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Vom Kunstmarkt.
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merkt es, wenn man selbst seine duftigsten, anglisierenden
Arbeiten, wie das »Miniaturbild« oder das grosse »Musik«
mit den kleinen Schilderungen aus Holland vergleicht, dass
dies seiner deutschen Natur näher liegt. Wie fein, wie
lebendig, wie intim und stimmungsvoll sind diese Arbeiten,
von denen die Näherin«, die »Küche« und der »Brief*
besonders hervorgehoben seien. James Whiteland Hamilton
hat wieder eine Reihe von Landschaften gesandt, Land-
schaften, in denen er bedeutender und energischer erscheint,
als in denen, die er im Vorjahre bei Schulte ausstellte und
die man sonst von ihm kennt. Er betont die Farbe viel
mehr, ganz besonders in dem »Dorf an der Nordsee« und
der »Alten Mühle«, während der Fischerhafen« sich mehr
seiner alten Malweise nähert. Noch farbiger aber als jene
ist der »Farmteich« und der »Bauernhof«, und ich möchte
glauben, dass der englischen Landschaftsmalerei ein solches
kräftigeres Betonen der Farbe durchaus zum Vorteil ge-
reichen würde. Das ewige Dämmern, das schliesslich
schon beinahe zur Manier geworden ist, wirkte zuletzt
ebenso langweilig wie unnatürlich. Hamilton hat, obwohl
auch hier noch eine gewisse Schüchternheit sich zeigt,
seinen Landsleuten bewiesen, dass ein wenig mehr Mut
im Sehen und in der Wiedergabe der Farbe weder der
Feinheit noch der Ruhe des Gesamtbildes Schaden zu thun
braucht. Harold Speed's »Vorfrühling- z. B. ist eine wun-
dervoll ausgeglichene Malerei, aber die Natur ist denn
doch tausendmal frischer. So möchte sie freilich wohl
aussehen, wenn man sie selbst in ein dämmeriges Zimmer
bringen könnte. —
In krassem Gegensatz zu diesen Landschaften stehen
die des Norwegers Thorolf Holmboe. Er liebt kraftvolle,
wuchtige Farbenwirkungen, und zuweilen gelingt es ihm,
den Beschauer in den Bannkreis seiner Empfindung und
Stimmung zu zwingen. In keiner Arbeit so sehr, wie in
der von Grösse getragenen »Julinacht« und in dem macht-
vollen Nachtbilde »Aufziehendes Gewitter«! Wohl ist sein
»Herbstabend im Wald«, in dem die Beleuchtung der
Baumkronen gut abgewogen ist gegen das Dunkel der
unteren Stämme, wohl ist auch die farbenschwere Land-
schaft mit dem Berge im Hintergrund und vor allem noch
das gespenstische Seestück »Drei Secvögel« von grosser
malerischer und poetischer Kraft, aber so reif, wie in
jenen beiden Werken, erscheint der Maler, wie gesagt,
nirgends. Manche seiner Bilder können nur eine äusser-
liche, flüchtige Wirkung erzielen. —
Noch erfreut eine ganze Reihe trefflicher Arbeiten
deutscher Maler bei Schulte. Julius Exter freilich, der
stark hin und her zu schwanken scheint, kann durch seine
grossen Bilder einen starken, nachhaltigen Eindruck nicht
erzielen. Seine »Bauern von Übersee« bieten zwar farbig
manches Interessante, sind auch breit und frisch erfasst
und gezeichnet, aber nach allen Richtungen hin zeigt sich
eine Übertreibung, die abstösst und den Eindruck künst-
lerischer Leere erweckt. Das ist auch bei dem allzu
schweren »Heimtrieb« der Fall, nicht minder in dem
grossen Bilde, das eine beim Baden im Wald überraschte
Schaar von Nymphen darstellt. Immerhin hat es, ebenso
wie das Triptychon »Weihnachten«, manches recht Gute.
Das beste der Exter'schen Bilder ist jedenfalls das Bildnis
des Künstlers und seiner Frau, das bedeutende Auffassung
und kräftige Technik bekundet. —
Einfache, eindrucksvolle frische Malereien hat Matthias
Schiestl-lAimchtn ausgestellt. »Abendandacht«, der »Ver-
lorene Sohn«, und besonders die »Landschaft« verdienen
Beachtung. Gertrud Staats sandte einen stimmungsvollen
»Abend in Dachau«, Rossmann verschiedene von grossem
Empfinden zeugende Landschaften, unter denen besonders
die »Frühlingsstimmung Erwähnung verdient. Paula
Monze's Arbeiten haben etwas langweiliges, die erstrebte
Stimmung fehlt auch dem Interieur des Bildes Goldene
Hochzeit« ganz! Die Kraft hat nicht gereicht! Theodor
Hagen-W eim&r endlich hat zwei recht frische, lichterfüllte
Schilderungen von der Ilm und aus dem Weimarischen
Park gesandt, in denen eine Verwandtschaft mit den aller-
dings ungleich höher stehenden Bildern Gleichen-Russ-
wurms unverkennbar ist. — p. w.
