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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 9.1898

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Joseph, D.: Die belgische Kunst auf der Weltausstellung zu Brüssel
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https://doi.org/10.11588/diglit.5777#0010

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Die belgische Kunst auf der Weltausstellung zu Brüssel.

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sieht die Ausstellung der Gemälde. Was gutes an der
letzteren ist, will ich in folgendem kurz erwähnen und
loben, was gelobt werden kann.

Bisweilen, wie z. B. bei der Betrachtung der
Werke Leon Abrys, will mein Optimismus nicht stand
halten. Wer kann auch die unglücklich überschnittenen
Gesichter der auf dem Anschlage liegenden Soldaten
dieses Künstlers ohne Widerspruch ansehen. Auch
den bleichsüchtigen Gestalten in fahler Blumenum-
rahmung auf der „Der Garten" betitelten Leinwand
von Alix d'Anethan wird niemand einen Vorzug abge-
winnen. Dagegen berührt „Die Symphonie des Tages-
anbruchs" von Alphonse Asselbergs ungemein wohl-
thuend. Der Maler versteht es, mit ausgezeichneter
Meisterschaft die Lufttöne zu treffen; naturwahr zeigen
sich die von den Strahlen der aufgehenden Sonne
durchbrochenen Wolken.

Wegen des Gegenstandes nimmt uns ein Bild von
Firmin Baes gefangen. Es ist die alte Geschichte
vom verlorenen Sohn, der abgezehrt und gebeugt die
Dorfstrasse entlang zieht, wo die Dorfbewohner, in
ihrem Tagewerk inne haltend, ihn neugierig betrachten.
Zur Seite, sehr fein vom Maler erdacht, eine auf einem
Baumstamm harmlos dasitzende Kindergruppe, die den
Vagabonden daran erinnert, wie auch er einmal hier
friedlichen Spielen nachgegangen ist. Während Baes
besonderen Nachdruck auf das Figürliche legt, bemüht
sich Theodore Baron düstere Stimmungen wider-
zuspiegeln, so in dem „Ende eines Herbsttages".
Baron ist sich auch in diesem Bilde treu geblieben;
vor der Sucht das Detail zu zeichnen, vergisst er den
rechten Gesamtton zu treffen. Der Künstler ist jeden-
falls einer der ernst zu nehmenden, aber auch ab-
sonderlichen Meister der belgischen Malerei. Es bleibt
immernoch eineherzliche Freude, derartige Schöpfungen
anzusehen, gegenüber dem in wahrhaftem Farben-
paroxysmus gemalten Bilde Richard Boseleers, das
„Die ersten Sonnenstrahlen" darstellt oder besser dar-
stellen soll.

Einer der geistreichsten jüngeren belgischen Maler
ist Emile Claus, der uns mit seinem Grau so
sehr an Baron erinnert; von den Impressionisten
dieser Schule sagt er mir am meisten zu, und un-
streitig ist er einer der besten Landschafter. Unab-
lässig ist er bemüht, das Wahre in der Natur heraus-
zuziehen. Das beweist er auch in den ausgestellten
Bildern, nur passirt es ihm, dass er vor lauter Be-
rücksichtigung der Eigenart der toten Natur die sie
belebenden Figuren zu sehr vernachlässigt. Ein vor-
trefflicher Figurenzeichner ist jedoch Felix Cogen, der
seiner „ Witwe" den stummen und doch beredten
Ausdruck unsäglichen Schmerzes verliehen hat. Der
Gegenstand ist ja landläufig genug, doch selten wird
man so tief wie hier ergriffen werden. Wie hier das
Leben der Menschen, so ist in der „Abendruhe" der

Marie Collart das Dasein der Tiere gut beobachtet;
das Stieren in den Köpfen der Kühe ist vollendet
dargestellt, und dass das Können der Künstlerin nicht
zufällig ist, beweisen ihre übrigen Werke. Allerdings
auf der Höhe von Fran% Courtens, der Zierde der
belgischen Landschafter, steht sie weder technisch noch
inhaltlich, vielleicht, dass sie mehr Empfindung zeigt.
Eine prächtige Schöpfung von Courtens erkennen wir
in der melkenden Magd, deren ganzes Sinnen und
Trachten auf ihre Thätigkeit gerichtet ist. Baumwuchs,
Farbenspiel, Lichteffekt sind seine Stärke. Das Hervor-
brechen des Lichts in seinem » Strahl nach dem Regen"
ist von wunderbarer Feinheit.

Andre Collin ist ein Armeleutemaler, ein ge-
schickter Darsteller von Interieurs, wo das Elend zu
Hause ist; er sucht und findet seine Vorbilder in den
Ardennen. So zeichnet er eine alte, runzlige Frau,
die in der Abendstunde vor ihrem Bett sitzt, und in
einem andern Bilde alte Webersleute beim kargen Mahl.
Noch bedeutender als Tendenzmaler ist Leon Frederic,
der jedoch mit seinem figurenreichen, fast wie ein
Gekröse wirkenden Triptychon schlecht vertreten ist.
In diese Reihe gehört auch Romaan Looymans mit
seinen „ beiden Waisen», an die der Ernst des Lebens
schon früh herantritt. Interessant vornehmlich wegen
der Darstellung der Kinder ist ferner das „Arme
Interieur" von Marie Marcotte, und noch tiefer der
Eindruck, den die Arbeiterfamilie Victor van den
Bossches macht. Als Schilderer des Elends im Volke
muss noch rühmend Eugene Laermans gedacht
werden; er zeigt uns die mühselig am grossen
schweren Pflug Arbeitenden, dann solche, die selbst
dafür überzählig sind und den Wanderstab ergreifen
müssen.

Die symbolische Malerei von Fernand Khnopff
bewegt sich durchaus noch auf reeller Basis, nament-
lich zieht die Holdseligkeit in seinen Mädchengestalten
an. Er ist auch ein geschickter Porträtbildner. Auch
Auguste Leveque geht mit seinem Symbolismus nicht
ins Uferlose und zeichnet vor allem sehr exakt.

Die klassicistische Tendenz ist würdig durch den
einzigen Joseph Stallaert vertreten. In seinem
„Ödipus und Antigone" lässt er das empörte Volk
mit eine Rolle spielen, auch den orientalischen Typus
in der „Tochter Jephtas" hat der Künstler vorzüglich
getroffen. Den Orient bevorzugt ferner Karel Ooms,
der in seinem « Mord in Kairo« als hervorragender
Schilderer orientalischer Hinterlist erscheint. Gut ist
auch Julian de Vriendts „Palastwache zur Zeit der
Könige Judas".

Als das charakteristische und herrschende Element
auf der Ausstellung offenbart sich jedoch nicht die
Figurenmalerei, sondern die Landschaft; dies steht
völlig im Einklang mit den Verhältnissen in anderen
 
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