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Die Kunst-Halle — 3.1897/​1898

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No. 19
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Meissner, Franz Hermann: Hermann Prell und die moderne Monumentalmalerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.63304#0335

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Nr. 19

Die A u n st - H a l l e

291

Dekorationsmaler ausgefragt, bis ihnen der Angst-
schweiß hervorbricht; und dann wird gemalt und
dem Gemalten mit Säuren zu Leibe gegangen, bis
das Wahre vom Falschen geschieden ist. Die reizen-
den sungen Frauen und Mädchen aus der Berliner
Noblesse aber, die würdigen Matronen und kritisch
gespannten Herren lassen sich, — wenn sie im be-
sagten Architektensaal gelegentlich der winterlichen
Presse-Vorträge den zunehmenden Embonpoint
Wildenbruchs, Spielhagens scharfgeschnittenes Gesicht
oder Wolzogens joviales Lächeln bewundern und
in den Zwischenpausen auf die interessanten Wand-
bilder schauen, — nicht im Traume einfallen, daß
diese Bilder über ihren Werth als anmuthiges
Zugendwerk eines hochbegabten Künstlers hinaus ein
kunsttechnisches Ereigniß bedeuten: die erste That der
Fresko - Renaissance. Schneit mal ein Philologe in
den illustren Zuhörerkreis hinein, so hat er seine
eigenen kritischen Freuden an den schlagenden Kultur-
bildern und der stillen, jugendbesangenen und darum
ein wenig herben Schönheit der Kunst darin. —
Lin Zugendwerk ist dieser Kulturepochen-Zyklus
im Berliner Architektenhaus, — aber doch ein früh-
reifes voll großer Züge. Nimmt man das
konventionellere Hauptbild der „Renaissance" aus, so
überrascht von Bild zu Bild die originelle Auffassung,
die Bildungskrast, der poetische Duft und ein spür-
barer, wenn auch noch gebundener Natursinn; es
überrascht auch die Sicherheit der Technik, welche
die ganze Fülle, dessen das Fresko fähig ist und unter
Drells Hand noch erreichen sollte, ahnen läßt, viel-
leicht war es ein Glück, daß der gesteckte Nahmen
in diesem Zyklus räumlich ein verhältnißmäßig be-
grenzter war, — er war gerade breit genug für eine
junge Kraft, wenn er auch die volle Entfaltung
künstlerischer Reife ausschloß. —
Das nächste Monumentalwerk Prells: „Die
Fresken im Nathhaussaal zu Hildesheim" Z892
abgeschlossen) bezeichnet bereits die Künstlerreise mit
einer der verlockendsten Aufgaben, die man sich
denken kann. Mitten in dem niedersächsischen Nürn-
berg, das in seinem Domviertel der romanischen
Epoche angehört und nut dem Namen des berühmten
Erzbischofs Bernward einen kunstgeschichtlich wichtigen
Theil derselben bezeichnet, — das andererseits in dem
märchenhaften Marktplatzviertel mit seinen Denkmalen
des Uebergangs aus der Gothik zur Renaissance
eine gleich wichtige Sehenswürdigkeit bietet, die keinem
kunstliebenden Menschen unbekannt sein sollte, schuf
prell in dem umfangreichen Hauptsaal des neu aus-
gebauten Rathhauses, an den: Gothik und Renaissance
in langem Entstehen gleichwertig betheiligt sind,
ein mächtiges Werk: in 6 größeren Bildern, die von
kleineren Kompositionen, Ornamenten rc. anmuthig
gegliedert sind, ist hier die Geschichte der Stadt in
volksthümlicher Anschaulichkeit verkörpert. Lin weiter,
geschichtssicherer und doch so gegenständlicher Maler-

blick beherrscht eine reiche Fülle anziehender Motive,
einzelner Gestalten, bewegter Massen; es ist alles so
kernhaft zusammengefaßt und dabei voll lebendigen
Naturgefühls; Alles ist Raum, Licht und Leben, wie
nur im Werk irgend eines modernen Wirklichkeits-
suchers; von einer sieghaften Schönheit aber ist das
Kolorit und die Wirkung des Fresko, wie sie keine
der Surrogattechniken je erzielt hat. Das Problem,
einen literarischen Vorstellungskreis volksthümlich
und doch in großer Auffassung der Grundzüge so
auf die Wand zu bringen, daß es ein modernes
Auge mit allen seiner: Ansprüchen an Illusion von
der Wirklichkeit befriedigt, ist in der glücklichsten
Weise gelöst; noch mehr aber: mir scheint ein neuer
Weg damit gegeben, wie man geschichtliche Wand-
malereien heute behandeln muß, um etwas Lebendiges
hervorzubringen.
Leider ist dies Werk ebenso wenig bekannt als
die dritte Breslauer Schöpsung. Man entschließt
sich heute so leicht zu weiten Reisen nach entfernten
und oft sehr inhaltlosen Riesenausstellungen, — auf
der Fahrt nach Köln oder Paris in Hildesheim, das
schon an sich so überaus lohnend für den Besuch
ist, zwischen 2 Zügen Aufenthalt zu nehmen oder
aus dem Wiener Schnellzug für ein paar Stunden
in Breslau auszusteigen, scheint ein Niesenentschluß;
ich habe in Jahren kaum 2 oder 3 Personen ge-
sprochen, welche die Originale dieser Werke kennen.
Das Breslauer und schönste unter den abge-
schlossenen Werken prells zeigt eine neue Phase seiner
Kunst: die koloristische Höhe seiner Freskotechnik und
geistig in der gegensätzlichen Behandlung von Antike
und Thristenthum in je einem Haupt- und zwei
Seitenbildern (Treppenhaus des Museums) jene
Vollreife, welche in einem Wort, einer Sentenz gleich-
sam das Thema zu erschöpfen vermag. Der Raum
verbietet leider ein näheres Eingehen auf den
fesselnden Gegenstand. Die sechs Bilder sind vollkommen
malerisch gedacht, von so warmer und inniger Ton-
wirkung und so großem Linienfluß, daß sie in der
Photographie deshalb nur einen Theil ihrer Wirkung
ahnen lassen können, — sie sind aber auch inhaltlich
in der Hirtengruppe am Apollo - Altar als Ver-
körperung des antiken Naturkults, im Paris -als
Allegorie auf die Sinnenliebe, im Pegasus als die-
jenige auf den daseinsfrohen Geistesschwung des
antiken Menschen hier und dort im Brunnen des
Lebens mit den Erzengelgestalten als Verkörperung
christlichen Erkenntniß- und Pflichtkults, im Dante
als Allegorie aus die seelische Liebe, im H. Georg
als diejenige auf die zukunftsfrohe Weltüberwindung
Meisterwerke, in denen Geist und Form gleich-
bedeutend sind. Nicht unerwähnt darf hierbei bleiben,
daß der Breslauer Museumsdirektor Zanitsch, welcher
als einer unserer tüchtigsten Museumsleiter die dortige
Gallerte in wenigen Jahren auf eine sehr bemerkliche
Höhe hob, am ursprünglichen Zustandekommen dieses
 
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