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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 12.1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.5772#0021

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Die Secessionsausstellung in München.

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und aufrichtigen Bewunderung Slevogt's für diesen Erz-
germanen unter den nordischen Malern wird man eben
genötigt, die Eigenheit und Bedeutung des jungen
Münchners einstweilen noch einzuschränken. Wir wer-
den von ihm gewiss noch Meisterleistungen erhalten,
aber erst wenn er seine Rembrandtbegeisterung selbst-
ständiger verarbeitet hat. Noch befindet er sich in
Übergangszeiten, wie sehr auch die schon rein male-
rische Behandlung die Löwenklaue verrät.

Ein oft geschildertes Thema wagt F. v. Uhde noch
einmal zu behandeln: die Atelierpause. Der erste
Eindruck vor dem Bilde war befremdend; man fragte
sich, wozu dies grosse Format? Können denn unsere
Maler die Riesensäle der Pinakothek selbst bei solchen
Qenrestoffen gar nicht vergessen? Wie viel wirksamer
wäre das fein und vornehm behandelte Werk ge-
worden, hätte es sich in einem kleineren Rahmen
gehalten. Aber Eins muss auch noch ausser der
prachtvollen Darstellung des Raumes und der ener-
gischen Charakteristik anerkannt werden: F. v. Uhde's
sicherer Takt, der ihn sein eigentliches Stoffgebiet
immer wieder finden Iässt. Die religiösen Bilder
grossen dramatischen Stiles gingen ihm doch über
die eigene Kraft. Was von ihm unverlierbar bleiben
wird, das sind die Bilder stillen träumerischen Sinnens,
einfacher Handlung, die Bilder, die das treuherzige
Volk schildern, sein Abendmahl, seine Bergpredigt,
seine Anbetung der Könige u. s. w. All die bedeutenden
Vorzüge Uhde's sind auch in diesem harmlosen
Bilde wiederzufinden, und man kann sich der feinen
Kunst um so mehr freuen, wenn man der Sorge
überhoben ist, wo denn hin eigentlich mit dieser
grossen Leinwand.

Durch die ganze Ausstellung geht dieses Mal ein
Zug der Ruhe und Beschaulichkeit. Es fehlt an Oppo-
sition und Herausforderung, an Kampflust und Neue-
rungsgelüsten. Nach den aufregenden Debatten und
kräfteraubenden Kämpfen der letzten Jahre folgen Jahre
des Sammeins. F. Stuck z. B. bringt ein Bild wieder,
das man schon vor Jahren gesehen hat, seinen Ahas-
ver, das böse Gewissen, allerdings in neuer Übennalung
und kräftigerer Koloristik. Ob Stuck mit dieser Neu-
Ausgabe sein Gewissen wirklich beruhigt hat? Die
Farben sind pompöser geworden; innerlich ist das
Werk nicht gewachsen. Nur ein kleines Bildchen,
ein Dionysos, war wieder so voller Schönheit und
stilistischer Bedeutung, dass ich es gern in einer öffent-
lichen Galerie untergebracht gesehen hätte.

Auch als Porträtist gebührt ihm eine eigene Stel-
lung. Die jungen Frauen- und Mädchenköpfe finden
ja ohnehin viel Beifall; aber auch das Bild »Eugen
Wolff's« mit der Unterschrift lupus africanus charak-
terisiert den energischen Kopf voller Kühnheit und
yerwegenheit bis zu wirklich typischer Bedeutsamkeit.
Ähnlich in der Sicherheit der Charakteristik, nur viel
flotter und feuriger im Vortrag ist Samberger, vor-
nehmlich in dem Bildnis des Bildhauers Flossmann.
Auch wird jeder mit Vergnügen bemerken, dass Frhr.
v. Habermann endlich ein neues Modell gefunden
hat und in dem Bilde seiner Mutter so viel liebens-
würdige Feinheit zu geben weiss. Ernst Oppler löst

seine Porträtgruppe ganz ins Genrehafte auf und zwar
in ein der Farbe wie der Empfindung nach ganz
englisches Stimmungsbild, das infolgedessen mehr
technisch als individuell interessiert. Das heisst doch
schon wirklich ganz und gar seine Nationalität auf-
geben, wenn man so ängstlich wie Oppler einem
fremden Volke zu gefallen sucht. Denn wir Deutsche
halten uns doch lieber an wirklich «^-englische
Bilder und wir zweifeln, ob solche anglisierenden
Werke, selbst unter der Marke »made in Germany«,
beim englischen Publikum Respekt sich erwerben.
Glücklicherweise sind die internationalen Erscheinun-
gen in unserer deutschen Kunst immer seltener ge-
worden.

In breitem Strome fliesst jetzt überall in unserer
Landschaftsmalerei ein echt heimatliches, urwüchsiges
Naturgefühl. Wie immer glänzen auch diesmal die
Dachauer, Dill, Hölzl und viele andere durch kräftige
kerngesunde Arbeiten. Wenn auch etwas dekorativ,
so doch gross und schwungvoll im Entwurf fasst
Richard Kayser die Landschaft auf. Sein »Steinbruch
bei Kufstein« ist eine höchst bemerkenswerte Arbeit.
Auch Leo Putz ist mit seinem »Herbststurm« ein
Wurf gelungen. Mensch und Natur sind in derselben
Stimmung aufgefasst, der Sturm fährt durch die
dunkeln Wipfel, er beugt sie fast zur Erde und
ebenso elementar hat der Sturm der Leidenschaft die
Liebenden ergriffen und unter seine Gewalt gebracht.
Wie poetisch, zart und zurückhaltend benimmt sich
dagegen das kleine Pärchen bei Adolf Hengeler. Der
Geist M. v. Schwind's scheint in diesem köstlichen
i Idyll wieder lebendig geworden und es ist zu be-
dauern, dass diese kleine Perle sofort in Privatbesitz
übergegangen ist und für die öffentlichen Sammlungen
verloren scheint. Aber unsere Museumsvorstände
scheinen eben nur noch für die grossen »Maschinen«
ein Auge zu haben und lenken damit auch unsere
Künstler immer wieder auf die falsche Bahn des
Monumentalformats. Das 18. Jahrhundert kannte noch
eine Salonkunst im edelsten Sinn des Wortes. Es
wäre traurig, wenn das 20. Jahrhundert nicht wieder
die feineren Bedürfnisse einer intimen Kunst des rei-
chen Privatbesitzes zur Geltung brächte. Die sozialen
und materiellen Vorbedingungen sind glücklicherweise
wieder vorhanden.

Ist nicht eigentlich auch Max Klinger's Kleinplastik
für ähnliche Zwecke gedacht? Ganz durchtränkt von
dem Geiste klaren Materialstiles sind sowohl die tan-
zenden Grazien, wie die schwimmende Najade, zier-
liche Erfindungen, die durch ihren Formenreiz und
den kostbaren Stoff alle Voraussetzungen der Klein-
kunst erfüllen. Aber was wollen diese kleinen Neben-
arbeiten bedeuten neben der unendlich lebensvollen
Porträtbüste einer Frau, die ähnlich der Kassandra
und Salome in mehrfarbigem Marmor ausgeführt ist.
Alles sprüht von Geist und Leben an dieser Figur:
die Augen, die schönen feinen Hände, die üppige
Büste, das wallende Haar. Inmitten der öden klassi-
cistischen Arbeiten aus der Schule Adolf Hildebrand's
triumphiert das Werk und niemand kann von ihm
los, weil es eben auch den Stumpfesten nicht gleich-
 
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