VOM KUNSTMARKT
Berlin. Dem B. B. C. wird aus Paris geschrieben:
Die Bewunderung aller Kenner erregt hier seit kurzem
ein prächtig geschnitzter Gemälderahmen, den ein Pariser
Kunsthändler unlängst für zehntausend Francs in seinen
Besitz brachte. Dieses Kunstobjekt gehörte ursprünglich
zu einem Porträt Ludwig XVI., mit dem zusammen es in
einem Saal des Rathauses von Orange im Departement
Vaucluse prangte. Während der Revolution wurde es aus
der Mairie entfernt und von einer der ersten Aristo-
kratenfamilien des durch seine Denkmäler aus der Römer-
zeit berühmten Städtchens in Verwahrung genommen. Im
Jahre 1815 brachte man es wieder an seinen früheren
Platz zurück und es umrahmte dann nacheinander die Bild-
nisse der Könige Ludwig XVIII., Karl X. und Ludwig
Philipp. Zur Zeit der Februarrevolution 1848 riss der
Pöbel das Porträt in Fetzen und nur wie durch ein Wunder
entging der wertvolle Rahmen der Zerstörungswut. Einer
der Municipalräte von Orange suchte kürzlich in den Dach-
kammern des Rathausgebäudes nach einem Dokumenten-
bündel. Dabei fiel ihm der verstaubte alte Bilderrahmen in
die Hände. Er ahnte nicht, dass er es mit einem Gegen-
stand von historischer Berühmtheit zu thun hatte, doch
erkannte er sofort, dass der eine Guirlande mit Rosen dar-
stellende, mit dem Wappen der Stadt verzierte Rahmen
einen nicht geringen Kunstwert haben müsse. Ein Kunst-
händler, dem er seinen Fund zeigte, bot ihm 50 Francs
dafür. Der Stadtrat erklärte, den Rahmen nicht unter
500 Francs fortzugeben. Dann kam ein anderer Händler,
der aus freien Stücken 1500 Francs zahlen wollte. Man
war noch nicht einig geworden, als ein Raritätenliebhaber
aus Avignon auf der Stelle 3000 Franks offerierte. Nun
mischte sich der Präfekt in die Angelegenheit und ordnete
die Versteigerung des vielbegehrten Rahmens an. Zwölf
Kauflustige erschienen, darunter drei Kunsthändler aus der
Hauptstadt. Derselbe Mann, der dem Ratsherrn zuerst
50 Francs geboten hatte, erstand das Wertobjekt für
5500 Francs. Noch am selben Tage verkaufte er den
Rahmen an den zu spät zur Auktion eingetroffenen Ver-
treter einer bekannten Pariser Kunstfirma für 10000 Francs.
-r-
Von einem bedenklichen Rückgang der hiesigen Bilder-
preise gab eine im Hotel Drouot stattfindende Versteige-
rung einer Brüsseler Gemäldesammlung Zeugnis. So
wurden für zwei Courbets, »Welle« und »Weg im Walde«,
beides treffliche Werke, statt der geforderten 8000 bezw.
2500 Frcs. nur 6250 und 950 Frcs., für Millet's Pastell
»Die Wassermühle«, statt 25000 nur 15000 Frcs. gezahlt.
Eine Eiche« von Rousseau, Motiv aus den Schluchten
von Apremont, Wetterstimmung, die einst 55 000 Frcs. ge-
kostet hatte, erzielte — 16500 Frcs., und ein »Sonnen-
untergang im Wald« von Rousseau brachte statt 10000
Frcs. 5000 Frcs. Auch die übrigen Preise waren ungeahnt
niedrig. Corot's »Karren und »Windstoss sollten 15000
bezw. 18000 Frcs. bringen, gingen aber für 12 100 bezw.
12000 Frcs. weg, und Fromentin's »Karawane erzielte
statt 3000 nur 1100 Frcs. Weiter wurde bezahlt für die
»Hirtin« von Ch. Jacque 5200 und die »Rückkehr der
Vom Kunstmarkt.
