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Die Kunst-Halle — 3.1897/​1898

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No. 19
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Gensel, Otto Walther: Die Pariser Salons
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Thomas, Bertha: London: die New Gallery 1898
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https://doi.org/10.11588/diglit.63304#0338

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29^

Die A un st-Halle

Nr. V

Besnard (M.), der bei den letzten Ausstellungen
nur nut kleineren Arbeiten vertreten war, hat ein großes
„Theaterporträt" (Frau Rosane) gemalt, bei dem das
rauschende rosa Seidenkleid und der an Watteau er-
innernde Hintergrund wahre Wunderwerke des raffi-
uirtesten Geschmackes und der brillantesten Technik
sind. Liu kleines Juwel ist seine „Spanische Tanz-
scene". Recht warm wird man aber bei diesen „Ma-
lereien für Maler" ebensowenig wie bei den ungeheuer
geschickt heruntergemalten Frauenstudien Alexanders
oder den ästhetischen Gestalten Aman-Jeans und Stecks.
Auch Raffaelli (M.) ist uns diesmal als Porträtist
gekommen. Das Bildniß seiner Tochter ganz in Weiß
ist eine anmuthige, geschmackvolle, tüchtige Arbeit,
wenn i-ch auch nicht in das überschwängliche Lob
mancher französischen Kritiker einstimmen kann. Weit-
aus die bemerkeuswerthesteu Porträte sind die des
Dänen Kroyer (M.); vor seinem im hellsten Sonnen-
scheine dastehenden Holger Drachmann geht einem
das Herz auf, und wenn das Bildniß Schaudorphs
uns auch nicht so auf den ersten Blick gefangeuuimmt,
an Schärfe der Tharakteristik übertrifft es das andere
fast noch. Humberts „Jules Lemaitre" (<L.) sei erwähnt,
weil er uns beweist, daß der ausgezeichnete Künstler
mehr kann als schöne Kleider malen.
Ergiebiger noch als bei den älteren Meistern ist
die Ausbeute bei einer etwas jüngeren Klasse von
Künstlern, Leuten, die im vierten Jahrzehnte ihres
Lebens stehen, etwa seit lO oder auch schon Jahren
ausstelleu und nun anfaugeu durchzudriugeu. Neben
dem schon ausführlich besprochenen Tottet sind hier
Luoieu Simon und Andre Dauchez (M.), beides pariser,
zu neunen. Simon hat eine „Seiltänzerin in einer
Jahrmarktsbude" gemalt, bei der die wuchtige Breite
des Pinselstrichs und die Kraft der Valeurs fast au
Velasquez gemahnen. Leider mußten die Gesichter
der zuschauendeu Bauern und Bäuerinnen sehr dunkel
behandelt werden, wie ausgezeichnet sie charakterisirt
sind, erkennt man erst recht in den Aguarellskizzen.
Dauchez' hauptsächlichstes Bild ist eine kraftvolle Küsten-
landschaft in Gewitterstimmung „Die Tangverbrenner"
in Braun und Braungrün. Will man die Richtung
dieser drei Künstler kurz charakterisiren, so ist zu sagen,
daß sie ihre Motive aus dem ewig reichen Borne des
Volkslebens schöpfen ohne ins Anekdotische oder Sen-
timentale zu verfallen, und daß ihre Malweise, von
klassizistischer Schönfärberei wievon den Ausschreitungen
des Naturalismus sich gleich fernhaltend, auf eine
kräftige Betonung der Valeurs und ein starkes Hervor-
heben der wesentlichen Linien ausgeht. Gegen sie
gehalten wirken der „Sonntag" von Henri-Jules
Guinier—weißgekleidete Konfirmandinneu, die mit ihren
Eltern durch die Felder gehen — und das Kx voto
von Henri Royer (L.), — ein Seemann, der der
Madonna ein Schiffsmodell darbringt — zwei Bilder,
die in der Stoffwahl an sie erinnern, und denen weder
malerische (Qualitäten noch ein gewisser Stimmungs-
gehalt abgesprochen werden soll, fast etwas kleinlich.
Beide Bilder sind übrigens, ebenso wie das von
Dauchez, vom Staate angekauft worden. Recht gut
sind auch die Pendants „Die Industrie im Elsaß"
von Zwiller (L.). Von den Porträtisten dieser Gene-
ration, die rüstig fortschreiten, seien die Schweizerin
Röderstein, Leopold Stevens mit seinen Bildnissen der
Schriftsteller Richepin und Tourteline und besonders
Agache genannt, der seinen wundervoller: Frauenkopf
bescheiden Studie nennt, endlich Vidal mit seinen
reizenden Kinderstudien. (M.) Etwas abseits steht der
Peruaner Lynch (L.), dessen liebliche Mädchengestalten

