Die Kunst-Halle — 3.1897/1898
Zitieren dieser Seite
Bitte zitieren Sie diese Seite, indem Sie folgende Adresse (URL)/folgende DOI benutzen:
https://doi.org/10.11588/diglit.63304#0230
DOI Heft:
No. 13
DOI Artikel:Schmidkunz, Hans: Adolf Adam Oberländer
DOI Artikel:Gensel, Otto Walther: Pariser Kunstbrief
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.63304#0230
Die A u u st - H a l l e
Nr. s3
O8
Kreisen noch fast ganz unbekannt sind und von
denen hier ein oder das andere Beispiel folgen soll.
Sie beziehen sich vorwiegend wieder aus das
Problem des Städtebaus. Einige unter ihnen hat
Henrici, ein Führer der Resormbewegung in
diesem Gebiet, ausgenommen; so den: „Die krumme
Linie ist die Linie des Lebens, die gerade Linie die
des Todes." In ähnlicher Weise trifft ein anderer
von diesen Denksxrüchen „das starre Regiment des
Lineals und des Nechtwinkels im modernen Städte-
bau", das etwas Militärisches habe. Dem allge-
meinen Verhalten des Publikums gegen die Kunst
überhaupt gelten Sätze wie der: „Hätte die große
Menge des Volks so viel Begeisterung für das
Schöne in der Kunst wie für den Velocipedsport,
wir hätten eine Kunstblüthe wie Griechenland in
seiner besten Zeit!" Ein Mann endlich, der, wie
Oberländer, schlicht und gewichtig heraussagt,
was er denkt und fühlt, hat auch das Recht zu
dem Ausspruch: „Wenn Liner von einer Sache
spricht, die ihm zu Herzen geht, darf er auch
unparlamentarische Ausdrücke gebrauchen; die soge-
nannte parlamentarische Ausdrucksweise hat etwas
Lastrirtes!"
Aus die Frage nach Gberländer's Lebens-
gang und nach seiner künstlerischen Entwicklung ist
kaum mehr zu antworten, als was in den üblichen
Nachschlagebüchern steht. Er stammt aus Regens-
burg; am H Oktober s8H5 ging sein 50. Geburtstag
mit einem ihn beinahe ehrenden Mangel an
posaunenstößeu vorüber. Nachdem er eine Zeitlang
piloty's Schüler im weiteren Sinn gewesen, ist er
seit den 60er Jahren ununterbrochen und so gut
wie unverändert das, als was wir ihn jetzt kennen.
Auch er selber beantwortet jene Frage mit einen:
einfachen: „wenn ich nur wüßte, was ich da sagen
soll!", und fährt dann fort: „Mein Leben ist so
einfach und uninteressant hingestossen, wie nur mög-
lich, meine Thätigkeit Zeichnen und immer Zeichnen,
fast ohne Urlaub in 35 Jahren." Und sofort geht
seine Antwort auch schon über in die Darlegung
seines Strebens, wie wir sie oben wiedergegeben.
Oberländer ist Niemandes Schüler im engeren
Sinn gewesen und unseres Wissens Niemandes
Lehrer im engeren Sinn geworden, wenngleich seine
Zeichnungsweise aus manche deutsche und auch
französische Zeichner eingewirkt hat. Er bekleidet
kein Lehramt, und es ist auch nicht leicht zu sagen,
ob die Kunstpädagogik an ihm eine große Lehrer-
persönlichkeit verloren hat; unseres Erachtens hätte
sich mindestens der Versuch gelohnt, jemanden als
Lehrer zu gewinnen, der allem Zwingen in eine be-
stimmte Richtung so fern steht. Doch ist er Ehren-
mitglied der königlichen Akademie der bildenden
Künste zu München und hat den Professorstitel; die
Lrtheilung des Maximilianordens für Kunst und
Wissenschaft an ihn vor einigen Jahren war wohl
die beste Kritik der landläufigen Auffassung, die
ihn, statt ihm seinen Rang neben den wenigen
Großen unserer Kunst anzuweisen, in eine Neben-
gruppe von Zeichnern u. dergl. einreiht. Daß diese
Auffassung ihn außerdem durch Worte wie „Vir-
tuosität", „satirische Absichten", „stärkste Mittel der
Karikatur" u. dergl. kennzeichnen will, kennzeichnet
vielmehr nur jenen Mangel an Kunstverständniß in
„weiteren" Kreisen, wie ihn Oberländer's Apho-
rismen so treffsicher und echt oberländerisch hinge-
stellt haben — ohne sogenannte Virtuosität, ohne
satirische Absichten und ohne eine Spur von Kari-
kirung, geschweige denn mit ihren „stärksten Mitteln".
