Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 23.1888

DOI article:
Die Ausstellung des Kunstvereins zu Bremen
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.6193#0244

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
475

Die Äusstellung des Kunstvereins zu Bremen,

476

Seeleute uud Strandbewvhner sind die Düsseldorfer
Fagerlin und Kirberg, von denen ersterer nnt
einem meisterhaften Familienbilde „Die Genesende"
vertreten war, das später in einer grvßeren, iu eini-
gen Figuren noch ansdrucksvolleren Replik unter dem
Titel „Die Hausandacht" noch einmal erschien, dann
aber auch mit zwei reizende», freilich im Farbenauf-
trag etwas harten Bildchen „Das Plauderstündchen",
dessen Hauptinhalt das uuerschöpfliche Kapitel der
Liebe ausmacht, und „Der Labetrunk". Unter den
übrigen Düsseldorfern sind zu nennen: Hiddemann
(„Großvaters Porträt"), Karl Sohn d. j., der uns
einen alten Hochzeitsbrauch vorführte, wonach dem eben
vermählten Paar neben der gedeckt stehenden Hoch-
zeitstasel auch bereits eiue hübsche holzgeschnitzte
Wiege vorgeführt wird, die der alte Papa mit ver-
schmitztem Lächeln betrachtet; Bokelmann, der uns
neben dem schon bekannten „Dorfbrand" einen nenen
„Strike" bot, unerfreulich im Jnhalt, trübe und ge-
dämpft in der Farbe, aber charaktervoll im Aus-
druck der Gestalten; Stoltenberg-Lerche, der uns
mit vier Olbildern nnd einer Reihe ergötzlicher
Federzeichuungen bedachte, nud Karl Gehrts, an
dessen größerer Sammlung von Figurenzeichnungen
der verschiedensten Art, wenn sie anch weniger possirlich
sind als die seine Selbstgeschichte illustrirenden Blätter
(„Kunst für Alle", VII, S. 99 ff.), man ein wahres
Wohlgefallen empfand. Aus München stelle ich des
bloßen Namens wegen Defregger voran, denn an
seinem größeren Bilde „Kriegsgeschichten" (1887) ver-
mißte man bei aller Meisterschaft der Technik doch
jede Art von geistiger Vertiefung. Auch Gabriel
Max machte mit einer nenen „Madvnna", d. h. einer
aus dem Leben gegriffenen, in temperaartigen Far-
ben behandelten jungen Frau mit ihrem Knäblein,
weniger Glück als mit dem seelenvoll dankenden Aus-
drnck einer „Genesenden". Grützner war durch
zwei ihn nicht glänzend charakterisirende Bilder aus
dem Mönchsleben, Schaumann durch einen „Bären-
treiber in eineni schwäbischen Dorfe" und ein größeres
Bild „Künstlerneid", Hugo Kauffmann durch einige
neue reizende Gemälde kleinen Maßstabes aus dem
Leben der Alpenbewohner, Grönvold durch sein be-
reits bekanntes landschaftliches Genrebild „Der sonnige
Tag" und Schulz-Briesen (in Weimar) durch seine
in allen Einzelheiten sinnreich durchgeführten „Ein-
gefangenen Zigeuner" vertreten. Einen besonders
glänzenden Schmuck gewährte der Ausstellung eine
reiche Zahl von kleinen Kabinettsbildern, unter denen
ich nur die der Mnnchener Anton Seitz („Familien-
scene"), Karl Seiler („Der Schneider des Grafen
Brühl"), Klaus JNeher („Der Bücherwurm") und
W. Löwith („Eine Schauergeschichte"), sowie der

Wiener Johann Hamza („Der Verweis") und Karl
Spielter („Oaräsr In clams") nenne, das letztere
weniger in den Figuren als in der unendlich feinen
Malerei der Zimmerausstattung ausgezeichnet. So
große Anerkennung aber nuch die meisten dieser
deutschen Genrebilder fanden, sie erreichten doch nicht
das Lob, das den Jtalienern Antonio Rotta wegen
des Bildes „Das erste Ei" und Giov. Batt. Qua-
drone wegen des „Schweren Abschiedes" mit vollem
Recht gespendet wnrde. Diesen Abschied muß näm-
lich eine Hündin, die vom Jäger znr Jagd mitge-
nommen wird, von ihren Jungen nehmen. Beide
Bilder sind voll Leben und Ausdruck und meister-
haft in ihrem freilich sehr verschiedenen Farbenauftrag.

Wem ich unter den Landschaftern und Marine-
malern die Palme zuerkenncn muß, kann nicht zweifel-
haft sein: dem jüngeren Achenbach, von dem wir
eine so reiche Zahl nagelneuer Bilder hatten, daß
man fast auf den stolzen, aber thörichten Gedanken
kommen konnte, er habe in der letzten Zeit nnr für
die hiesige Ansstellung geschaffen. Er brachte Tages-
licht nnd Mondlicht, ersteres namentlich in dem „Be-
gräbnisplatz bei Forio nuf Jschia", „Nemisee" und
„Am Liris", letzteres in dem „Mondschein bei Ne-
apel" und in der „Porta Capuana in Neapel" in
hoher Vollendung. Weniger entsprach der ältere
Brnder Andreas seinem bedeutenden Rufe, nament-
lich in den mondbeschienenen Kanalbildern und Ma-
rinen, die er seit einiger Zeit in einem über das
Ganze ausgegossenen bräunlichen Ton malt, der ihm
selber wahrscheinlich nicht so natnrwidrig erscheint,
gerade wie es dem verstorbenen Heinlein in seinem
höheren Alter erging. Beherrscher des Landes und
des Meeres ist er noch immer, aber nicht mehr Be-
herrscher der Farbe. Treffliche Landschaften hatten
wir von dem Oswald Achenbach kunstverwandten
Flamm („Motiv von Capri"), von Arnz („Mond-
anfgang am Golf von Neapel") und Vvn den in
südlichen Landschaften hervorragenden A. Leu („Die
Fariglioni bei Capri") und Lutteroth, nnter dessen
fünf Landschaften ich nnr den „Morgen bei Nervi"
und den „Golf von Spezia" nenne. Sehr erfreulich
war auch der nene große „Rheinwaldgletscher" von
dem bejahrten Lindlar und unter den übrigen
Düsseldorfern die deutschen Waldlandschaften von
Fahrbach und Ebel, sowie die Jagd- und Wald-
bilder von Kröner nnd Johannes Deiker, unter denen
die des ersteren („Schreiender Sechzehnender" u. a.)
großen Beifall fanden. Dazu kamen vor allem zwei
herrliche neue Alpenbilder des älteren Kalckreuth
(den ich jetzt wohl den Münchnern zuzählen darf)
„Das Finsteraarhorn" und „Flüelen am Vierwald-
stättersee", die wegen ihrer meisterhaften Abendbe-
 
Annotationen