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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 9.1898

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Zimmermann, Ernst: Otto Eckmann-Ausstellung
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Otto Eckmann-Ausstellung.

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seiner Kunst, da Eckmann noch ein malender Künstler,
ein richtiger Jünger des heiligen Lukas war. Das
schadet ja freilich dieser Ausstellung nicht in ihrer
Wirkung auf die kommende moderne dekorative
Kunst, wird aber doch von uns stets historisch, evo-
lutionistisch empfindenden Menschen, die immer nur
dann ein Ding zu begreifen meinen, wenn sie dessen
Entwicklungsgeschichte kennen, als Mangel empfunden.
Und hier mit einigem Rechte; denn diese Werke,
diese „Gemälde" würden zeigen, dass Eckmann nicht
aus äusserem Zwang, etwa aus Unfähigkeit, wie man-
cher meint, den hohen Flug der Kunst verliess und
sich der mehr am Erdboden haftenden, praktischen
dekorativen Kunst mit gebundenen Händen übergab.
Seine Malereien würden noch heute denselben Beifall
finden, den sie seiner Zeit gefunden haben; sie wür-
den aber vor allem zeigen, wie Eckmann ein deko-
rativer Künstler wurde, ja werden musste. Denn aus
dem Schilderer momentaner Naturstimmungen wurde
er ziemlich schnell ein Verkünder der typischen Schön-
heit der Natur, der in ihr nur das Charakteristische,
das Symbolische zum Ausdruck bringen wollte. So käm-
pfen in seinen letzten, seine erste Periode abschliessen-
den Werken, namentlich in seinen bekannten'„Lebens-
altern" schon dekorativ verallgemeinernde und natu-
ralistisch specialisirende Weisen ganz heftig mitein-
ander, wenn man auch noch nicht zu sagen vermag,
welcher in der Zukunft der Sieg zufallen wird.

Seine kurze Entwicklung als dekorativer Künstler
liegt hier aber klar vor aller Augen. Mit dekorativen
Randleisten für den Pan, denen sich bald auch solche
für die Jugend anschlössen, hat der Reigen begonnen.
Sie haben, namentlich die in der so rasch volkstüm-
lich gewordenen Jugend, Eckmann's Namen in Kürze
populär gemacht. Es folgten die reizvollen Farben-
holzschnitte auf Grund der japanischen Holzschnitt-
technik, zu denen Eckmann durch Direktor Brinckmannn
in Hamburg die Anregung empfing, naturgemäss
Zwittergeschöpfe zwischen seinen früheren Malereien
und seinen neuen Buchillustrationen. Zugleich er-
weitert sich die Buchillustration: Ex-libris, Titel-
blätter, Vignetten, Signete, Briefköpfe kamen hinzu.
Dann entstanden die prächtigen Scherrebecker Tep-
piche. Hiermit betrat Eckmann ein für ihn neues
Gebiet. Ein neues Material, ein neue Technik waren
zu überwinden, eine neue Wirkung, die dekorativ-
monumentale, war zu erzielen. Es gelang Eckmann
überraschend. Die Scherrebeck'schen Teppiche ge-
hören zu dem besten, was die moderne dekorative Kunst
aller Länder erzeugt hat. Erst jetzt hatte Eckmann sein
Rigorosum in den dekorativen Künsten bestanden.

Der nächste Schritt bedeutete ein Heraustreten
aus der Fläche. Eckmann begiebt sich in die Plastik
und wirft sich hier gleich auf die schwierigsten und
sprödesten Stoffe, die Metalle, auf Eisen und die

schmiedbare Aluminiumbronze, hier Hand-, Hänge-
und Wandleuchter, sowie Blumenvasen in seinem Sinne
neu gestaltend. Dann kehrt er zur Fläche zurück,
nimmt sich des Äusseren des Buchschmuckes an, schafft
eine Menge origineller Buntpapiere und weiss endlich
auch für das heikleThema„Fussteppiche" überraschende
neue Lösungen zu finden. Damit schliesst hier die
Ausstellung ab, aber noch nicht die Thätigkeit Eck-
mann's. Es wird jetzt in Berlin an Möbeln, Tapeten,
Bijouterien, Pokalen u. s. w. fleissig gearbeitet, und
Eckmann ist im besten Zuge, sich hier eine Art Schule
heranzuziehen, die ihm die massenhaften Aufträge,
mit denen er jetzt überladen wird, ausführen hilft.

Alle diese herausgestellten Sachen sind neue Lö-
sungen alter Probleme und zeigen, wie Eckmann die
gesamten Schlagworte der modernen Kunstforderungen
in sich aufgenommen und in die Praxis umzusetzen
verstanden hat. Konstruktion, Ehrlichkeit des Materials,
dekorative Wirkung und eine neue von der Natur
ganz frisch ausgehende Formensprache sind die Grund-
elemente dieser Kunst, mit der wir zum ersten Male
eine wirklich neue und eigenartige dekorative Kunst
der Gegenwart gefunden zu haben hoffen. Sie be-
deuten zum Teil einen Bruch mit aller europäischen
Kunstvergangenheit, zum Teil ein Zurückgehen auf die
Anfänge aller Kunst, auf die Naivität des Kunstem-
pfindens, zu der man hier aber nur durch eine auf
historischer Erkenntnis fussenden Reflexion gelangt
ist. Eckmann dekorirt Papier, wie man eben nur
Papier dekoriren kann, dekorirt Teppiche, wie man
Teppiche dekoriren darf, und denkt hierbei auch zu-
gleich an ihre künftige Stelle im Raum, lässt dem
Eisen seine matte graue Farbe, die sich von selbst er-
gebenden Hammerschläge noch ausdrücklich betonend,
und freut sich an dem willkommenen goldigen Glanz
der Aluminiumbronze, ohne ihn durch eine künstliche
Patina niederzudämpfen. Das ist eigentlich alles selbst-
verständlich, nur die Folge einer logischen Deduk-
tion, die einmal ausgesprochen, sich von selber ver-
steht. Eckmann's eigentlichste Leistung und, weil eine
künstlerische, nur ihm, dem Künstler mögliche, ist
aber die Schaffung jener gänzlich neuen Formensprache,
die dem liebevollen Studium der Natur ihre Entste-
hung verdankt und sich dieser gegenüber doch selb-
ständig genug verhält, um das Dekorative, Ornamen-
tale über das Naturalistische zu stellen. Gänzlich
abweichend von dem bisherigen, sich ja fast ganz
auf antiken Erfindungen aufbauenden Pflanzenorna-
mente mit seinem den einfacheren geometrischen Kurven
sich nähernden Grundschema, über das die europäische
Kunst kaum je herausgekommen ist, bildet bei ihm
das Gerippe seines Ornamentes eine weiche, leichtbe-
wegte, sanft fliessende, sanft sich krümmende Linie,
wie sie die Pfanzenwelt der Natur eben ganz be-
herrscht, eine Linie, die, wie es scheint, einer rein
 
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