Es ginge nicht mit rechten Dingen zu, wenn
der heutige Meister des charakteristischen Porträts
versäumt hätte, mit seinem das Innerste heraus-
kehrenden Blick und pinsel das Konterfei des
Meisters von der Alltagspoesie zu schaffen. In dem
Bildniß Gberländer's, das Lenbach gemalt hat,
lesen wir die ganz eigenartige und spezifisch deutsche
Verbindung von Ernst und Heiterkeit, von Trauer
und Lächeln, von Wehmuth und Schalkhaftigkeit,
und endlich von kindlichster Naivetät und reifer
Kritik, die seine künstlerischen Werke durchzieht. Man
möchte einem solchen Geist nicht nur die gewöhnliche
Unsterblichkeit des künftigen Klassikers, sondern
außerdem noch vor Allem die wünschen, die in einer
baldigen Erfüllung seiner eigenen wünsche für den
Kunstsinn des Volkes bestehen soll.
Pariser Uuystbrief.
von Walther Gensel.
größere und ein halbes Hundert kleinere
Ausstellungen in zwei Monaten: bei dieser Fülle
des Stoffes heißt es sich auf das wichtigste
beschränken. Die Akademie hat nach altem
Brauche in der Lcolo 6es LeLux-^.i-ts eine Ausstellung der
Werke ihres im vorigen Jahre verstorbenen Mitgliedes
Louis Franeais veranstaltet. Ich habe seiner Zeit
P. Juli ;89?) an dieser Stelle eine knappe Lharakteristik
dieses liebenswürdigen Künstlers zu geben versucht. Ist
es an und für sich ein gefährliches Ding, Z26 Werke des-
selben Meisters zugleich auszustellen, so ist das Experiment
besonders gewagt bei einem Landschafter. Nur die Aller-
größten vertragen diese Probe. Man kann sich beim
Besichtigen dieser Sachen schwer dem Eindrücke einer
gewissen Monotonie entziehen. Frühzeitig im Besitze eines
sicheren Könnens hat Fran^ais seine Malweise im Laufe
der Jahrzehnte nur wenig verändert. Dazu kommt, daß
er trotz seines liebevollen Verständnisses für die zarten
Reize der nordfranzösischen Hügellandschaft, die ihm seine
lieblichsten Motive gegeben hat, doch fast nie die geheim-
nißvolle Poesie eines Lorot oder den intimen Zauber
Nr. s3
O8
Kreisen noch fast ganz unbekannt sind und von
denen hier ein oder das andere Beispiel folgen soll.
Sie beziehen sich vorwiegend wieder aus das
Problem des Städtebaus. Einige unter ihnen hat
Henrici, ein Führer der Resormbewegung in
diesem Gebiet, ausgenommen; so den: „Die krumme
Linie ist die Linie des Lebens, die gerade Linie die
des Todes." In ähnlicher Weise trifft ein anderer
von diesen Denksxrüchen „das starre Regiment des
Lineals und des Nechtwinkels im modernen Städte-
bau", das etwas Militärisches habe. Dem allge-
meinen Verhalten des Publikums gegen die Kunst
überhaupt gelten Sätze wie der: „Hätte die große
Menge des Volks so viel Begeisterung für das
Schöne in der Kunst wie für den Velocipedsport,
wir hätten eine Kunstblüthe wie Griechenland in
seiner besten Zeit!" Ein Mann endlich, der, wie
Oberländer, schlicht und gewichtig heraussagt,
was er denkt und fühlt, hat auch das Recht zu
dem Ausspruch: „Wenn Liner von einer Sache
spricht, die ihm zu Herzen geht, darf er auch
unparlamentarische Ausdrücke gebrauchen; die soge-
nannte parlamentarische Ausdrucksweise hat etwas
Lastrirtes!"
Aus die Frage nach Gberländer's Lebens-
gang und nach seiner künstlerischen Entwicklung ist
kaum mehr zu antworten, als was in den üblichen
Nachschlagebüchern steht. Er stammt aus Regens-
burg; am H Oktober s8H5 ging sein 50. Geburtstag
mit einem ihn beinahe ehrenden Mangel an
posaunenstößeu vorüber. Nachdem er eine Zeitlang
piloty's Schüler im weiteren Sinn gewesen, ist er
seit den 60er Jahren ununterbrochen und so gut
wie unverändert das, als was wir ihn jetzt kennen.
