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Die Kunst-Halle — 3.1897/​1898

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Nr. 18
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Fuchs, Georg: Die Ausstellung der Münchener Sezession 1898
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Newski, Andrei: St. Petersburg: Kunstbrief
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https://doi.org/10.11588/diglit.63304#0320

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278

Die Aun st-Halle

Nr. s8

der Konkurrenz erhielt. Er lehnt sich an byzan-
tinische und frühmittelalterliche Vorbilder an. Erstrebt
ist ein feierliches „Maestoso" in Blau, Blutroth
und Gold, das vorzugsweise in der südlichen Hälfte
(„Jüngstes Gericht"), in welcher der Erzengel
Michael dominirt, eine ergreifende Wirkung ver-
spricht. — Ludwig von Zumbusch („Die Hexe",
„Der Schatzgräber", „Der Bettler") ist ein lustiger
Märchenerzähler und Kalendermann mit einer stark
satirischen Ader („Vor der Stadt"), dessen Begabung
ihn wohl mehr auf die Illustration als auf das
Gelbild hinweist.
Die wenigen Arbeiten ausländischer, nieder-
ländischer, schottischer, französischer Künstler sind be-
kannte Dinge. Fernand Khnopff's Kinderporträt
ist freilich so überaus zart und geistvoll, so fein ge-
tönt und abgewogen, daß man es immer wieder
mit Genuß betrachtet. Jean Delville (Brüssel)
ist ihm nahe verwandt. Seine leicht getönten Zeich-
nungen („Tharfreitagszauber", „Profil") find nicht
nur poetisch, sondern auch von diskret dekorativer
Wirkung. Löon Frederic prunkt dieses Mal mit
einem Triptychon „Die Natur": schaudervoll, höchst
schaudervoll! Lin malerischer Gräuel, wahrhaftig,
dieses wirrsal von rothen Blumen, in denen mensch-
liche Körper ertrinken, durch welche sich Putten
empordrängen an jene ungeheueren Brüste, die
schon Faust zu fassen trachtete. Die ewig-junge
Mmutter reicht sie ihnen und ist sich dabei sichtlich
bewußt, welch einen ungemein neuen Gedanken sie
allhie in schlechter, geschmackloser Malerei zu sym-
bolisiren hat.
Die plastische Abtheilung ist noch nicht voll-
ständig. Sie enthält, wie bereits in der Einleitung
bemerkt, nur kleinere Arbeiten, von Deutschen treten
Hugo Kaufmann mit einer äußerst liebevoll durch-
gebildeten Mädchenbüste, Hermann Hahn mit
einer „Judith", Halbfigur in Marmor, mit sehr
lebensvoller Behandlung einer nackten Schulter-
parthie und einem mißrathenen Holofernes - Haupte,
ferner Seffner, Kneller und Taschner mit
Büsten in den Vordergrund. Der Letztgenannte be-
handelt in seinem polychromen „Strauchdieb" ein
volksthümliches Motiv mit Humor und Geschick.
Von Emil Dittler seien ein kräftig hingestellter
„Bogenschütze" in Bronze und einige gute Reliefs
nicht übersehen! Theodor von (Losen wieder-
holt seine Bronzestatuette „Geigenspieler" vom Vor-
jahre nnd giebt neu drei sehr charakteristische, winzige
Porträt-Statuetten in getöntem Gyps, welche nicht
ohne Humor sind. Von ausländischen Arbeiten
erwähnen wir, neben den überragenden Schöpfungen
Tonstantin Meuniers', noch eine dekorative
Bronzegruppe von Arthur Aubert (Paris): „Fuchs
mit einem Hahn", und ferner zwei von Bigot aus-
geführte Steingutgüsse nach demselben, die ebenfalls
dekorativen Zwecken, etwa für Garten- und Wasser-
Anlagen dienen; ferner etwa 20 Steingut-Masken
von Isidore de Rudder (Brüssel), größtentheils
humoristischen Charakters.
Die im (0. Saale aufgestellte Kollektion
russischer Werke wollen wir am Schlüsse be-
trachten; denn sie ist außerordentlich lehrreich. Nicht
allein, weil sie wohl zum ersten Male eine größere
Gruppe wirklich guter Erzeugnisse aus Rußland
darbietet, sondern weil sie mancherlei Prinzipielles
zu bedenken giebt, wie wir sogleich sehen werden.
Zunächst möchte ich die finnischen Maler: Vaino
Blomstedt, Axel Gallen, Lrro Särnefelt,