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merkt es, wenn man selbst seine duftigsten, anglisierenden
Arbeiten, wie das »Miniaturbild« oder das grosse »Musik«
mit den kleinen Schilderungen aus Holland vergleicht, dass
dies seiner deutschen Natur näher liegt. Wie fein, wie
lebendig, wie intim und stimmungsvoll sind diese Arbeiten,
von denen die Näherin«, die »Küche« und der »Brief*
besonders hervorgehoben seien. James Whiteland Hamilton
hat wieder eine Reihe von Landschaften gesandt, Land-
schaften, in denen er bedeutender und energischer erscheint,
als in denen, die er im Vorjahre bei Schulte ausstellte und
die man sonst von ihm kennt. Er betont die Farbe viel
mehr, ganz besonders in dem »Dorf an der Nordsee« und
der »Alten Mühle«, während der Fischerhafen« sich mehr
seiner alten Malweise nähert. Noch farbiger aber als jene
ist der »Farmteich« und der »Bauernhof«, und ich möchte
glauben, dass der englischen Landschaftsmalerei ein solches
kräftigeres Betonen der Farbe durchaus zum Vorteil ge-
reichen würde. Das ewige Dämmern, das schliesslich
schon beinahe zur Manier geworden ist, wirkte zuletzt
ebenso langweilig wie unnatürlich. Hamilton hat, obwohl
auch hier noch eine gewisse Schüchternheit sich zeigt,
seinen Landsleuten bewiesen, dass ein wenig mehr Mut
im Sehen und in der Wiedergabe der Farbe weder der
Feinheit noch der Ruhe des Gesamtbildes Schaden zu thun
braucht. Harold Speed's »Vorfrühling- z. B. ist eine wun-
dervoll ausgeglichene Malerei, aber die Natur ist denn
doch tausendmal frischer. So möchte sie freilich wohl
aussehen, wenn man sie selbst in ein dämmeriges Zimmer
bringen könnte. —
In krassem Gegensatz zu diesen Landschaften stehen
die des Norwegers Thorolf Holmboe. Er liebt kraftvolle,
wuchtige Farbenwirkungen, und zuweilen gelingt es ihm,
den Beschauer in den Bannkreis seiner Empfindung und
Stimmung zu zwingen. In keiner Arbeit so sehr, wie in
der von Grösse getragenen »Julinacht« und in dem macht-
vollen Nachtbilde »Aufziehendes Gewitter«! Wohl ist sein
»Herbstabend im Wald«, in dem die Beleuchtung der
Baumkronen gut abgewogen ist gegen das Dunkel der
unteren Stämme, wohl ist auch die farbenschwere Land-
schaft mit dem Berge im Hintergrund und vor allem noch
das gespenstische Seestück »Drei Secvögel« von grosser
malerischer und poetischer Kraft, aber so reif, wie in
jenen beiden Werken, erscheint der Maler, wie gesagt,
nirgends. Manche seiner Bilder können nur eine äusser-
liche, flüchtige Wirkung erzielen. —
Noch erfreut eine ganze Reihe trefflicher Arbeiten
deutscher Maler bei Schulte. Julius Exter freilich, der
stark hin und her zu schwanken scheint, kann durch seine
grossen Bilder einen starken, nachhaltigen Eindruck nicht
erzielen. Seine »Bauern von Übersee« bieten zwar farbig
manches Interessante, sind auch breit und frisch erfasst
und gezeichnet, aber nach allen Richtungen hin zeigt sich
eine Übertreibung, die abstösst und den Eindruck künst-
lerischer Leere erweckt. Das ist auch bei dem allzu
schweren »Heimtrieb« der Fall, nicht minder in dem
grossen Bilde, das eine beim Baden im Wald überraschte
Schaar von Nymphen darstellt. Immerhin hat es, ebenso
wie das Triptychon »Weihnachten«, manches recht Gute.
Das beste der Exter'schen Bilder ist jedenfalls das Bildnis
des Künstlers und seiner Frau, das bedeutende Auffassung
und kräftige Technik bekundet. —
Einfache, eindrucksvolle frische Malereien hat Matthias
Schiestl-lAimchtn ausgestellt. »Abendandacht«, der »Ver-
lorene Sohn«, und besonders die »Landschaft« verdienen
Beachtung. Gertrud Staats sandte einen stimmungsvollen
»Abend in Dachau«, Rossmann verschiedene von grossem
Empfinden zeugende Landschaften, unter denen besonders
die »Frühlingsstimmung Erwähnung verdient. Paula
Monze's Arbeiten haben etwas langweiliges, die erstrebte
Stimmung fehlt auch dem Interieur des Bildes Goldene
Hochzeit« ganz! Die Kraft hat nicht gereicht! Theodor
Hagen-W eim&r endlich hat zwei recht frische, lichterfüllte
Schilderungen von der Ilm und aus dem Weimarischen
Park gesandt, in denen eine Verwandtschaft mit den aller-
dings ungleich höher stehenden Bildern Gleichen-Russ-
wurms unverkennbar ist. — p. w.
