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Ausstellungen
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eine Serie szenischer Entwürfe zu >Aglavaine und Sely-
sette«. Hof mann hatte sie für Max Reinhardt gemacht,
für die Aufführung des Maeterlinckschen Dramas im
Kammerschauspielhause des Deutschen Theaters. Aber es
ist bezeichnend für die Eigenart seiner Phantasie, daß er
sich an die Gesetze des Theaters gar nicht band. Die
Blätter wurden ihm unter der Hand zu kostbaren kleinen
Farbendichtungen,die sich durchaus nicht darum kümmerten,
was die Technik der Bühne berücksichtigen muß, so daß
Reinhardt nur einige Anregungen daraus entnehmen konnte.
Daneben aber leben Hofmanns Dekorationsskizzen ihr
eigenes Leben weiter. Schließlich gliedert sich noch eine
Zahl freier Einzelkompositionen an. Ihr Eindruck ist ein
außerordentlicher, und man stellt mit frohem Erkennen
fest, daß Ludwig von Hofmann eine Periode des Stagnie-
rens, die vor einigen Jahren in seinem Schaffen zu be-
merken war, wieder ganz souverän überwunden hat. Seit
langem sind die schimmernden Bilder einer idealen Schön-
heitswelt seinen Händen nicht so mühelos entquollen.
Die Brandung schäumt auf, und der Meerwind bauscht
wieder wie ehemals die flatternden bunten Gewänder der
schlanken Mädchen und Jünglinge. Goldene Sonne rieselt
durch die blinkenden Kronen sommerlicher Bäume. Pan-
ther schleichen heran und reiben ihre gleißenden Leiber
an der Samthaut nackter Schönen; zwischen weißen Frauen-
körpern tummeln sich edle schwarze Pferde (ein besonders
schönes Blatt); und in den bläulichen Schatten und gelben
Lichtern der Dämmerung jagen tolle Mänaden über den
Wiesenteppich.
Zugleich hängt bei Gurlitt eine Kollektion von Werken
der klassischen französischen Landschaft des neunzehnten
Jahrhunderts. Ein paar Corots führen, darunter an erster
Stelle ein Bild »Le vieux pont de Mantes«, eine Symphonie
aus weichen blonden Tönen. Unter den Daubignys ragt
ein großes Sommerbild hervor, das die Architektur des
Grün in einem zauberhaften blühenden Obstgarten mit
vollendeter Kunst vorträgt, daneben eine Abendstimmung
von tiefen, sanften Farbenklängen. Von Diaz sieht man
ein sehr schönes Waldbild (»La mare sous bois«) und noch
zwei Stücke. Auch Decamps und Dupre, Troyon (vorzüg-
lich: »Le troupeau sur les dunes«) und Jacque, Monticelli
undHarpignies, Jongkind, Millet (»La famille du laboureur«,
auffallend lebhaft in der Farbe) und sogar Delacroix (mit
einem Araber) sind vertreten.
Im Künstlerhause herrscht zurzeit Richard Müller aus
Dresden mit einer großen Kollektion. Daß er von Hause
aus nicht eigentlich ein Mann des farbigen Ausdrucks ist,
wissen wir längst. Trotzdem ist es interessant, einmal
eine größere Reihe seiner Bilder nebeneinander zu sehen und
zu verfolgen, wie ein Talent, das ganz und gar von linearen
Vorstellungen ausgeht und zeichnerisch empfindet, Ein-
drücke der Wirklichkeit mit Pinsel und Palette wiederzu-
geben sich müht. Bei rein malerischen Motiven, wie etwa
dem Blick auf eine Ruine, den wir jetzt hier haben, muß
Müllers Eigenart natürlich versagen; bei einem Interieur,
wie seinem bekannten Atelierbilde, wo alles auf toniges
Zusammenfassen ankommt, zerfällt ihm die Komposition
in lauter einzelne, sorgsam ausgeführte Teile. Eine große
Allegorie »Die Nacht« ist nur als ein unklar und ver-
schwommen geratener Versuch zu bezeichnen. Aber bei
den Figuren und Köpfen steht es anders. Wenn Richard
Müller den ausgestreckten Leichnam eines toten Christus
oder eine David- und Goliathgruppe malt, so entwickelt
er eine so fabelhafte Kunst der Detailschilderung, daß
trotz der ängstlichen Nachbildung jeder Falte, jedes Här-
chens und jedes Gesichtszuges ein eigentümlicher Eindruck
herauskommt, der fesselt. Anderes wirkt dann wieder
ganz starr und hart, wie das Porträt eines fanatischen
Mönchs, oder der Kopf eines verwitterten alten Mannes,
oder die Bilder eines Hundes, einer Ziege, wobei die
peinliche Akkuratesse nur äußerlich-rohe Effekte ergibt.
Außerordentlich aber ist Müller wieder als Zeichner ver-
treten. Für das Phantastische ist seine Liniensprache zwar
auch hier noch zu sehr gebunden, doch er erreicht mit
den wilden Alpdruckträumen, die er mit seiner fanatischen
Genauigkeit festzuhalten sucht, doch eine seltsame, gleich-
sam ornamentale Wirkung. Vorzüglich aber ist er bei
einfachen realistischen Vorwürfen, wenn ihn auch sein
akademisch-spitzer, im eigentlichen Sinne »nicht geistreicher«
Strich verhindert, etwas Ausdrucksvolles über die Dinge zu
sagen, die er schildert: er gibt sie nur so, wie sie eben
sind. Indessen das ist auch etwas, und seine Zeichnungen
einer verhungerten Katze, deren ausgedörrter Balg in der
Dresdener Akademie zwischen zwei Schränken gefunden
wurde, einer toten Maus, die von Würmern angenagt wird,
oder das Atelier des Dresdener Präparators Schwarze, in
dem gerade eine Löwenhaut zum Ausstopfen zurecht ge-
macht wird, eine Ritterrüstung (die von fern an Menzel
erinnert), ein Porträtkopf (Ismael Gentz), vor allem aber die
ausgezeichnete Pappelallee in der Ebene mit denTelegraphen-
stangen zur Seite (ein Blatt, das offenbar von Max Klingers
ähnlichem Motiv in den »Radierten Skizzen« beeinflußt ist)
haben große Qualitäten. Noch höher stehen Müllers Ra-
dierungen: die Boote am Flußufer, das Kornfeld in der.
