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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 9.1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.5777#0018

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Das Reichstagshaus zu Budapest.

20

der behandschuhten Rechten wieder, welche auf einem
Buche ruht. Die Umrisse der Gestalt, die Falten des
dunkelgrünen Mantels muss das Auge aus nächt-
lichem Dunkel erst hervorsuchen. Erst wenn das
Bild, welches im Jahre 1514 unter dem Einfluss
Oiorgiones entstanden ist, wie Professor Ridolfi beab-
sichtigt, neben der Fornarina aufgehängt sein wird,
wird man seinen hohen künstlerischen Wert, die
meisterhafte Farbentönung, die Feinheit der Aus-
führung, die Zartheit der Stimmung voll zu würdigen
wissen, und das berühmte Frauenporträt des venezia-
nischen Meisters wird vielleicht den Vergleich mit
diesem köstlichen Frühwerk kaum ertragen.

Ein männliches Porträt aus der florentiner Schule,
das sich dem Filippino vielleicht am meisten nähert
und durch eine hochentwickelte Landschaft im Hinter-
grunde besonders erfreut, wurde ebenfalls von dem
verdienstvollen Direktor der Uffizien aus dem Magazin
in die Galerie zurückgeführt, wie in früheren Jahren
der Jünglingskopf des Boltraffio, die Venus des Lorenzo
di Credi, die Anbetung der Könige des Sandro
Botticelli. - Die Anbetung des Kindes von Lorenzo
di Credi hatte Jahrhundert elang den prachtvollen
Renaissancerahmen usurpirt, der zu Michelangelos
Rundbild in den Uffizien gehörte. Nachdem sich
auch für Lorenzo di Credi der ursprüngliche Rahmen
gefunden hat, wird Michelangelos Gemälde sein Eigen-
tum zurückerhalten, ein Rahmenwerk, das durch die
Schönheit und den Reichtum der Schnitzarbeiten in
den Uffizien überhaupt nicht seinesgleichen findet.

Endlich nahen sich nun auch die Arbeiten in
S. Trinitä der Vollendung. Die Reinigung und Re-
stauration der Sassettikapelle ist aufs beste gelungen,
und Ghirlandajos Fresken präsentiren sich in staub-
und schmutzbefreiter Farbenschönheit. Das grosse
Glasfenster des Chores fällt allerdings schon im Stil
aus der gotischen Architektur der alten Benediktiner-
kirche heraus, und die schreienden Farben der Glas-
malereien, welche überdies den neuentdeckten Fresken
Baldovinettis ihr bestes Licht rauben, stören nicht
wenig die gedämpfte Stimmung der halberloschenen
dekorativen Malereien, welche Pfeiler und Wände be-
decken. Im Dezember dieses Jahres hofft man end-
lich den Chor dem Gottesdienst übergeben zu können,
der durch das Grabmal des Federighi von Luca della
Robbia noch einen besonders herrlichen Schmuck
erhalten hat. ST.

DAS REICHSTAGSHAUS ZU BUDAPEST

Budapest wurde gelegentlich der Millenniumsfeier
von Tausenden besucht, und die Mehrzahl wird da-
bei den der Vollendung entgegengehenden ungarischen
Reichstagsbau besichtigt haben.

Wohl jeder hat das Werk mit Interesse, ja Staunen |

betrachtet und mit um so grösserer Bewunderung,
je weniger er Architekt war. Ungarn verlangte vom
Palaste der Volksvertretung den Ausdruck einer ge-
wissen Opulenz, eines verschwenderischen Reichtums.
Man wollte zeigen, dass man prächtig, ja überreich
bauen könne, prächtiger womöglich, als alle anderen
Kulturnationen. Der Wunsch erscheint berechtigt bei
einem jungen, politisch in die grosse Völkerreihe ein-
tretenden Volke.

So entstand der an Raumverschwendung das
äusserste leistende Budapester Reichstagsbau. Architekt
Steindl sparte weder an kostbaren Steinen noch an
Vergoldung, und er häufte dies Material in der als
Hauptfestraum dienenden Kuppelhalle bis zum
Äussersten.

Man wird unwillkürlich Vergleiche mit Wallots
Reichstagshaus in Berlin ziehen. Wallot schafft einen
Monumentalbau, dem er doch in der Innenanlage den
Charakter eines Dienstgebäudes wahrt, das er unter
Vermeidung jedes Hauches von Protzentum mit höch-
stem Geschmack bis ins Detail eigenartig ausgestaltet,
und dem er dabei eine gewisse Wohnlichkeit durch
die Art der Verwendung von Holz, Leder, Bemalung,
Gobelins u. s. w. giebt. Es ist ein Volkswohnhaus
in monumentaler Form, über dessen eminenten Wert
die Fachgenossen sich so einhellig und neidlos rühmend
ausgesprochen haben, dass jede Diskussion darüber
zwecklos erscheint.

Wie die Bauausführung ernst und gediegen, so
ist die Grundrissanlage vor allem hervorragend glück-
lich, und dies, trotzdem der Erbauer im Räume auf
das Äusserste eingeschränkt war und hartnäckig ein-
geschränkt gehalten wurde.

Man vergleiche dagegen das Budapester Reichs-
tagshaus. Neben der fast sinnlosen Raumverschwen-
dung für Prunkräume oft eine wenig geschmackvolle
Entwicklung der eigentlichen Diensträume, ein wirrer
Grundriss, lange, unansehnliche Gänge, in denen ein
Verirren fast unvermeidlich ist. Aber selbst in jenen
Prunkräumen wird der Architekt zwar Materialreich-
tum, aber wenig künstlerische Eigenart finden. Der
grosse Treppenaufgang wirkt kleinlich, die Einzelheiten
der Kuppelhalle sind schablonenhaft und oft ohne
Verhältnis zu den Raumproportionen.

Alle Achtung vor der Energie der ungarischen
Nation, die es vermied, fremde Künstler für diesen
Bau heranzuziehen, und die ihrem Architekten alles
bewilligte, was man Wallot verweigert, unbeschränkten
Raum, Geld und Zeit. Bedauerlich bleibt nur, dass
nicht ein genialer Künstler, sondern ein braver Durch-
schnitts-Architekt zur Ausführung berufen wurde.

Man hätte ja nicht einmal in die Fremde gehen
müssen. Ungarn hat selbst hervorragende Kräfte,
wie etwa den Architekten Alpar, den Schöpfer der
historischen Gebäude der Millenniumsausstellung.
 
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