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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 12.1901

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Der erste deutsche "Tag für Denkmalpflege" in Dresden
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Die Secessionsausstellung in München.

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werden, damit Raum für neue Auflagen geschaffen
werde. Nur dadurch kann es erreicht werden, dass
die Inventare in der rechten Weise alle neuen For-
schungen zusammenfassen. Oberbaurat rXriesche-
Weimar schildert die Wichtigkeit des vom Geh.-Rat
Meydenbauer-Berlin eingeführten Messbild-Verfahrens,
welches die besten und künstlerisch vollkommensten
Aufnahmen der Baudenkmäler ergebe. Das deutsche
Reich solle einen jährlichen Zuschuss gewähren, um
diese Aufnahmen in der erforderlichen Weise zu er-
möglichen. Als ein grosser Missstand wurde es von
verschiedenen süddeutschen Rednern bezeichnet, dass
die Abfassung der Inventare noch immer in einigen
Ländern als Nebenamt besorgt wird. Diese Arbeiten
erfordern ein hingebendes Studium der Denkmäler,
welches die ganze Arbeitskraft des Konservators in
Anspruch nimmt. Das Amt eines Konservators der
Kunstdenkmäler müsse überall als Hauptamt einge-
richtet werden, wie dies in Frankreich mit so grossem
Erfolge durchgeführt sei.

Auf Antrag des Professors Dehio, welcher
leider verhindert war, an der Versammlung teil zu
nehmen, wurde eine Kommission eingesetzt, welche
die Herausgabe eines »Handbuches der deutschen
Denkmäler« nach Art der Lotz'schen Kunsttopographie
Deutschlands, nur umfangreicher und gründlicher,
vorbereiten soll. In diese Kommission wurden Geh. |
Rat Lörsch und die Professoren Gurlitt und Gemen
gewählt.

Auch ein Vortrag des Baurats Tornow-Meiz über
die Grundsätze für die Restaurierung alter Bauwerke
hatte eine lebhafte Debatte zur Folge. Tornow, einer
der angesehensten und genialsten Gotiker der Gegen-
wart, verteidigte den Gedanken, dass jede Restaurierung
eines Bauwerks sich so treu als möglich an den Stil
der alten Architektur anschliessen müsse. Cornelius
Gurlitt dagegen wollte bei den Wiederherstellungen
der Bauwerke auch unserer Zeit das Recht gewahrt
sehen, ihren eigenen künstlerischen Stil zum Ausdruck
zu bringen. Diese Anschauung bekämpften in leb-
hafter Weise die Professoren von Öchelhäuser und
Giemen. Geh. Rat Georg Treu - Dresden schilderte
dagegen die unerfreulichen Versuche, in alten Bau-
werken Wandgemälde oder Statuen im Stil vergan-
gener Jahrhunderte neu zu schaffen. Solche altertü- i
melnden Versuche machen niemandem Freude. Wenn
der Maler oder Bildhauer etwas Rechtes schaffen soll,
so muss er im Geiste seiner eigenen Zeit arbeiten.
Diesen Gedanken wird gewiss die Mehrzahl der
Kunsthistoriker zustimmen. Doch bei denjenigen archi-
tektonischen Teilen, die innig zum organischen Zu-
sammenhang des alten Bauwerkes gehören, wird der
Anschluss an den ursprünglichen Stil nach wie vor
gefordert werden müssen.

Die Einberufung eines Tages für Denkmalpflege<
wurde von der Versammlung auch für das kommende
Jahr beschlossen. Als Versammlungsort wurde nach
den vorläufigen Abmachungen Freiburg in Baden
ausersehen. Bis dahin wird die Organisation zum
Schutze der Denkmäler in Deutschland hoffentlich um
ein wichtiges Stück gefördert sein. G. M.

DIE SECESSIONSAUSSTELLUNG IN MÜNCHEN.

Unter den jüngeren Künstlern Münchens bewährt
sich als ein aussergewöhnlich kräftiges und eigen-
artiges Talent Max Slevogt. Er beansprucht auch in
der diesjährigen Sommer-Ausstellung das meiste In-
teresse. Freilich erweckt er manchen Widerspruch
und das ist ja immer ein Zeichen dafür, dass sich
jemand der Marschordnung zum Trotz aus Reih und
Glied heraus wagt. Slevogt hat einen ausgesprochen
starken Farbensinn. Sein Dreiflügelbild mit der Ge-
schichte des verlornen Sohnes fällt schon lediglich
als Farbenerscheinung sofort jedem in die Augen,
obgleich die sonst doch so vorsichtige und geschmack-
volle Hängekommission das Bild mit lauter lebhaften
und lärmenden Farben umstellt hat. SIevogt's ge-
sundes, leuchtendes Colorit behauptet sich trotzdem.
Und es behauptet sich auch bei längerem Studium
und tieferem Eindringen seine klare und psychologisch
wohlerwogene Charakteristik. Ein Mensch, der alles
verloren hat, halbnackt, verkommen und durch Elend
und Kummer entstellt, —so tritt der verlorne Sohn
in das Zimmer, oder vielmehr er schiebt sich furcht-
sam durch die halbgeöffnete Thür in das Zimmer
hinein, wo der Vater erschrocken dem Wiedergekehrten
sich zuwendet. Der Bruder in seinen schönen Kleidern
bewahrt seine Ruhe und blickt neugierig auf die
Thür. Das Spiel der Hände, die packende Sprache
der Gesichtszüge, die einfache, sachliche Gruppierung,
lassen keinen Zweifel über die ursprüngliche Bega-
bung des Künstlers. Wer würde nicht vollends be-
rührt von dem Bild des Jammers auf dem rechten
Flügel, wo der Nackte im Dunkel einer Scheune
vollkommen zusammengebrochen seine unglückliche
Lage in Verzweiflung und Reue überdenkt. Nur der
linke Flügel ist ein misslungenes Experiment: vor
lauter Farbenflimmer erkennt selbst der geübte Kenner
moderner Bilder gar nichts, — weder in der Nähe
noch auf zehn Schritt Distanz: die lustigen Farben
sollen eine feuchtfröhliche Tabernenscene schildern.
Abgesehen von diesem Missgriff, den die litterarischen
Parteigänger SIevogt's natürlich für besonders genial
erklären, ist das Werk eine imposante Leistung. Aber
wer weniger befangen dem Künstler gegenübersteht,
möchte die Freunde und Ruhmeskünder Max SIevogt's
fragen, ob sie denn gar nicht seine naive Abhängigkeit
von Rembrandt bemerkten? Sehen sie denn nicht, dass
auch all dies Neue schon einmal dagewesen ist und
zwar im Atelier des Amsterdamer Meisters? Die Hände,
wie sie sprechen und aus dem Dunkel heraustreten,
der helle Akt und die breite Pinselarbeit, die harm-
lose Ausstattung der Philisterwohnung im Mittelbild
mit Waffen, Speeren und Schilden, also mit jenem
phantastischen Atelierzierat, den auch der junge Rem-
brandt zu schildern nicht müde wurde! Selbst das
Beste des Secessions-Bildes, seine deutsche Innerlich-
keit im Miterleben des Stoffes, selbst diese Tugend
ist an Rembrandt's Meisterschaft grossgezogen. Für
Slevogt war Rembrandt ein Erzieher, und ich halte
es auch für keinen Fehler, sich an solche grossen
Vorbilder zu halten. Aber angesichts der herzlichen
 
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