sicher Porträte sind, dem es aber doch hauptsächlich
bei seinem Bilde um die Verschmelzung der Figuren
nut der Landschaftsstimmung und um das Leuchten
der Abendsonne auf den Hellen Kleidern zu thun war.
vou Interieurs seien das große Bild „Am Klavier"
von Boulard, eine Kindersoene von de Moncourt,
ein reizendes kleines Bild „Der Besuch" von Morisset,
die famose „Frau bei der Toilette" vou Lomont (M.),
endlich die in der Feinheit der Ausführung fast an die
holländischen Kleinmaler erinnernden Lampenscenen
von Victor Lecomte (E.) hervorgehoben.
Neben den Malern des Lebens treten die Maler
der Phantasie bei diesem Kunstgeschlecht stark zurück.
Der bedeutendste unter ihnen, Rens Menard (M.) hat
das Beste, was er im letzten Jahre geschaffen, nicht
zum Salon sondern zur Pastellisteu-Ausstellung geschickt.
Sein „parisurtheil" und seine im letzten Tagesschimmer
tanzenden Elfen (lla Oairiere) sind sehr stimmungsvoll,
aber so erstklassige Schöpfungen wie die „Sinkende
Nacht" und das „Damenbildniß" der pastellistenaus-
stellung sind sie nicht. Von ganz anderem Schlage als
dieser tiefpoetische Schilderer der Abenddämmerung
ist Paul Albert Laurens (E.). Sein bestes Bild ist
„Der Windstoß", drei phantastische, ausgelassene Mäd-
chengestalten, deren wilde Haare und lose Gewänder
der Wirbelwind zerzaust. Es steckt mehr „Loie-Fulle-
risches" in ihnen als in all' den Bildern, die die
berühmte Tänzerin direkt inspirirt hat. Von den
historischen Bildern ist eigentlich nur eins erwähnens-
werth, Henri Martins: „Tlemence Isaure erscheint den
Troubadours" für das Kapitol von Toulouse, seiner
Vaterstadt. Martin entwickelt sich, wenigstens was die
farbige Behandlung anlangt, zu einem Monumental-
maler ersten Ranges; seine Vorwürfe und ihre merk-
würdig archaisirende Gestaltung sind allerdings nicht
nach Jedermanns Geschmack.
(Tin zweiter Artikel folgt.)
London:
Oie Gallery IsHb.
von B. Thomas, London.

l^^n der New-Gallery ist dieses Mal eine ent-
schiedene Mannigfaltigkeit des Stils wie der
Technik zu rühmen; und dabei bevorzugt sie längst
^jcht mehr gewisse moderne Kunstrichtungen.
Ja, man kann behaupten, sie habe sich auf den
neutralen Boden der Royal Academy begeben. Das
Ueberwiegen des Porträts, eine von Jahr zu Jahr
auffälligere Erscheinung, macht sich noch mehr als
sonst bemerkbar. Ja, was die Ausstellung von s898
an werthvollen Leistungen aufzuweisen hat, gehört
fast nur diesem Gebiet an. Originalität und Indi-
vidualität in Auffassung und Behandlung finden wir
da vielfach auf das Glücklichste entfaltet.
Von den Landschaften, die in ungewöhnlich
großer Anzahl ausgestellt sind, können wir nur sagen,
daß sie durchweg ansprechend und vor Allem frei
sind von der in England leider noch vielfach be-
liebten Naturfälschung, daß sie aber derjenigen
(Qualität ermangeln, auf der die Erregung eines
tieferen Interesses beruht; da hat keines der Motive
ein starkes Gepräge für sich, es kommen überall die
 
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