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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 9.1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.5777#0035

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Personalnachrichten. — Denkmäler.

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anderen einen Lehrer besessen, gerade so wie wir es von
Watts wissen. Von 1840 ab hat Sir John regelmässig die
Ausstellungen in London beschickt. Die hauptsächlichsten
Arbeiten des Meisters sind historischen Inhalts, oder sie
nehmen ihre Motive aus den Werken der berühmtesten
Dichter und Romanschriftsteller. Als Künstler gehörte der
Verstorbene eigentlich zu keiner ausgesprochenen Schul-
richtung. Er glaubte mit Überzeugung an seine eigene
Methode. Hierfür erntete er bei dem grösseren Publikum
einen etwas irreführenden Titel, der aber doch bei richtiger
Auslegung desselben sein Schaffen erklärt. Gilbert wurde näm-
lich ziemlich allgemein „Walter Scott of Painting" genannt.
Keineswegs aber soll dies bedeuten, dass dem Veteran in
seiner Kunst etwa die gleiche Stellung zugewiesen wird,
welche der grosse Schotte in der Litteratur einnimmt. Der
Ausspruch ist vielmehr dahin zu verstehen, dass der hervor-
ragendste Zug in der Malweise Sir Johns in seiner Vorliebe
für romantische Geschichte lag. Man hat nur nötig, die in
der Guildhall von London gesammelten Werke zu betrachten,
um die Wahrheit des Gesagten bestätigt zu finden. Hier-
her gehören z. B. „Heinrich VIII. und Kardinal Wolsey",
„St. Georg und der Drachen", „Die Sandarten-Schlacht",
„Der fahrende Ritter" und „Die Schlacht von Azincourt".
Seine 61jährige künstlerische Thätigkeit war mit malerischen
Sujets ausgefüllt, welche das englische Publikum ebenso
vollständig verstand als auch würdigte. Zu den besten
Werken des Meisters gehören ferner: „Gil Blas", „Don
Quixote und Sancho Pansa", „Othello", „Der Reiterangriff
der Kavallerie in der Schlacht von Naseby", „Ein roya-
listisches Kavallerie-Regiment", „Ein Salon in St. James-
Palast", „Rubens und Teniers", „Das Atelier Rembrandts",
„Wolsey und Buckingham" und „Jeanne d'Arc" zieht
in Orleans ein". Die Abmessungen seiner Gemälde in
Wasserfarben sind so bedeutend und aussergewöhnlich, wie
sie auf dem Kontinent nur höchst selten vorkommen. Zu
einer Zeit, als gute Holzschnitte in England kaum mehr ver-
langt wurden, erwarb sich Gilbert das Verdienst, diesen
Kunstzweig wieder zu heben und neu zu beleben. Von
diesem gelungenen Resultat zeugen namentlich die Figuren
und Scenen aus Walter Scott, Shakespeare, Cervantes und
Longfellow, welche er für die illustrirten Blätter entwarf.
Schliesslich finden wir den Meister als Illustrator für Bücher,
welche alle Stadien durchlaufen, von Erzählungen und Ge-
schichten für Kinder bis zu den Dramen Shakespeares. Auch
bei dem Witzblatt „Punsh" war Gilbert kurze Zeit angestellt,
indessen gab er gedachte Stellung bald auf, weil man im
Stabe des Blattes sagte: „Man könne eigentlich keinen Rubens
an diesem Platze gebrauchen." Im Jahre 1871 wurde der
beliebte Künstler zum Präsidenten der Gesellschaft für
Aquarellmalerei ernannt und gleichzeitig von der Königin
Victoria in den Adelstand erhoben. 1876 wird der Meister
zum Mitgliede der Akademie erwählt. Seit dem Jahre 1874
wandte sich Gilbert dann wieder hauptsächlich der Aquarelle
zu. Die am meisten geschätzten Arbeiten dieser Periode
sind: „Die Königin Margarete als Gefangene nach der
Schlacht von Twokesbury", das Porträt von n Mrs. Gilbert",
der Gattin des Künstlers, und „Richard IL, der die Krone
an Bolingbroke übergiebt", „Die Kreuzfahrer" und „Der Doge
und Senat von Venedig". Die Bilder Sir Johns sind bei der
grossen Menge ungemein beliebt, so dass er im besten Sinne
zu den englischen Volksmalern gezählt werden muss. Dies
Resultat erreichte er vor allem, wie bereits oben bemerkt,
durch seine volkstümlichen Motive. Der vornehme und so-
gar mitunter aristokratische Stil des Meisters kann dies Er-
gebnis nicht gezeitigt haben. Die technische Geschicklich-

