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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 20.1909

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Nekrologe — Personalien

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hinaus, denen sich Büsten und Statuetten Friedrichs des
Großen anschlössen. Aber als er nun zur lebensgroßen
Figur und zur überlebensgroßen Denkmalsgestalt vor-
schreiten wollte, verlor er sich. Auf der einen Seife strebte
er zu einem übertriebenen, ans Virtuosenhafte grenzenden
Realismus, wie namentlich in seinem bekanntesten Werke,
dem sterbenden alten Fritz, dessen entkräfteter dürrer Leib
sich in den Kissen des Sessels zum letzten Male aufzu-
richten und vorzubeugen sucht. Es war die Arbeit, die
Magnussens Namen zuerst weiteren Kreisen vertraut machte.
Der alte Menzel interessierte sich dafür, machte den Kaiser
darauf aufmerksam — »Das müssen Ew. Majestät sehen«,
sagte er mit der charakteristischen entschiedenen Bewegung
des rechten Zeigefingers, gegen die es keinen Widerspruch
gab —, und in der Tat wurde das Marmorwerk von dem
Monarchen angekauft; es steht seitdem im Schlaf- und
Sterbezinimer Friedrichs des Großen in Sanssouci (besser
stände es an einem anderen Ort als gerade an dieser Stelle,
deren Weihe es durch seine Allzudeutlichkeit empfindlich
stört). Auf der anderen Seite aber machte Magnussen
den Versuch, vom realistischen Abbild zu monumentaler
Strenge aufzurücken. Doch diese Steigerung gelang ihm
nicht: er kam nur zu einer gewissen Starrheit, die mitunter
recht leer wirkt. So in seinen Bismarckdenkmälern: für
Kiel (1897), für Jever, für den Bismarckturm der Provinz
Schleswig-Holstein (auf dem Knivsberg in Nordschleswig).
Ferner in seinen Marmorstatuen Bismarcks, Moltkes und
Roons für die Görlitzer Ruhmeshalle (1901); in dem recht
unglücklichen Berliner Roondenkmal am Königsplatz (1904).
Besser geriet dem Künstler die Statue Kurfürst Joachims II.
in der Siegesallee (1900), die tatsächlich einen archaistisch-
monumentalen Zug erhielt, der sie von der Schablone
ihrer Genossen wohltuend abstechen läßt. Weitere Denk-
malsarbeiten Magnussens waren der Johann Honter (der
Reformator Siebenbürgens) für Kronstadt (1898), Kaiser
Wilhelm I. für Bonn, das Bronzestandbild der Fürstin
Maria von Jever (wiederum für die Stadt der »Getreuen«,
1900). Vor zwei Jahren komponierte er ein großes Denk-
mal der Naturwissenschaft, bei dem er Lionardo, Goethe,
Darwin und Haeckel um einen architektonischen Aufbau
vereinen wollte, vor dem die Figur der fackeltragenden
Wahrheit stehen sollte; allein das Werk brachte ihm bei
der Veröffentlichung des Modells in der Großen Berliner
Kunstausstellung nur Enttäuschungen. Auch ein Denkmal
Haeckels, das Magnussen zugedacht war, kam nicht zu-
stande. Zuletzt arbeitete er, außer an jener schon ge-
nannten Idealgruppe, an einem Bismarckdenkmal für Pots-
dam, einer Kolossalbüste des ersten Kanzlers. Der Ver-
storbene war ein Sohn des Malers Christian Karl Magnussen
(1821—96), der noch bei Couture in Paris gelernt und von
dort eine sehr solide und ehrliche malerische Schulung
mitgebracht hatte, die namentlich seiner feinen und treuen
Porträtkunst zugute kam. Er war erst in Hamburg, dann in
Schleswig tätig, wo er 1875, auch schon von bildhauerischen
Neigungen erfaßt, eine Schule für Holzschnitzerei begründete;
er war persönlich befreundet mit dem Augustenburger, dem
Vater der jetzigen Kaiserin, und vor Jahrzehnten ein Zeichen-
lehrer der Kaiserin Friedrich. Der Sohn selbst hat erst
vor kurzem seinem Vater in einem Aufsatz der Z. f. b. K. ein
Denkmal gesetzt. Harro, der am 14. Mai 1861 in Ham-
burg geboren war, wollte ursprünglich gleichfalls Maler
werden und nahm bei dem Alten den ersten Unterricht.
Auch in München, wo er seit 1882 an der Akademie, haupt-
sächlich unter Gysis, studierte, hielt er es noch mit der
Farbe. Erst sechs Jahre später sattelte er um, übersiedelte
nach Berlin (1888) und trat hier vor allein Reinhold Begas
nahe, in dessen Atelier er mehrere Jahre (bis 1893) arbei-
Jetef und dessen temperamentvoller Formauffassung er

nachstrebte. Der plötzliche Tod des begabten und sym-
pathischen Künstlers hat allgemeine Trauer erregt.

