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Die Kunst-Halle — 3.1897/​1898

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No. 14
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Hansen, Fritz: Zur Ausstellung von Künstler-Lithographien im Berliner Kunstgewerbe-Museum
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Gensel, Otto Walther: Pariser Kunstbrief
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https://doi.org/10.11588/diglit.63304#0248

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Die Run st-Halle

Nr.

2^

Doch auf die Zeit des plötzlichen Aufschwungs folgte
ebenso schnell eine Zeit des Niedergangs. Die Zeichnungen
wurden manierirt, es fehlte ihnen Natürlichkeit und Frische,
zugleich aber auch entstand die industrielle Lithographie; die
Kunst Senefelders wurde allrnälich auch den unteren Volks-
schichten zugänglich, sie verlor ihren Werth als Mode, als
soziales Erkennungszeichen der feineren Gesellschaft. Durch
den Indifferentismus der Künstlerkreise einerseits, durch die
Erfindung neuer Reproduktionsverfahren, vor allem durch
die Vervollkommnung der Photographie andererseits, ging
die Schaffung orginaler Kunstwerke der Lithographie vollends
verloren, war es früher üblich, ein portrait von: Litho-
graphen Herstellen zu lassen, so fiel diese Aufgabe nunmehr
der Photographie zu. Ebenso ging es mit den lithographischen
Reproduktionen nach Gemälden. Auch hier war es die Photo-
graphie oder die damit in Verbindung stehenden xhoto-
mechanischen Rexroduktionsmethoden, die als Konkurrenten
erfolgreich auftraten. Die Lithographie mußte sich mehr der
praktischen Thätigkeit zuwenden, sie wurde etwas ganz
anderes, als sie in ihrer ersten Blüthezeit war; aus der
Kunst wurde eines der größten Kunstgewerbe. In der
Technik bis zur höchsten Vollkommenheit ausgebildet, hat
besonders die deutsche Lhromo-Lithographie durch ihre
Faksimile-Reproduktionen von Gemälden, Studienblättern
rc. der Wissenschaft große Dienste geleistet.
Als dann neuerdings die Agitation für das Kunstgewerbe
begann, feierte auch die künstlerische Lithographie ihre
Auferstehung. Die Lithographie trat zunächst in den
Dienst der Reklame und durch die Plakatzeichnungen Lhörets
und seiner zahlreichen Nachfolger wurde man auf ihren
Werth als Grginalkunst aufmerksam. Die Vortheile der
Steinzeichnung gegenüber den xhotomechanischen Reproduk-
tionsverfahren — der malerische Effekt, die sastige Wirkung
der Töne und der feine, weiche Glanz der Zeichnung —
treten besonders in der Plakatkunst auffällig hervor. Paul
Mauron aus Avignon war der erste, der l889 mit ganz
neuen eigenartigen Original - Lithographien auftrat und
damit großen Erfolg hatte- Die Kunst Senefelders wurde
von neuem ein beliebtes Genre der jungen Künstler, ohne
jedoch so lebhaft zu sein wie ehemals. Freilich fehlt es
auch nicht an Leuten, die diesen Aufschwung nur als eine
Mode betrachten, wie ungefähr die Puffärmel und
andere Dinge. Die Welt geht von einer Lrfinduug zur
anderen, um dann gelegentlich auf die früheren zurück-
zukommen.
Natürlich wurden viele Anstrengungen gemacht, um der
neu erstandenen Kunst Anhänger zu werben. In Berlin und
Wien, ganz besonders aber in Paris fanden große Aus-
stellungen statt. In Paris drängten sich diese förmlich. Der
Ausstellung der Karrikaturisten vorn Jahre ;888 folgte die
Spezialausstellung der Schule der fchöneu Künste im Jahre
t89t, dann die der Arbeiten Raffets l.892 und Lharlets ^893.
Die vollkommenste Lithograxhie-Ausstellung, die Gelegen-
heit bot, die Leistungen dieser graphischen Kunst in allen
ihren Epochen zu bewundern, wurde Ende tösts etwas ver-
früht als internationale Ausstellung der Senefelder Zentenar-
feier in Paris veranstaltet. Das Übermaß von Huldigungen,
welche man der Kunst Senefelders auf dieser Ausstellung
zu Theil werden ließ, rief den Eindruck hervor, als handele es
sich hier um einen längst todtgeglaubten, plötzlich aber wieder-
erwachten Freund. Auch bei uns in Deutschland fanden
sich, ebenso wie in England, Maler-Lithographen, und die

