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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 12.1901

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391

Bücherschau.

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geben, dass Albrecht Dürer's schwer verständliche Kunst-
sprache kein endgültiges Hindernis für seine moderne Popu-
larität sein wird, und dass dieser so grosse Schatz für unser
Volk doch noch gehoben werden wird. In diesem Sinne
ist alles, was zur Verbreitung der Dürerkenntnis beitragen
kann, mit Freuden zu begrüssen.

So war es ein glücklicher Gedanke des Vereins für
Reformationsgeschichte, in seinen Schriften eine Abhand-
lung über Dürer zu publizieren. Als Verfasser wählte
man den Erlanger Bibliothekar und Professor M. Zucker,
weil er sich schon im Jahre 1886 in einer Schrift mit
Dürer's Stellung zur Reformation beschäftigt hatte. Das
Heft schliesst sich in der äusseren Ausstattung den von
Velhagen & Klasing herausgegebenen Künstlermono-
graphien an. Es ist auf solidester Grundlage gearbeitet,
mit vollkommener Beherrschung aller einschlägigen Litte-
ratur, die in zahlreichen Anmerkungen citiert wird und mit
welcher sich der Verfasser gelegentlich auseinandersetzt.
Auch der Forscher wird diese Schrift nicht übersehen
dürfen. Ein wenig ist es dem Verfasser so gegangen wie
dem besprochenen Meister während der grössten Zeit
seines Lebens. Er geht vom einzelnen aus und trägt
dieses zu einem Gesamtbilde zusammen, während jede
Künstlermonographie und vor allem eine populäre die
Hauptzüge des künstlerischen und menschlichen Charak-
ters zur Grundlage machen und sich daraus die Einzel-
heiten entwickeln lassen muss. Wir Deutschen haben zu
lange Zeit nur eine gelehrte Kunstlitteratur gehabt, in
welcher beim einzelnen philosophisch-kritisch vorgegangen
wurde, und bei welcher erst in einem Schlusskapitel die
Resultate der Einzelforschungen zusammengefasst werden.
Aus dieser Gewohnheit werden sich die Gelehrten nach
und nach befreien müssen, wenn sie für die Allgemeinheit
lesbare Bücher schreiben wollen.

Aber nicht nur der Kenntnis Dürer's, sondern der
Kenntnis der altdeutschen Kunst überhaupt ist eine grössere
Verbreitung zu wünschen. Als Hauptort derselben ist
schon lange Nürnberg in das Bewusstsein des Volkes ein-
gedrungen. Nürnberg wird alljährlich von vielen Hun-
derten aufgesucht, welche dort nichts weiter wollen, als
die Altertümer der Stadt kennen lernen. Trotz der mo-
dernen Erweiterungen giebt Nürnberg, abgesehen von
kleinen Städten wie z. B. Rothenburg ob der Tauber, noch
immer das geschlossenste Gesamtbild einer altdeutschen
Stadt. Keine andere Stadt hat eine künstlerische Ge-
schichte, welche so sehr als einheitlich Ganzes aus der
allgemeinen deutschen Kunstgeschichte herausgehoben
werden kann. Noch weniger wie an anderen Orten wird
man die einzelnen Erscheinungen verstehen, wenn man
nicht das Gesamtbild der Nürnberger Kunst und der Nürn-
berger Stadt vor Augen hat. Auch Dürer hängt aufs in-
nigste mit dem Lokalcharakter von Nürnberg zusammen,
wenn er die Kunst daraus auch zu einer allgemein deut-
schen Höhe erhoben hat. Drängt sich doch seine hohe
Gestalt mit dem edeln durchgeistigten Kopfe jedem in die
Erinnerung, der die Strassen Nürnbergs durchwandert.
Nicht ohne Ursache suchen die Fremden mit besonderer
Vorliebe das Haus auf, in welchem er gelebt und ge-
schaffen hat, weil die ganz persönliche Art seiner Kunst
begierig macht diese Stätte zu sehen. So ist denn Ree's
Buch über Nürnberg, das als Nr. 5 der im Verlage von
E. A. Seemann in Leipzig herausgegebenen Sammlung
»Berühmte Kunststätten« erschienen ist, in jeder Hinsicht
sehr willkommen. Man merkt es dem Buche an, dass der
Verfasser seit langer Zeit in Nürnberg lebt und die Alter-
tümer der Stadt mit seinem ganzen Herzen umfasst. Aus
der Fülle langjähriger Anschauung und gründlicher Kennt-
nis, aus der Beherrschung der umfangreichen Litteratur

ist das Buch geschrieben. Trotz der Masse des ver-
arbeiteten Stoffes ist es kein Mosaik von Notizen, sondern
ein zusammenhängendes Gemälde, das von warmer Em-
pfindung übergoldet ist. z.
F. X. Kraus. Geschichte der christlichen Kunst. Zweiter
Band: Die Kunst des Mittelalters, der Renaissance und
der Neuzeit. Zweite Abteilung: Renaissance und Neu-
zeit. Erste Hälfte. Mit 132 Abbildungen. Freiburg im
Breisgau. Herder'sche Verlagshandlung. 1900.

