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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 23.1888

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Norden, J.: Die französische Gemäldeausstellung zu St. Petersburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.6193#0276

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539

Die französische GemäldeauSstellung in St. Petersburg.

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ment nbernahm nnd sich mit einer Tantidme vom
Nettoertrage zufrieden gab.

Daß der Wann auf seine Kosten zn kommen
snchte, das verstand sich von selbst, und einen will-
kommenen Kompagnon fand er in der beiderseitigen,
namentlich aber in nnserer Presse, die somit eine neue
Gelegenheit hatte, in jenem Kultus „zu machen".

War das ein Gerede von Weihnachten an schon!
Es wurde gehörig anf der Lärmtrommel der Sensa-
tion gerasselt und eifrig in die Posanne der Reklame
gestoßen. Jn unserer Bonlevardpresse — denn haben
wir auch keine Bonlevards, so besitzen wir doch eine
Bonlevardpressc — wnrden gewaltige Worte lant,
große Nnmen geuannt, goldene Berge versprochen.
Nichts fehlte als eben bloß das „kulturhistorische Er-
eignis" selbst, die ^— wie es hieß — „für die Ent-
wickelung russischer Kunst Epoche machende" Ans-
stellung.

Jnzwischen hatte man sich durch Vermittelcmg
der hiesigen Botschaft der Republik mit dem Mini-
sterinm der schönen Künste in Paris in Relation ge-
setzt. Dort bildete sich ein Ausstellnngskomitee aus
den bernhmten Künstlern Meissonier, Bougnereau, P.
Laurens, C. Dnran, Göröme, Bonnat nnd Detaille,
die den ganz in Paris lebenden russischen Marine-
maler Professor Bogoljubow mit zur Sache heran-
zogen. Es war das keine Jury, sondern eben ein
Komitee, das sich mit der Sammlung der Bilder be-
faßte, da der nnkundige Kommissionär selbst nichts von
der Kunst verstand.

Und endlich war die ganze Kollektion glücklich
beisammen und in Petersburg, und die Ausstellung
konnte mit gewaltigem Pomp eröffnet werden nnd —
nnd la monkaAns sn kravail sntanta nns sonris.

Lag's nun daran, daß wieder einmal mehr Ge-
schrei gemacht worden, als es Wolle gab, oder dachten
jene Träger hochtönender Namen, daß für oss ellsrs
Kussös das Erste-Beste gerade gut genug sein werde:
allerhand Skizzen und Studien, Duplikate, Geschenke,
die die Künstler sich unter einander gemacht, in den
letzten „Salons" unverkauft Gebliebenes — jedenfalls
war es kein „knlturhistorisches Ereignis", mit dem
wir es zu thnn hatten, war die Enttäuschnng eine all-
gemeine nnd das Resultat in materieller Hinsicht ein
so dürftiges, daß, trotz der exvrbitanten Entreepreise
erst am Tage des anfänglichen Schlnßtermins man auf
die Kosten kam und infolgedessen nach der Karwoche
die Ausstellung für einige Tage anfs neue eröffnet
werden mußte.

Nahm sich das alles recht tragisch ans, so war
dagegen das Gebaren der Presse recht komisch: sie
zog eine Grimasse und machte das „Tamtam" von
vorerst nnnmehr durch oft unmotivirtes Herunter-

reißen wieder matt. Es fielen sogar Worte, wie „vor-
teilhafte Affaire" für die französischen Kunstbrüder zum
Schrecken der einheimischen Maler, die sowieso in diesem
Jahre über „flanen Absatz" wehklagten; es wnrde
von „nnnützer Konknrrenz" gesprochen, von „Snffi-
sance" u. s. w. Unser französisches Tagesblatt trat
für die Künstler vom Seinestrand ein und suchte sie
als die liebenswürdigsten, selbstlosesten Freunde des
russischen Volks hinzustellen; das „Rote Kreuz" legte
sich ins Mittel und kanzelte unberufene Kritiker und
schmähsüchtige Reporter ab und versicherte aufs neue,
daß die französischen Künstler „lediglich ihre Sym-
pathie für Rußland hätten bezeugen wollen" nnd daß
sie jetzt keine besseren Sachen zur Disposition gehabt
und bloß anf Wunsch der Unternehmer die Ans-
stellnng nicht bis zum Herbst vertagt hätten; und
endlich fühlte sich gar eine ganze Reihe unserer nnm-
haftesten Künstler, die zudem znm größesten Teil
seiner Zeit in Paris gearbeitet und, wie von anderer
Seite, hoffentlich mehr bissig als begründet, behauptet
ward, sich dort den Markt nicht verderben wollten —
ebenfalls veranlaßt, zu protestiren gegen Verketzerung
französischer Kunst und gegen die Jnsinuationen von
Konkurrenzneid rc. und brachten ihre Gefühle des
„Dankes und der Bewunderung" in offenen Zuschriften
an verschiedene russische und französische Redaktionen
zum Ausdrnck, während der Auktionator die Bilder
schließlich doch an den meistbietenden Mann zu bringen
suchte, zu Preisen, die gegen die anfänglich im Ka-
talog aufgefnhrten oft um niehr als 50 Prozent herab-
gesetzt waren; was immerhin nicht viel sagen will,
wenn man bedenkt, daß jene Preise znerst zwischen
6000 und 125000 Frs. schwankten!. .

Doch lasfen wir diese änßere Seite der denk-
würdigen, wie wir sahen, in Wahrheit tragi-komischen
Ausstellung; wenden wir uns ab von diesem häßlichen
Wirrsal von Jnsinuationen und Kunstgenuß, ten-
denziöser Sympathie und schönthuerischer Bescheiden-
heit und sehen wir uns lieber die Ausstellung selbst
etwas an.

Wenn es erst hieß, daß sie eine allgemeine Ent-
tünschung hervorrief, so bezieht sich das nicht auf die
französische Kunst als solche, mit der nian hier ja
vielfach gut bekannt ist; in unseren öffentlichen nnd
Privatgalerien und Kunsthandlungen sind die be-
deutendsten der modernen Pariser Meister zahlreich
nnd sehr gut vertreten und auch in Paris selbst hatten
viele der Besucher der Ausstellung wiederholt Studien
machen können.

Also der französischen Kunst selbst geschah, wenig-
stens in den Augen der Kunstkenner und Kniistfrennde
— und die große Masse blieb ja der Ausstellung so-
wieso fer», — kein allzu großer Abbruch, denn eine
 
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