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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 12.1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.5772#0190

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Sammlungen und Ausstellungen.

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der überhaupt in England bekannt ist. Gute Stücke aus
der Periode Jacobs l. sind schon zahlreicher vorhanden.

Viele Beispiele der Kleinkunst Spaniens, Portugals,
Frankreichs und Italiens sind zur Stelle. Die aus den
beiden erstgenannten Ländern stammenden Arbeiten sind
zwar sehr reich und prächtig ausgestattet, mitunter sogar
etwas überladen, aber in der Zeichnung stehen sie fast
immer hinter den italienischen und französischen Werken
zurück. Durch die Berührung jener Länder mit Indien
und seiner Kunst erscheint nach unserem Geschmack der
Stil der betreffenden Entwürfe ungünstig beeinflusst. Alle
Länder aber werden durch die Nürnberger Arbeit aus dem
15. Jahrhundert, den »Warwick-Pokal«, weit überragt. Am
oberen Rande zeigt das Kunstwerk karthagische und rö-
mische Reiter in Relief.

Das bedeutendste antik griechische Stück besteht in
einem kleinen, wunderbar schön erhaltenen Silberkrug,
der wahrscheinlich eine Opferspende war und aus dem
4. Jahrhundert v. Chr. stammt. Der Besitzer desselben ist
Mr. Cecil Smith vom British Museum. Man kann wohl
sagen, dies kleine, aber echt antik entworfene und klassisch
durchgeführte Werk verhält sich zu den grossen, pompös
und überladen gehaltenen Kirchengerätschaften, Kelchen
und Monstranzen Spaniens, wie die Epoche des Perikles
zu der Philipp II. Mr. Stanyforth beschickte die Aus-
stellung mit seiner Sammlung antiker Löffel, die die be-
rühmteste in England ist.

Wenn man ein Schlussfacit über die Ausstellung ziehen
will, so kann es nur lauten: Im ganzen und grossen haben
die englischen Gold- und Silberschmiede in ihren Juwelier-
arbeiten weder Cellini, Holbein und Nikolaus Schmidt in
Nürnberg, noch überhaupt die süddeutschen Meister in
Augsburg u. s. w. auch nur annähernd in ihrer Kunst,
d. h. weder im Entwurf, noch in der Ausführung, erreicht.
Im modernen Fach aber sind die Engländer von den Fran-
zosen überflügelt, eine Thatsache, die nur zu klar auf der
Pariser Ausstellung zum Ausdruck kam. v. Schleinitz.

London. Die Eröffnung einer neuen Kunstgalerie in
Whitechapel, dem verrufensten Teile Londons, kann als
einer der merkwürdigsten Versuche zur Hebung eines
Stadtteils und seiner Bevölkerung gelten. Ob vor der
Hand viel erreicht wird, stellt dahin, denn zum Verständnis
der Kunst gehört Erziehung dazu, also vor allem auch
Zeit. Aber selbst die besten Kenner Londons und der
Bevölkerung jenes Stadtteils bezweifeln, dass die edle und
wahrhaft humane Gesinnung des bekannten Philantropen
Passmore Edwards, der die Hauptsumme für die Er-
richtung des Kunstinstituts bewilligte, dazu beitragen
werde, die brutalen, täglich mit dem Gesetz in Konflikt
geratenden Individuen auf einen besseren moralischen
Standpunkt zu heben. Jedenfalls verdient die Absicht des
Spenders die höchste Anerkennung. Ausser Mr. Passmore
Edwards haben der Graf von Iveagh, Mr. E. Speyer und
Mr. Yarrow erhebliche Summen für das Unternehmen ver-
wandt. Ausserhalb des Gebäudes, an der Hauptfront, ist
nach den Entwürfen Walter Crane's ein Mosaik ange-
bracht, welches »die Sphäre und Botschaft der Kunst
illustrieren soll. In zwei grossen Sälen können 500 Bilder
untergebracht werden. In bestimmten, regelmässig wieder-
kehrenden Zeitabschnitten finden Ausstellungen statt. Die
Feierlichkeiten für die Eröffnung der ersten Ausstellung
in den neuen Räumen wurden durch Lord Rosebery ge-
leitet. Den Ehrenplatz unter den Gemälden erhielt ein
Porträt der Königin Viktoria von Angeli. Von sonstigen
Meistern waren Werke vorhanden von: Maddox Brown,
Watts, Leighton, Millais, Burne-Jones, Poynter, Leader
und Woodville. Neben dem Porträt der Königin hingen
die Bildnisse von Tennyson, Lord Roberts, Rudyard Kip-

ling und das des Kanonikus Barnett, der in Whitechapel
wohl die bekannteste Persönlichkeit sein dürfte, und der
1 nach Kräften dazu beiträgt, das allerdings dort thatsächlich
vorhandene Elend von unerhörter Ausdehnung zu mildern.
Unterstützt in seinen menschenfreundlichen Bestrebungen
wird der Genannte von .Mr. W. Lawson, Sir Samuel Mon-
tagu, Mr. P. Trelvar, Lady Lewis und Mr. Blyth, die sämt-
lich der Einweihungsceremonie beiwohnten.

v. Schleinitz.