Unter zwei Gesichtspunkten durfte man dieser Ab-
teilung des durch seine früheren Abteilungen bereits so
vorteilhaft eingeführten Werkes von Kraus mit besonderer
Spannung entgegensehen. Einerseits weil darin das Zeit-
alter Giotto's behandelt wird, das nicht nur in künstle-
rischem, sondern auch in christlich-kirchlichem Sinne hoch-
bedeutend ist, andererseits weil diese Abteilung ferner
dem gelehrten und feinsinnigen katholischen Theologen
Gelegenheit gab, sich über seine Stellung zur Renaissance-
bewegung zu äussern.

Die Abteilung wird durch ein umfangreiches Kapitel
über »Begriff, Natur und konstitutive Elemente der Renais-
sance« eröffnet, welches die Renaissancebewegung nach

j den verschiedensten Seiten in ihrer kulturgeschichtlichen

! Bedeutung behandelt und ein vortreffliches Charakterbild
von dem geistigen Zustand jener Zeit entrollt. Bei der
Darstellung des giottesken Zeitalters entdeckt man mit

j Freuden ein besonderes Kapitel über die allegorische
Klosterkunst, entsprechend der Bestimmung des Buches

j als einer Geschiche der christlichen Kunst. Wie nach den
früheren Abteilungen nicht anders zu erwarten, werden

J durch die eingehenden theologischen Kenntnisse des Ver-
fassers in diesem und den die gleiche Zeit behandelnden
Kapiteln viele interessante Streiflichter auf die inhaltliche
Seite der Kunst geworfen.

Kraus behandelt diese Zeit in der Abteilung, welche
Renaissance und Neuzeit betitelt ist, und doch entscheidet
er sich nicht bestimmt dafür, die Pisaner Bildhauer und
Giotto in Burckhardt's und Thode's Sinne als den Anfang
der Renaissance zu nehmen, sondern gesteht auch der
andern Meinung, welche diese Epoche als die höchste
und feinste Blüte des Mittelalters ansieht, und welche auch
der Referent vertritt, Berechtigung zu. Er sagt ganz rich-
tig, dass der Umschwung vom Mittelalter zur Neuzeit
nicht in allen Zweigen des geistigen und sozialen Lebens
gleichzeitig erfolgt ist. Mag man nun das Zeitalter Dante's
und Giotto's zum Mittelalter rechnen oder als Protorenais-

! sance, nach Burckhardt's Ausdruck, beziehungsweise als
Prolog der Renaissance nach dem Ausdruck von Kraus, be-
trachten, jedenfalls muss mit dem Auftreten Brunellesco's,
Donatello's und Masaccio's ein scharfer Einschnitt gemacht
werden. Diesen Einschnitt hat Kraus jedoch möglichst
verwischt, obgleich grade bei seiner starken Betonung
des Inhaltlichen in der Kunst doppelte Veranlassung ge-
wesen wäre, die Grenzscheide kräftig zu markieren.

Was die Schätzung des Quattrocento anbelangt, so
steht unsere Zeit durchgängig auf dem Standpunkt Jakob
Burckhardt's, der darin eine mächtig sprossende Frühlings-
zeit des italienischen Volkes erblickt. Kraus ist durchaus
nicht engherzig; sagt er doch zum Schluss des einleitenden
Kapitels, dass die Erweiterung, welche der kirchliche Ge-
dankenkreis in dem Programm zur Ausmalung der Camera
della Segnatura empfangen hat, zu vergleichen sei mit dem
grossen Schritt, den das Paulinische Heidenchristentum that,
indem es die Gemeinde aus der Beschränktheit des juden-
christlichen Standpunktes herausführte, — eine Parallele, die
uns übrigens nicht ganz stichhaltig scheint — und nennt es
eine providentielle Fügung, dass diese Erweiterung und
Erhebung des Gesichtskreises fast genau zusammenfällt
 
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