Ausstellungsorganisatoren waren schnell dabei, dem Publi-
kum Kenntniß von dein Schaffen zu vermitteln.
Schon auf der im Mai t895 im Lichthofe des
Berliner Kunstgewerbe-Museums veranstalteten Kunstdruck-
Ausstellung waren einige der besten Arbeiten von Lunois,
Menzel, Thoma u. a. ausgestellt und erst im Vorjahre
hatte die alte Künstlerstadt Düsseldorf eine sehr umfang-
reiche Lithograxhie-Ausstellung aufzuweisen. Lin großer
Theil der dort ausgestellten Blätter befindet sich nun gegen-
wärtig im Berliner Knnstgewerbe-Museum zu einer Aus-
stellung vereinigt, deren Zweck es ist, „von dem Stand der
Künstler-Lithographie in der Gegenwart eine Übersicht zu
geben". Soweit das durch eine Vorführung von ca.
600 durchweg neueren Arbeiten bekannter Maler-Litho-
graphen aus Frankreich, England, Deutschland und Holland
möglich ist, wird dieser Zweck erreicht. Allerdings wäre
es gut gewesen, wenn man auch einige der besten Werke
aus der ersten Blüthezeit der Lithographie hinzugefügt,
Steinzeichnungen von Lharlet, Horace vernet und vor
allein von Raffet ausgestellt hätte. Denn wenn es auch
nicht in der Absicht der Ausstellungsorganisatoren lag, hier
eine Geschichte der Künstler-Lithographie vorzuführen, so
ist es doch für die Schätzung des werthes der modernen
Arbeiten von größter Wichtigkeit, einige Proben der besten
älteren Vriginal-Lithograxhie zur Seite zu haben, wie
eigenartig würden z. B. die Zeichnungen von Raffet, diese
wunderbaren, einzig dastehenden Schilderungen Napoleons
und seiner Soldaten, gegenüber den Arbeiten unserer
modernen Maler-Lithographen wirken I Und Raffet, der
durch Lharlet eingesührt wurde, ist ein durchaus moderner
Mensch gegenüber dem älteren Vernet, dessen Arbeiten, um
M5—t820 entstanden, noch jenen Geist und jene Grazie
zeigen, die dem Frankreich des achtzehnten Jahrhunderts
eigen waren. (Ein zweiter Artikel folgt.)
Wapisei- ^uysklmiek.
von Walther Genfei.
- Schluß.)
sH^>^'in Wort sei mir noch vergönnt über die Aus-
stellung der Sechs in der Galerie der ruo
vaumartin, obwohl sie schon Anfang Januar
stattgefunden hat. Die „Sechs", die allen
schon von der kunstgewerblichen Abtheilung des Mars-
feldsalons her bekannt sind, sind begeisterte Vor-
kämpfer desjenigen modernen Kunstgewerbes, das von
den überkommenen Formen, sowohl von der massiven
Schwere der Renaissance als von dem Schnörkelwesen des
Rokoko, sich freizumachen sucht und besonders nach Ein-
fachheit und Logik strebt. Felix Aubert in feinen Spitzen,
Lharxentier in seinen Petschaften und gepreßten Leder-
arbeiten, Dampt in einigen Silbersachen und besonders
Lharles Pluinet in seinem Arbeitszimmer eines Architekten,
vertreten diese Bestrebungen recht glücklich; weniger gc-
lungen erscheinen mir die Stickereien nach Zeichnungen
von Moreau-Nelaton und die Möbel, Leuchter u. s. w.
von Selmersheim. Das interessanteste Stück war jeden-
falls der Kachelschmuck für ein Badezimmer von Aubert
und Lharxentier. Allein, alle diese Sachen sind noch viel,
 
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