Berlin. Vom 20. April an für vierzehn Tage ist im
Kunstsalon der Herren Cassirer eine höchst interessante
Gruppe älterer Kunstwerke zu sehen. Herr A. v. Becke-
rath stellt, zum finanziellen Vorteil eines gemeinnützigen
Vereins und gewiss vielen Kunstfreunden zu Dank, einen
Teil seiner unvergleichlich reichen Sammlung von Hand-
zeichnungen aus. Etwa 400 Blätter von niederländischen
Meistern, zumeist von holländischen Malern des 17. Jahr-
hunderts, vielfach in höchst reizvollen alten Rahmen
haben in den Räumen der Herren Cassirer Platz gefunden.
Mit etwa 50 Zeichnungen steht Rembrandt herrschend im
Mittelpunkt, Albert Cuijp, v. Goijen, Jacob van Ruisdael
1 und viele andere Hauptmeister schliessen sich glücklich
an mit ausgezeichneten Arbeiten. Die Ausstellung bietet
den Einblick in einen Bezirk, der weiteren Kreisen zumeist
verschlossen bleibt. — Wir werden auf die höchst bedeu-
tende Sammlung in Wort und Abbildung noch zurück-
zukommen.

Venedig. Am 21. April soll die hiesige Internationale
Kunstausstellung eröffnet werden. Die hiesigen Künstler
sehen mit der allergrössten Spannung dem Urteil der Jury
entgegen. Die Herren waren zuerst in ganz Italien herum-
gereist, um die ihnen vorgestellten Kunstwerke in den
Hauptcentren abzuurteilen. Das Resultat war für Palermo,
Neapel, Rom und auch Florenz höchst unerfreulich. Kaum
10 Prozent des Eingesandten wurde angenommen. Auch
die Piemontesen und Lombarden konnten sich keiner be-
sonderen Rücksichten rühmen. Angesichts des niederschmet-
ternden Resultates, welches, wie immer, viele Proteste
hervorrief, war man um so begieriger, welches Verhalten
die Aufnahmejury hier ihren eigenen Landsleuten gegen-
über einhalten werde.

Das Resultat war geradezu vernichtend. Unter 275
eingesandten Arbeiten wurden 43 angenommen. Unter
den Zurückgewiesenen sind Namen ersten Ranges. Sie
konnten sich vor Staunen sagen, ob es denn wirklich ein
Glück für die venezianischen Künstler ist, diese inter-
nationalen Ausstellungen ins Leben gerufen zu sehen,
welche alles, was an nationaler Eigenart noch in der
hiesigen Kunst steckte, völlig vernichtet, überflüssig ge-
macht haben, und einer allgemeinen kosmopolitischen
Kunst allein das Recht der Existenz einräumen. — Die
Jury bestand aus den Herren Tito, Fragiaccomo, Lauenti
als Maler, dem Bildhauer Trentacoste und dem Kunst-
gelehrten P. Levi. Mit Ausnahme des Sicilianers Trenta-
coste Venezianer. — Die Jury hat nun ihre Relation erlassen,
in welcher sie lang und breit mitteilt, nach welchen Grund-
sätzen sie vorgegangen sei, immer im Auge behaltend,
! streng nach dem ihr übergebenen Programm zu handeln.
Es ist trotzdem sehr schwer zu bezeichnen, nach welchen
Gesichtspunkten angenommen und zurückgewiesen wurde.
— Nach allem zu schliessen, müsste die Ausstellung nur
Kunstwerke ersten Ranges bieten. Das wird sich ja nach
der Eröffnung zeigen. Man spricht auch diesmal von einer
Sonderausstellung der Erbitterten, die wohl nicht zu stände
kommen dürfte.

Weit erfreulicher mag die Mitteilung klingen, dass der
Canale grande um einen überaus prächtigen gotischen Palast
reicher ist, eine wahre Zierde der Stadt Venedig. — Der
 
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