In Courbevoie ist Jules Jacquet, ein bekannter fran-
zösischer Graveur, im 60. Lebensjahre gestorben.

Der Salzburger Maler Professor Joseph Mayburger
ist im Alter von 95 Jahren in seinem Wohnsitz in Salzburg
gestorben.

X Am 4. November ist in seiner Vaterstadt Braun-
schweig der vortreffliche Zeichner und Karikaturist Rudolf
Wilke im jugendlichen Alter von 35 Jahren gestorben
(geboren ebendort am 27. Oktober 1873), einer der Besten
aus dem Kreise der kühnen und lustigen Spötter, den die
Zeit der »Jugend« und des »Simplizissimus« hervorgebracht
hat. In den Bänden dieser Zeitschriften ist Wilkes Lebens-
werk niedergelegt, ein kostbares groteskes Spiegelbild der
Welt, in souveränen, lachenden, nervösen Kritzelstrichen
hingesetzt, die in die herbsten Übertreibungen und Ver-
zerrungen die Beweglichkeit und Mannigfaltigkeit des
Lebens hinüberretten. Namentlich seine Proletarier sind
uns vertraut, Landstreicher, Pennbrüder und ähnliches Ge-
lichter, das sich zwischen Lattenzäunen und Müllhügeln
an der Peripherie der Großstädte herumtreibt und mit
annektierten Zigarrenstummeln, mit zerrissenen Stiefeln,
Röcken und Hosen oft in burleskem Stolz ein königliches
Betllertum zur Schau trägt. Sie sind mit unnachahmlicher
Lebendigkeit gezeichnet, in einer originellen, ganz freien,
leicht über die Papierfläche huschenden, zackigen Linien-
sprache, und mit höchst malerischem Sinn in eine charakte-
ristische landschaftliche Umgebung gestellt. Im Nu ist
alles erfaßt und festgehalten, und mit einem großartigen
Humor verbrämt. Wilke hat unter den Männern vom
Simplizissimus eine wichtigere Stellung eingenommen, als
im allgemeinen bekannt geworden ist, er hat auf seine
Genossen vielfach als Anreger gewirkt und wurde von
ihnen mit besonderer Liebe verehrt. Es ist kein zu hohes
Wort, wenn man sagt, daß Wilkes Zeichnungen zum Vor-
züglichsten gehören, was die moderne Griffelkunst, nicht
in Deutschland allein, hervorgebracht hat. Mit Besorgnis
hörte man schon seit geraumer Zeit, daß ein schweres
Leiden die Gesundheit des Künstlers untergrub, das ge-
rade in so jungen Jahren einen ernsten Verlauf zu nehmen
pflegt.

-f In seiner Vaterstadt Basel, wo er am 13. No-
vember 1835 geboren worden, starb am 29. Oktober der
Architekt Paul Reber. Er hat die Karlsruher Polytechnische
Schule besucht und sich dort vornehmlich den Ingenieur-
fächern gewidmet, dann aber sich der Architektur zu-
gewendet und im Kirchenbaufache seine Hauptaufgabe
gefunden. Eine lange Reihe schweizerischer städtischer
und Dorfkirchen, darunter die Marienkirche in Basel,
mehrere in der Stadt Zürich, eine in Schaffhausen, auch
zwei Kirchen im Badischen (Wehr und Waldshut), sind von
Reber geschaffen worden, der im evangelischen Kirchen-
bau auf Loslösung von manchen alten Traditionen hinzielte.
Anpassung seiner Bauten an die Landschaft ward ihm
nachgerühmt. Reber besaß auch ein dichterisches Talent.

In Lugano starb die Malerin Anna Boßhard, geb.
20. März 1875 in Zürich, Schülerin von Albert Gos (Genf)
und A. Barzaghi (Lugano), Mitarbeiterin des letzteren an
dessen Deckenmalereien im Wandelgang des neuen Bundes-
hauses in Bern und an Fresken in San Lorenzo (Lugano).
Sie malte Stilleben und figürliche Kompositionen.

PERSONALIEN

Der Maler Schulte im Hofe, erster Vorsitzender des
Vereins Berliner Künstler, wurde zum Professor ernannt.

Dr. Paul Reinecke, bisher Direktorial-Assistent am
Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz, wurde
 
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