keit und die Farbengebung erinnern an Watts. Gerade so
wie letzterer hat auch Gilbert sein Heim geplündert und
die Wände desselben dadurch enblösst, dass er alle dort von
seiner Hand geschaffenen Werke den städtischen Galerien
von London, Manchester, Liverpool und Birmingham zum
Geschenk machte. Diese nachahmenswerte Grossthat war
gewissermassen die Belohnung für das ihm entgegenge-
brachte Verständnis des Volkes. Für das nicht so intim in
die Landesgeschichte eingeweihte und mit dem Geschick
Englands vertraute Ausland, dürfte es schwer halten, sich
in dem Meister als einem Volksmanne zurecht zu finden.
Er ist der einzige Künstler, welcher den Ehrenbürgerbrief
Londons erhielt. o. v. Schleinitz,

T. Am 31. Oktober ist zu Rom im Alter von 77 Jahren
der berühmte und verdienstvolle italienische Kunstgelehrte
Giovanni Battista Cavalcaselle gestorben. Er wurde am
22. Januar 1820 in Legnano geboren und widmete sich zu-
nächst der Malerei. 1847 bereiste er Deutschland, wo er
seinen späteren Mitarbeiter Sir Joseph Archer Crowe kennen
lernte, 1848 wurde er als Revolutionär in Cremona gefangen
genommen und zum Tode verurteilt. Er entkam jedoch
und verteidigte 1849 Rom mit gegen die Franzosen. Als
Verbannter ging er dann nach London und kehrte erst 1858
über Spanien nach Italien zurück. 1861 besuchte er Leipzig,
wo er wieder mit Crowe zusammentraf. Später wurde er
zum Generalinspektor der Kunstangelegenheiten in Rom
ernannt. Die bekanntesten und bedeutendsten Werke des
Verstorbenen sind „Early Flemish painters" und „History
of painting in Italy", welche er gemeinsam mit Crowe in lang-
jähriger Arbeit verfasste. Wir werden auf das Leben und
die Verdienste Cavalcaselle's noch ausführlich eingehen.

PERSONALNACHRICHTEN.

Berlin. — Dem Architekten Karl Hoffacker, dem Heraus-
geber des „Kunstgewerbeblattes", ist der Professortitel ver-
liehen worden.

* „ * Dr. Vöge, Privatdocent der Kunstgeschichte an der
Universität Strassburg, ist als Hilfsarbeiter bei der Ver-
waltung der Kgl. Museen in Berlin eingetreten.

*„* Der Kunsthistoriker Dr. MaxJ. Friedländer ist zum
Direktorialassistenten an den Kgl. Museen in Berlin ernannt
worden.

*, * Der Bildhauer Professorjosep/i von Kopf ausönlmgen
in Württemberg, der meist in Rom lebt und sich besonders
durch seine Porträtbüsten und -reliefs in Marmor bekannt
gemacht hat, ist vom Deutschen Kaiser durch Verleihung
des Kronenordens zweiter Klasse ausgezeichnet worden.

DENKMÄLER.

O Denkmälerchronik. — In Hamburg und in Meiningen
sollen Denkmäler für den kürzlich verstorbenen Komponisten
Johannes Brahms errichtet werden. Für die Ausführung
des Denkmals in Meiningen hat der Herzog den Bildhauer
Adolf Hildebrand in Florenz ausersehen. — Zur Ausführung
von Standbildern von Werner Siemens und Alfred Krupp,
die vor der technischen Hochschule in Berlin-Charlotten-
burg aufgestellt werden sollen, ist das von mehreren tech-
nischen und industriellen Vereinigungen gebildete Komitee
mit dem Bildhauer Ernst Herter in Berlin in Unterhandlungen
getreten. Herter ist auch mit der Ausführung des Kaiser
Wilhelm-Denkmals für Potsdam beauftragt worden. — Das
Kaiser Wilhelm-Denkmal für Stuttgart, das Professor von
Riimann in München ausführt, ist so weit vorgeschritten,
dass das Modell zum Reiterstandbild der Giesserei von Paul
 
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