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Neue Erwerbungen für die großhcrzogl. Kunsthalle in Karlsruhe.
„Wittichs Rettung" von A. v. Heyden in Berlin.')
Die HeldengestaltWittichs, mit seinem SchwertMimung,
gehört dem ostgotischen Sagenkreis von König Laurins
Rosengarten, der Rabenschlacht und Dietrichs von
Bern an. Wittich ist ein Gefahrte Dietrichs und wird
mit diesem durch einen Zaubertrank des Zwergs Laurin
in tiefen Schlaf versenkt, gefesselt, und in einen hohlen
Berg eingeschlossen. Als Dietrich von Bern erwacht
und sich in Banden sieht, entbrennt er in solchem
Zorn, daß sein Atem sich in einen Feuerstrom ver-
wandelt, der die Fesseln verbrennt und die Helden
befreit. Später erscheint Wittich im Gefolge Ermen-
richs, des Oheim nnd Gegners Dietrichs von Bern,
und erschlägt im Kampfe die beiden Söhne Etzels,
die von ihrer Mutter Helge dem Ostgotenkönig an-
vertraut worden waren. Um den Tod der beiden zu
rächen, wird Wittich von Dietrich von Bern verfolgt,
stürzt sich ins Meer und wird von einer Meerfrau,
Vachhilt aufgenommen und vor dem Zorn Dietrichs
gerettet. Diesen Augenblick giebt das Geniälde von
Heyden wieder: die beiden Reiter, von den Wellen
der Brandnng umtost, die Meerfrau den Helden hinab-
ziehend. Behandlnng und Formengebung entsprechen in
wnrdigster Weise dem großartig pathetischen Stoff der
germanischen Heldensage, die, trotzdem sie nns durch
Wagners Musikdramen näher gerückt erscheint, von
den deutschen Knnstlern seit Schnorr v. Carolsfeld
eher gemieden als aufgesucht worden ist.
„Zwischen Leben und Tod" von Karl Hoff ist
ein größeres Figurenbild, dem historischen Genrefach
zngehörig. Ein schwerverwundeter Kavalier, von zwei
Frauen unterstützt und gepflegt, wohl Mntter nnd
Gattin, ein würdiger Pastor steht ihnen bei; Schau-
platz der Episode eine einsame Gebirgsgegend, wohl
nahe einem Schlachtfeld, da geflüchtetes Landvolk der
Gruppe teilnehmend sich nähert. Die Ausführung
des aristokratischen Teils der Gruppe verdient die
rühmendste Anerkennung, und ohne Frage liegt Ähn-
liches weitaus mehr in der Befähigung des Künstlers,
als die Schilderung der mißfarbigen Armut nnd des
niederen Volkes überhaupt, die bei dem dargestellten
Vorgang mit in den Kauf genommen werden mußten.
„Hero am Meeresufer", von Edmnnd Kanoldt,
ein großgedachtes Landschaftsbild, in der ganzen Con-
ception Prellers klassischen Landschaftsdarstellungen
verwandt. Ein hohes Felsgestade, malerisch von
Baumgruppen und antiken Bauten bekrönt, ragt in
die See hinaus; schäumende Wellen und ein düsterer
Gewitterhimmel verkündigen den aufziehenden Sturm,
Hero steht einsam am Ufer in banger Vorahnung des
Verhängnisses.
Ein Genrebild von großer Anmut ist Vollmers
„Liebesbrief". Die erzürnten Eltern, ein oberbayeri-
sches Bauernpaar, breiten das oorpim äolioti, den auf-
gefangenen Liebesbrief, vorwurfsvoll vor der schönen
Tochter aus; doch hat es den Anschein, als würde die
Dissonanz sich bald beschwichtigen lassem, und' die
Sünderin sieht ein wenig schmollend, beinahe zuversicht-
lich drein.