Berndt Lagerstram als durch skandinavische und
wohl auch japanische Einflüsse ebensowohl, wie
durch die Rasse von den Russen unterschieden, aus-
nehmen. Sie leben zumeist in Helsingfors. Ihre
Begabung ist vorwiegend dekorativ und offenbar
schon von Haus aus der japanischen Kunst-Auffassung
nahestehend. Einige der Gemälde möchte ich lieber
als Entwürfe für Weberei ansprechen, andere sind
zu archaistisch, um bei den „Seelen des Westens"
Verständniß zu finden, andere, ausschließlich Land-
schaften, sind von starker, einfacher und natürlicher
Wirkung sowohl in den Farben wie anch in der
stark stilisirten Zeichnung. — Diese Finnen sind aber
Männer von eigener Art, während die Russen, mit
Ausnahme des sie alle weit überragenden Valentin
Seroff („Großfürst Paul", Damenbildnisse, herr-
liche Landschaften) und etwa nochIsaak Levitan's
und Michel Herterow's, gar keinen eigenen Lha-
rakter haben: es sind Pariser Impressionisten, Schüler
der Schotten und Holländer, alles mögliche, nur
keine Russen. Daraus kann zwar einmal eine
tüchtige Malerei, niemals aber eine wahre Kunst
werden. Ihnen fehlen die elementaren Grundlagen
ebenso, wie fast allen amerikanischen Malern der
Gegenwart, sie treiben im Fahrwasser des inter-
nationalen virtuosenthums, das allem künstlerischen
Wesen abgewendet ist. Nur Einzelne sind es, die
aus sich und auf heimathlicher Grundlage nach Ge-
staltung ringen. Ist es bei uns etwa anders? —
Laßt uns darüber nachdenken!

Petersburg:
^uystbriek.

„Kunst-Halle" hatte in dem Artikel über die
Tretjakow'sche Gallerie schon mitgetheilt,
daß Rußlands Hauptstadt, die bisher noch
keine richtige Nation algallerie hatte,
nunmehr auch eine solche erhält. Ls ist dies das
„Museum Alexanders III.," das zur Ehrung
dieses kunstsinnigen Fürsten, der aus seinem privat-
vermögen und dem Kaiserlichen Apanagenfonds
ungezählte Hunderttausende zur Verbreitung und
Hebung nationaler Kunst, zur Förderung und Unter-
stützung ihrer Vertreter hergegeben hat, und in Er-
füllung eines von ihm selbst gehegten Herzens-
wunsches von seinem Sohn, Kaiser Nikolaus II. be-
gründet und vor Kurzem feierlich eröffnet worden ist.
In dem zu diesem Behufs angekauften einstigen
Michaelpalais, das wundervoll im schönsten Stadt-
theile zwischen einem großen park und dem Michael-
square gelegen ist und zu den schönsten Schloßbauten
der Newaresidenz gehört, ist das neue Museum unter-
gebracht, nachdem nämlich die erforderlichen Um-
bauten und Neuausstattungen ausgeführt worden
waren. So macht das Alexander-Museum auch schon
rein äußerlich nicht bloß einen würdig vornehmen,
sondern auch monumentalen Eindruck. Einer der
jungen Gnkel des Kaisers, der Großfürst Georg
Michaelowitsch, steht an der Spitze der Museums-
verwaltung; hervorragende Kunstgelehrte und Künstler
sind ihre Mitglieder. So darf man hoffen, daß
diese neue Gallerie, die zudem über beträchtliche
 
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