noch
genug des Interessanten bleiben wird. Nur die Sichtung
des Materials wird immer schwieriger, da in Bibliotheken
und Sammlungen fortwährend neue Schätze entdeckt
werden, die nach dem Lichte der Deffentlichkeit verlangen.
Erst kürzlich hat ein Mitglied der Ausstellungs-Kommission
wieder einen kunstgeschichtlich sehr werthvollen Fund ge-
than, der besonders der Kunstforschung von Interesse sein
 
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