„Maler auf Studien" von Defregger ist ein
Werk des ausgezeichneten Küustlers, das ein heiteres
Motiv zur Darstellung bringt. Zwei junge Maler,
wovon der eine offenbar ein Sohn aus gutem Hause,
stehen samt dem Trüger ihres Apparats überrascht
einer Gruppe von Landmädchen gegenüber. Die Mäd-
chen sitzen vor der Thür eines behäbigen Bauern-
hauses, Tracht und Umgebung deuten auf das baye-
rische Gebirge; die Gesellschaft würde an nnd fnr
sich nichts für ein Künstlerauge Fesselndes bieten,
wenn nicht eine Dorfschönheit sich darunter be-
fände, die sittsam verschämt iiber ihre Arbeit ge-
beugt, ein Köpfchen von so idealer Schönheit besitzt,
daß es eher einer Muse als eiuem Landmädchen mit
einem Strickstrumpf gebührte. Daher die erstaunten
Blicke der Kunstjünger, in denen sich aber ebenso eine
nnverkennbare Scheu und Achtung vor der verschäm-
ten Dorfschönheit abspiegelt. Wird sie sich zu dem
beabsichtigten Konterfei verstehen, oder wird sie plötz-
lich durch die halboffene Hausthüre verschwinden und
sich so vor den forschenden Blicken retten?
Zwei virtuos gemalte Tierstücke erwarb die
Sammlung von Karl Jntz „Hühner und Tauben in
einem Stalle", nnd „Die mißtrauischen Mütter", eine
Ente und ein Hnhn, im Streit wegen der beider-
seitigen Jungen begriffen. Die Tiere sind ganz ninster-
gültig behandelt; es ist nicht möglich, Art und Eigen-
tiimlichkeit des Federviehs wahrer darzustellen.
„Die goldene Hochzeit" von Tuttinö ist der
Teil eines Festznges, aufgeführt bei der silbernen
Hochzeit des Großherzogs und der Großherzogiu.
Das fürstliche Hochzeitspaar thrvnt auf hohem, reich
geschmücktem Wagen in der Volkstracht des Hauen-
steiner Landes; der Wagen ist mit vier Ochsen be-
spannt. Hinter dem Paar erhebt sich ein Kapellchen,
dabei ein Friedhofskreuz als Hindeutung auf das
Ende aller Dinge. Die originellen Trachten des
Schwarzwälder Landvolks in ihrer unglaublichen
Mannigfaltigkeit treu darzustellen, war hier die Haupt-
aufgabe des Künstlers, welcher er sich mit großeni
Fleiß unterzogen hat.
„Die Palmen von Akaba" von A. v. Meckel.
Der Palmenhain mit dem zartgrünen Gefieder, da-
rüber das tief aznrblaue Firmament vercinigen sich
zu einer schönen malerischen Wirkung; der Künstler
I) Geschenk des Künstlers.
606
Neue Erwerbungen für die großhcrzogl. Kunsthalle in Karlsruhe.
„Wittichs Rettung" von A. v. Heyden in Berlin.')
Die HeldengestaltWittichs, mit seinem SchwertMimung,
gehört dem ostgotischen Sagenkreis von König Laurins
Rosengarten, der Rabenschlacht und Dietrichs von
Bern an. Wittich ist ein Gefahrte Dietrichs und wird
mit diesem durch einen Zaubertrank des Zwergs Laurin
in tiefen Schlaf versenkt, gefesselt, und in einen hohlen
Berg eingeschlossen. Als Dietrich von Bern erwacht
und sich in Banden sieht, entbrennt er in solchem
Zorn, daß sein Atem sich in einen Feuerstrom ver-
wandelt, der die Fesseln verbrennt und die Helden
befreit. Später erscheint Wittich im Gefolge Ermen-
richs, des Oheim nnd Gegners Dietrichs von Bern,
und erschlägt im Kampfe die beiden Söhne Etzels,
die von ihrer Mutter Helge dem Ostgotenkönig an-
vertraut worden waren. Um den Tod der beiden zu
rächen, wird Wittich von Dietrich von Bern verfolgt,
stürzt sich ins Meer und wird von einer Meerfrau,
Vachhilt aufgenommen und vor dem Zorn Dietrichs
gerettet. Diesen Augenblick giebt das Geniälde von
Heyden wieder: die beiden Reiter, von den Wellen
der Brandnng umtost, die Meerfrau den Helden hinab-
ziehend. Behandlnng und Formengebung entsprechen in
wnrdigster Weise dem großartig pathetischen Stoff der
germanischen Heldensage, die, trotzdem sie nns durch
Wagners Musikdramen näher gerückt erscheint, von
den deutschen Knnstlern seit Schnorr v. Carolsfeld
eher gemieden als aufgesucht worden ist.