Auch er selber beantwortet jene Frage mit einen:
einfachen: „wenn ich nur wüßte, was ich da sagen
soll!", und fährt dann fort: „Mein Leben ist so
einfach und uninteressant hingestossen, wie nur mög-
lich, meine Thätigkeit Zeichnen und immer Zeichnen,
fast ohne Urlaub in 35 Jahren." Und sofort geht
seine Antwort auch schon über in die Darlegung
seines Strebens, wie wir sie oben wiedergegeben.
Oberländer ist Niemandes Schüler im engeren
Sinn gewesen und unseres Wissens Niemandes
Lehrer im engeren Sinn geworden, wenngleich seine
Zeichnungsweise aus manche deutsche und auch
französische Zeichner eingewirkt hat. Er bekleidet
kein Lehramt, und es ist auch nicht leicht zu sagen,
ob die Kunstpädagogik an ihm eine große Lehrer-
persönlichkeit verloren hat; unseres Erachtens hätte
sich mindestens der Versuch gelohnt, jemanden als
Lehrer zu gewinnen, der allem Zwingen in eine be-
stimmte Richtung so fern steht. Doch ist er Ehren-
mitglied der königlichen Akademie der bildenden
Künste zu München und hat den Professorstitel; die
Lrtheilung des Maximilianordens für Kunst und
Wissenschaft an ihn vor einigen Jahren war wohl
die beste Kritik der landläufigen Auffassung, die
ihn, statt ihm seinen Rang neben den wenigen
Großen unserer Kunst anzuweisen, in eine Neben-
gruppe von Zeichnern u. dergl. einreiht. Daß diese
Auffassung ihn außerdem durch Worte wie „Vir-
tuosität", „satirische Absichten", „stärkste Mittel der
Karikatur" u. dergl. kennzeichnen will, kennzeichnet
vielmehr nur jenen Mangel an Kunstverständniß in
„weiteren" Kreisen, wie ihn Oberländer's Apho-
rismen so treffsicher und echt oberländerisch hinge-
stellt haben — ohne sogenannte Virtuosität, ohne
satirische Absichten und ohne eine Spur von Kari-
kirung, geschweige denn mit ihren „stärksten Mitteln".
Es ginge nicht mit rechten Dingen zu, wenn
der heutige Meister des charakteristischen Porträts
versäumt hätte, mit seinem das Innerste heraus-
kehrenden Blick und pinsel das Konterfei des
Meisters von der Alltagspoesie zu schaffen. In dem
Bildniß Gberländer's, das Lenbach gemalt hat,
lesen wir die ganz eigenartige und spezifisch deutsche
Verbindung von Ernst und Heiterkeit, von Trauer
und Lächeln, von Wehmuth und Schalkhaftigkeit,
und endlich von kindlichster Naivetät und reifer
Kritik, die seine künstlerischen Werke durchzieht. Man
möchte einem solchen Geist nicht nur die gewöhnliche
Unsterblichkeit des künftigen Klassikers, sondern
außerdem noch vor Allem die wünschen, die in einer
baldigen Erfüllung seiner eigenen wünsche für den
Kunstsinn des Volkes bestehen soll.
Pariser Uuystbrief.
von Walther Gensel.
größere und ein halbes Hundert kleinere
Ausstellungen in zwei Monaten: bei dieser Fülle
des Stoffes heißt es sich auf das wichtigste
beschränken. Die Akademie hat nach altem
Brauche in der Lcolo 6es LeLux-^.i-ts eine Ausstellung der
Werke ihres im vorigen Jahre verstorbenen Mitgliedes
Louis Franeais veranstaltet. Ich habe seiner Zeit
P. Juli ;89?) an dieser Stelle eine knappe Lharakteristik
dieses liebenswürdigen Künstlers zu geben versucht. Ist
es an und für sich ein gefährliches Ding, Z26 Werke des-
selben Meisters zugleich auszustellen, so ist das Experiment
besonders gewagt bei einem Landschafter. Nur die Aller-
größten vertragen diese Probe. Man kann sich beim
Besichtigen dieser Sachen schwer dem Eindrücke einer
gewissen Monotonie entziehen. Frühzeitig im Besitze eines
sicheren Könnens hat Fran^ais seine Malweise im Laufe
der Jahrzehnte nur wenig verändert. Dazu kommt, daß
er trotz seines liebevollen Verständnisses für die zarten
Reize der nordfranzösischen Hügellandschaft, die ihm seine
lieblichsten Motive gegeben hat, doch fast nie die geheim-
nißvolle Poesie eines Lorot oder den intimen Zauber