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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 9.1898

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Ehrenberg, Hermann: Cornelis Floris
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https://doi.org/10.11588/diglit.5777#0116

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Cornelis Floris.

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ständigen Triebe durch sie abgeschnitten wurden, und 1
dass bereits in den vierziger Jahren .des 16. Jahr-
hunderts in den Niederlanden langsam und allmählich
sich entwickelnd eine neue Zierweise aufkam, welche
echt heimisches Gepräge aufwies und in der Folge
sich den ganzen Norden unterthänig machte. In dieser
Bewegung, welche bisher nur wenig erforscht ist,
nimmt eine führende Stelle der Antwerpener Bild-
hauer Cornelis Floris (geb. 1518, gest. 1575) ein,
der, wie kaum ein anderer, mit einem Fusse auf
klassischem (Sansovino), mit dem andern auf nieder-
ländischem Boden (Colyn van Cameryck) steht. Bei
Lebzeiten hochgepriesen und mit Aufträgen überhäuft,
war er in späteren Zeiten fast ganz vergessen, bis
Richard Graul i n seiner » Geschichte der dekorativen
Skulptur der Niederlande in der ersten Hälfte des
16. Jahrhunderts" ihm gerecht wurde und mit treffenden
und feinsinnigen Worten eine Schilderung seiner
künstlerischen Persönlichkeit entwarf, wobei Graul
allerdings, dem Zwecke seines Buches entsprechend,
nur einen Teil der Werke des Meisters in das Auge
fasste. Eine Erweiterung seiner Studien hätte man
füglich von belgischer Seite erwarten können, doch
ist dort Floris bis zum heutigen Tage nicht nach Ge-
bühr gewürdigt worden, und auch das neue treffliche
Werk von Marchai, dem Sekretär der Brüsseler Aka-
demie, la sculpture etc. Beiges, vermag in diesem
Punkte berechtigten Ansprüchen nicht völlig zu ge-
nügen. Ich glaube deshalb, dass einige neue Mittei-
lungen über Floris an dieser Stelle nicht unwillkommen
sein werden.

Bisher waren ausser der Ausschmückung der
„Liggeren" der Antwerpener Lukas-Gilde mit ur-
kundlicher Sicherheit folgende Werke des Floris be-
kannt: das Tabernakel von Leau (1550—1552), der
Lettner von Tournay, das Rathaus von Antwerpen und
das (von Graul nicht berücksichtigte und nur in un-
zureichender Abbildung bisher veröffentlichte) Denk-
mal des Dänenkönigs Christian III. in Roeskilde, sowie
zwei Reihen von Kupferstichen, von welchen jedoch
bisher bloss die eine erwähnt zu werden pflegte. Da
es sich hierbei durchweg um sehr umfangreiche Ar-
beiten handelt, so ergiebt sich in ihnen eine Grund-
lage für die Beurteilung des Meisters, wie sie sich
besser nicht wünschen lässt. Sie ist völlig ausreichend,
um seinen Stil zu erkennen und andere Werke da-
nach zu bestimmen. Die Zahl der Bildhauerarbeiten,
die sich auf diese Weise zusammenstellen lassen, ist
ganz überraschend gross. Es sind fast durchweg Grab-
denkmäler, welche sich in Breda, Löwen, Suerbempte
und anderen niederländischen Orten, ferner in Köln,
Ost-Friesland, Schleswig-Holstein, Dänemark und Ost-
preussen finden. Gute Abbildungen der niederländischen
Werke sind bei Ysendyck veröffentlicht; von den Kölner
Denkmälern hat Herr Domkapitular Schnütgen vor

einigen Jahren in der Zeitschrift für christliche Kunst zwei
Lichtdrucke gebracht; über das bisher nur unzuläng-
lich bekannt gegebene Edo-Wimken-Denkmal in Jever,
sowie über die oft besprochene Decke im dortigen
Schloss wird Herr Archivrat Dr. Sello in Oldenburg
demnächst eine ausführliche Abhandlung dem Druck
übergeben, und die dänischen Schöpfungen unseres
Meisters (ausser dem Denkmal in Roeskilde handelt
es sich um eins in Herlufsholm und vielleicht auch
um eins in Hunderup) hat Francis Beckett in seinem
sehr wertvollen, der Abbildungen aber leider ent-
behrenden Buche Renaissancen og kunstens historie
i Danmark vor einem Jahre eingehend behandelt. Ich
selbst behalte mir die ausführliche Begründung vor,
dass von Cornelis Floris auch mehrere Denkmäler in
Königsberg und das Denkmal für König Friedrich I.
im Schleswiger Dom herrühren, und werde unten
auf sie zurückkommen. Die Gesamtsumme jeden-
falls ist so beträchtlich, dass sie das Vorhandensein
einer grossen Werkstatt unter der Leitung unseres
Meisters unbedingt zur Voraussetzung hat. Wir wissen
es urkundlich, dass er mehrere tüchtige Gesellen be-
schäftigte, wir erkennen es aber auch an den Denk-
mälern selbst, dass hier mitunter ein Betrieb geherrscht
hat, der an das Fabrikmässige grenzte. Neben vor-
züglichen Einzelheiten finden sich an demselben
Stück solche, welche nur gerade den notwendigsten
Voraussetzungen entsprechen; anderseits kehren an
den verschiedensten Werken wiederholt einige Teile
in völlig übereinstimmender Erfindung und Ausführung
wieder. Die Werkstatt besass augenscheinlich eine be-
deutende Zahl von Modellen und Vorlagen, welche
bald in dieser, bald in jener Weise zusammengestellt
und verwendet wurden. Bewilligte ein Auftraggeber
eine hohe Summe, so wurde ein Übriges dazu gethan;
war das Honorar nur mässig, so konnte der Besteller
mit der Durchschnittsleistung, welche er erhielt, immer
noch sehr wohl zufrieden sein, denn sie war technisch
stets auf das vollkommenste ausgeführt, und ihre Zier-
formen waren so reizvoll, dass man sie sich gern ge-
fallen lassen konnte, während sich die Figuren des
Floris allerdings niemals zu voller Kraft und ursprüng-
licher Frische erheben.

Unter den Königsberger Denkmälern ist das eine
zugleich das frühest datirte von Floris überhaupt. Es
trägt die Jahreszahl 154g und ist somit noch vor dem
Tabernakel von Leau ausgeführt. Dem Andenken der
ersten Gemahlin des Herzogs Albrecht von Preussen,
der dänischen Königstochter Dorothea gewidmet, hat
es seit Hagen's Werk über den Königsberger Dom
(1833) als ein Werk des Jacob Binck, der von 1543
bis 1548 in Königsberg geweilt hatte, gegolten, jedoch
ohne allen Grund. Ein einziger Satz in einem Briefe
bildete die Voraussetzung dieser Annahme; er ist jedoch
missverstanden worden, und zahlreiche andere Gründe
 
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