VOM KUNSTMARKT
Berlin. Dem B. B. C. wird aus Paris geschrieben:
Die Bewunderung aller Kenner erregt hier seit kurzem
ein prächtig geschnitzter Gemälderahmen, den ein Pariser
Kunsthändler unlängst für zehntausend Francs in seinen
Besitz brachte. Dieses Kunstobjekt gehörte ursprünglich
zu einem Porträt Ludwig XVI., mit dem zusammen es in
einem Saal des Rathauses von Orange im Departement
Vaucluse prangte. Während der Revolution wurde es aus
der Mairie entfernt und von einer der ersten Aristo-
kratenfamilien des durch seine Denkmäler aus der Römer-
zeit berühmten Städtchens in Verwahrung genommen. Im
Jahre 1815 brachte man es wieder an seinen früheren
Platz zurück und es umrahmte dann nacheinander die Bild-
nisse der Könige Ludwig XVIII., Karl X. und Ludwig
Philipp. Zur Zeit der Februarrevolution 1848 riss der
Pöbel das Porträt in Fetzen und nur wie durch ein Wunder
entging der wertvolle Rahmen der Zerstörungswut. Einer
der Municipalräte von Orange suchte kürzlich in den Dach-
kammern des Rathausgebäudes nach einem Dokumenten-
bündel. Dabei fiel ihm der verstaubte alte Bilderrahmen in
die Hände. Er ahnte nicht, dass er es mit einem Gegen-
stand von historischer Berühmtheit zu thun hatte, doch
erkannte er sofort, dass der eine Guirlande mit Rosen dar-
stellende, mit dem Wappen der Stadt verzierte Rahmen
einen nicht geringen Kunstwert haben müsse. Ein Kunst-
händler, dem er seinen Fund zeigte, bot ihm 50 Francs
dafür. Der Stadtrat erklärte, den Rahmen nicht unter
500 Francs fortzugeben. Dann kam ein anderer Händler,
der aus freien Stücken 1500 Francs zahlen wollte. Man
war noch nicht einig geworden, als ein Raritätenliebhaber
aus Avignon auf der Stelle 3000 Franks offerierte. Nun
mischte sich der Präfekt in die Angelegenheit und ordnete
die Versteigerung des vielbegehrten Rahmens an. Zwölf
Kauflustige erschienen, darunter drei Kunsthändler aus der
Hauptstadt. Derselbe Mann, der dem Ratsherrn zuerst
50 Francs geboten hatte, erstand das Wertobjekt für
5500 Francs. Noch am selben Tage verkaufte er den
Rahmen an den zu spät zur Auktion eingetroffenen Ver-
treter einer bekannten Pariser Kunstfirma für 10000 Francs.
-r-
Von einem bedenklichen Rückgang der hiesigen Bilder-
preise gab eine im Hotel Drouot stattfindende Versteige-
rung einer Brüsseler Gemäldesammlung Zeugnis. So
wurden für zwei Courbets, »Welle« und »Weg im Walde«,
beides treffliche Werke, statt der geforderten 8000 bezw.
2500 Frcs. nur 6250 und 950 Frcs., für Millet's Pastell
»Die Wassermühle«, statt 25000 nur 15000 Frcs. gezahlt.
Eine Eiche« von Rousseau, Motiv aus den Schluchten
von Apremont, Wetterstimmung, die einst 55 000 Frcs. ge-
kostet hatte, erzielte — 16500 Frcs., und ein »Sonnen-
untergang im Wald« von Rousseau brachte statt 10000
Frcs. 5000 Frcs. Auch die übrigen Preise waren ungeahnt
niedrig. Corot's »Karren und »Windstoss sollten 15000
bezw. 18000 Frcs. bringen, gingen aber für 12 100 bezw.
12000 Frcs. weg, und Fromentin's »Karawane erzielte
statt 3000 nur 1100 Frcs. Weiter wurde bezahlt für die
»Hirtin« von Ch. Jacque 5200 und die »Rückkehr der