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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 23.1888

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Rosenberg, Adolf: Das Kaiser-Wilhelms-Denkmal für Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.6193#0212

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Das Kmser Wilhelms-Denkmal für Berlin.

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und jede Hauptstadt, jede größere Stadt eiues Bundes-
staates auch. Jn mehreren Stadten — wir uennen
nur Leipzig nnd Posen — ist die Denkmalsfrage
schon vor dem Tode des großen Kaisers dadurch ge-
löst worden, daß man das Erinnernngsdenkmal an
den deutsch-französischen Krieg von vornherein so ge-
faßt hat, daß der Kaiser den Höhepunkt des monu-
mentalen Aufbaues bildet. Wo dies nicht der Fall
gewesen, wird man sich jetzt gedrungen fnhlen, anch
den Kaiser in höherem Maße zu ehren. Auch in
kleinen Städten haben sich in diesen Tagen einmütiger
Trauer, welche das ergreifende Gegenbild zu der ein-
mütigen Erhebung von 1870 bot, Vereinigungen ge-
bildet, denen es gelungen ist, in der kurzen Zeit zuni
Teil recht ansehnliche Geldsummen zusammenzubringen.
Diese patriotischen Bestrebnngen sind von tonangeben-
den Blättern einzelner Provinzialstädte bekämpft
worden. Die aufgebrachten Mittel sollen zur Er-
richtung eines der dahingeschiedenen weltgeschichtlichen
Gestalt würdigen Monumentes in der Provinzial-
hanptstadt vereinigt, und den Bewohnern der bei-
steuernden Städte, Dörfer und Flecken überlassen blei-
ben, an der Centralstelle patriotische Erhebung zn
suchen, wenn Zeit und Geld es ihnen gestatten.
Gegen solche Vorschläge bänmt sich mächtig der Lo-
kalstolz auf, und wir möchten diese Art von Parti-
knlarismus nicht tadeln, da einem Weiterblickenden
jedes Mittel recht sein muß, welches geeignet ist,
Knnstsinn in den breiten Schichten des Volkes zu
fördern und das in jedem Dentschen schlummernde
Gefühl für das Jdeale durch eiueu jederzeit zu ge-
winnenden Blick auf ein hoch über das Alltagsleben
erhobenes Palladium zu wecken nnd rege zu erhalten.
Die Gefahr, daß bei dieser allgemeiueu Denkmalsfreude
auch viel Mittelgut und geradezu Unwürdiges und
Unzulängliches zu Tage gefördert werden würdc, hal-
ten wir fnr uicht so groß, wie sie von manchen Federu
geschildert worden ist. Bei Persönlichkeiten, die minder
plastisch und scharf ausgeprägt vor den Augen unseres
Volkes stehen, wie z. B. die Ritter vom Geist: Goethe,
Schiller, Lessing u. s. w. sind Mißgriffe in abschrecken-
den Beispielen genug vorhanden. Aber die Heldeuge-
stalt Kaiser Wilhelms hat schon längst einen monu-
mentalen Thpus erhalten, so daß ein Fehlgreisen auch
bei geringer Veranlagnng des betreffenden Künstlers
kanm zu befürchteu ist. Bei beschränkten Mitteln eines
Gemeinwesens wird ein glncklicher Ausweg anch da-
durch zu finden sein, daß man sich mit der Reproduk-
tion eines vorhandenen Bildwerkes begnügt, welches be-
reits die Probe allgemeiner sachverständiger Aner-
kennung uud volkstümlichen Beifalls bestanden hat.

Für das Reich und die Provinzen bietet die
Denkmalsfrage also bci weitem geringere Schwierig-

keiten, als diejenigen glauben, welche nur allzu gern
Wasfer in de-n Wein allgemeiner Begeisterung gießen.
Die Lokalkomitees lassen sich anch dnrch entgegenge-
setzte Meinungen nicht irre machen und sammeln
rnhig weiter. Die Jnteressen der Vaterlandsliebe
und der Knnst sind darin einig, daß unser Land
geistig nnd materiell nnr gelvinnen würde, wenn ein
Wald vvn Denkmälern zuni Gedächtnis des großen
Kaisers erwüchse. Es wäre nach anderthalb Jahr-
tausenden die Wiederkehr eines Schauspiels, das da-
mals die römische Welt gesehen, nur mit dem llnter-
schiede, daß in jenen Zeiten Reiterstandbilder, Figuren
und Büsten beim Regierungsantritt eines nenen
Cäsars aufgestellt werden mußten, während jetzt ein
großes, mächtiges Volk ans dem freien Triebe der
Dankbarkeit seinem mit beispiclloser Liebe gehegten
Helden inonnmentale Erinnernngszeichen anfrichten
will.

Ganz anders gestaltet sich die Sachlage, sobald
sich der Blick auf Berlin richtet. Ein unentwirrbarer
Knoten starrt nns entgegen. Jn erstcr Linie ist es
die Platzfrage, welche die Gemüter anf das heftigste
erregt. Den Verteidigern des historischen Rechts, des
geschichtlich Gewordenen, welche sich ein Denkmal
Kaiser Wilhelms anf dem PariserPlatz als Fortsetznng
und vorläufigen Abschluß des monnmentalen Straßen-
zuges denken, welcher mit dem Reiterstandbild des
großen Knrfürsten auf der langen Brücke beginnt, in
dem Friedrichsdenkmal vor dem kaiserlichen Palais
einen Höhepunkt und in dem Brandenburgerthor mit
dem Siegeswagen eine räumliche Abgrenzung findet,
treten phantastische Schwärmer und Umstnrzmänner
gegeniiber, welche das Denkmal des Kaisers als den
Ausgangspunkt für eine radikale Umgestaltung Ber-
lins vom Dome bis zur Siegesallee ansehen. Die
Harmlosesten sind noch diejenigen, welche für Hanpt-
oder Nebenzwecke das Denkmal Friedrich Wilhelm III.
im Lustgarten, das Reiterstandbild Friedrichs des
Großen, das Brandenburgerthor, den Wrangelbrunnen
beseitigt wissen wollen. Es bedarf nur eines Hin-
weises, um ein solches Rütteln an dem geschichtlich
Begründeten, an Denkmälern, die auf das innigste
mit Freud und Leid des Herrscherhauses und des
Volkes verwachsen sind, gerade um eines Man-
nes willen, der mit rührender Pietät an diesen
Zeugen der geschichtlichen Vergangenheit hing, als
völlig unangemessen erscheinen zu lassen. Außer dem
Lustgarten sind der Platz zwischen dem königlichen
Palais und dem Opernhause, der Platz vor und hin-
ter dem Brandenbnrgerthor, der Kreuzungspunkt der
Charlottenburger Chaussee und der Siegesallee, die
West-, Ost-, Nord- und Sndseite des Königsplatzes
nnd dcr sogenanntc klcine Königsplatz in Vorschlag
 
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