„Zwischen Leben und Tod" von Karl Hoff ist
ein größeres Figurenbild, dem historischen Genrefach
zngehörig. Ein schwerverwundeter Kavalier, von zwei
Frauen unterstützt und gepflegt, wohl Mntter nnd
Gattin, ein würdiger Pastor steht ihnen bei; Schau-
platz der Episode eine einsame Gebirgsgegend, wohl
nahe einem Schlachtfeld, da geflüchtetes Landvolk der
Gruppe teilnehmend sich nähert. Die Ausführung
des aristokratischen Teils der Gruppe verdient die
rühmendste Anerkennung, und ohne Frage liegt Ähn-
liches weitaus mehr in der Befähigung des Künstlers,
als die Schilderung der mißfarbigen Armut nnd des
niederen Volkes überhaupt, die bei dem dargestellten
Vorgang mit in den Kauf genommen werden mußten.
„Hero am Meeresufer", von Edmnnd Kanoldt,
ein großgedachtes Landschaftsbild, in der ganzen Con-
ception Prellers klassischen Landschaftsdarstellungen
verwandt. Ein hohes Felsgestade, malerisch von
Baumgruppen und antiken Bauten bekrönt, ragt in
die See hinaus; schäumende Wellen und ein düsterer
Gewitterhimmel verkündigen den aufziehenden Sturm,
Hero steht einsam am Ufer in banger Vorahnung des
Verhängnisses.
Ein Genrebild von großer Anmut ist Vollmers
„Liebesbrief". Die erzürnten Eltern, ein oberbayeri-
sches Bauernpaar, breiten das oorpim äolioti, den auf-
gefangenen Liebesbrief, vorwurfsvoll vor der schönen
Tochter aus; doch hat es den Anschein, als würde die
Dissonanz sich bald beschwichtigen lassem, und' die
Sünderin sieht ein wenig schmollend, beinahe zuversicht-
lich drein.
„Maler auf Studien" von Defregger ist ein
Werk des ausgezeichneten Küustlers, das ein heiteres
Motiv zur Darstellung bringt. Zwei junge Maler,
wovon der eine offenbar ein Sohn aus gutem Hause,
stehen samt dem Trüger ihres Apparats überrascht
einer Gruppe von Landmädchen gegenüber. Die Mäd-
chen sitzen vor der Thür eines behäbigen Bauern-
hauses, Tracht und Umgebung deuten auf das baye-
rische Gebirge; die Gesellschaft würde an nnd fnr
sich nichts für ein Künstlerauge Fesselndes bieten,
wenn nicht eine Dorfschönheit sich darunter be-
fände, die sittsam verschämt iiber ihre Arbeit ge-
beugt, ein Köpfchen von so idealer Schönheit besitzt,
daß es eher einer Muse als eiuem Landmädchen mit
einem Strickstrumpf gebührte. Daher die erstaunten
Blicke der Kunstjünger, in denen sich aber ebenso eine
nnverkennbare Scheu und Achtung vor der verschäm-
ten Dorfschönheit abspiegelt. Wird sie sich zu dem
beabsichtigten Konterfei verstehen, oder wird sie plötz-
lich durch die halboffene Hausthüre verschwinden und
sich so vor den forschenden Blicken retten?
Zwei virtuos gemalte Tierstücke erwarb die
Sammlung von Karl Jntz „Hühner und Tauben in
einem Stalle", nnd „Die mißtrauischen Mütter", eine
Ente und ein Hnhn, im Streit wegen der beider-
seitigen Jungen begriffen. Die Tiere sind ganz ninster-
gültig behandelt; es ist nicht möglich, Art und Eigen-
tiimlichkeit des Federviehs wahrer darzustellen.
„Die goldene Hochzeit" von Tuttinö ist der
Teil eines Festznges, aufgeführt bei der silbernen
Hochzeit des Großherzogs und der Großherzogiu.
Das fürstliche Hochzeitspaar thrvnt auf hohem, reich
geschmücktem Wagen in der Volkstracht des Hauen-
steiner Landes; der Wagen ist mit vier Ochsen be-
spannt. Hinter dem Paar erhebt sich ein Kapellchen,
dabei ein Friedhofskreuz als Hindeutung auf das
Ende aller Dinge. Die originellen Trachten des
Schwarzwälder Landvolks in ihrer unglaublichen
Mannigfaltigkeit treu darzustellen, war hier die Haupt-
aufgabe des Künstlers, welcher er sich mit großeni
Fleiß unterzogen hat.
„Die Palmen von Akaba" von A. v. Meckel.
Der Palmenhain mit dem zartgrünen Gefieder, da-
rüber das tief aznrblaue Firmament vercinigen sich
zu einer schönen malerischen Wirkung; der Künstler
I) Geschenk des Künstlers.