Erntezeit mit den Garben und besonders der große Hahn.
Denn hier ist endlich die ängstliche Sauberkeit überwunden
und eine freie Schwarz-Weiß-Sprache hilft dazu, an Stelle
einer sklavischen Nachbildung der Natur eine wahrhaft
künstlerische Auswahl der entscheidenden Züge zu geben
(»Zeichnen ist Fortlassen«, sagte Max Liebermann).
Von den übrigen Dingen, die gegenwärtig im Künstler-
hause hängen, seien nur einige hervorgehoben. Unter
den Arbeiten von G. Ad. Cloß fällt eine kleine Studie
»Herbstwind« auf, eine trübe Landschaft mit einem Reiter,
dem der Sturm den Mantel aufbläst. Frisch und sonnig
sind zwei Bilder von Philipp Panzer, in denen kleine
Mädchen in Feld und Heide auftreten. Eugen Kampf,
der Düsseldorfer, ist durch eine kräftig und pastos ge-
malte Landschaft mit weißen Wolkenballen am Himmel
vertreten. Albin Egger-Lienz hat sein großes dekorativ
behandeltes Bild »Der Totentanz von Anno Neun« mit
den Meunier-Laermans-Hodlerischen Tiroler Bauern ge-
schickt, die ein grinsendes Gerippe dem Feind entgegen-
führt. Anderes von Kayser-Eichberg, Eschke, Wilhelm
Wrage, E. Massau sei kurz notiert.
In einem kleineren Saal des Künstlerhauses hat der
»Verein der Kunstfreunde im preußischen Staate« seine
diesjährigen Gewinne ausgestellt, unter denen Bilder von
Osk. Frenzel, O. H. Engel (»Stiller Septemberabend«, Blick
auf eine weite Wasserfläche), Wilhelm Hambuchen
(»Holländischer Strand«), Karl Wendel (»Ein Maiabend«)
und eine Zeichnung von Wilhelm Busch die Losbesitzer
besonders reizen mögen.
Eine amüsante Ausstellung von Trachtengruppen und
plastischen Karikaturen hat das Hohenzollern-Kunstgewerbe-
haus den großen und kleinen Kindern Berlins zur Weih-
nachtszeit beschert. Eine ungemein lustige und drollige
Welt! Zunächst eine riesige Puppenansammlung. Histori-
sches und Modernes von künstlerischem Charakter. Alte
italienische Krippenfiguren aus dem Besitz zweier deutscher
Sammler (ein Teil davon gehörte einst dem letzten König
beider Sizilien), meist Terrakotten in italienischen Volks-
trachten, mit venezianischen Glasaugen; dazu Ungarisches,
Russisches, Japanisches, Mexikanisches, Ägyptisches und
sogar eine Negergruppe aus Tanamaribo; weiter Rokoko-
und Biedermeierstücke, Teewärmer aus der Nymphenburger
Ausstellungen
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eine Serie szenischer Entwürfe zu >Aglavaine und Sely-
sette«. Hof mann hatte sie für Max Reinhardt gemacht,
für die Aufführung des Maeterlinckschen Dramas im
Kammerschauspielhause des Deutschen Theaters. Aber es
ist bezeichnend für die Eigenart seiner Phantasie, daß er
sich an die Gesetze des Theaters gar nicht band. Die
Blätter wurden ihm unter der Hand zu kostbaren kleinen
Farbendichtungen,die sich durchaus nicht darum kümmerten,
was die Technik der Bühne berücksichtigen muß, so daß
Reinhardt nur einige Anregungen daraus entnehmen konnte.
Daneben aber leben Hofmanns Dekorationsskizzen ihr
eigenes Leben weiter. Schließlich gliedert sich noch eine
Zahl freier Einzelkompositionen an. Ihr Eindruck ist ein
außerordentlicher, und man stellt mit frohem Erkennen
fest, daß Ludwig von Hofmann eine Periode des Stagnie-
rens, die vor einigen Jahren in seinem Schaffen zu be-
merken war, wieder ganz souverän überwunden hat. Seit
langem sind die schimmernden Bilder einer idealen Schön-
heitswelt seinen Händen nicht so mühelos entquollen.
Die Brandung schäumt auf, und der Meerwind bauscht
wieder wie ehemals die flatternden bunten Gewänder der
schlanken Mädchen und Jünglinge. Goldene Sonne rieselt
durch die blinkenden Kronen sommerlicher Bäume. Pan-
ther schleichen heran und reiben ihre gleißenden Leiber
an der Samthaut nackter Schönen; zwischen weißen Frauen-
körpern tummeln sich edle schwarze Pferde (ein besonders
schönes Blatt); und in den bläulichen Schatten und gelben
Lichtern der Dämmerung jagen tolle Mänaden über den
Wiesenteppich.
Zugleich hängt bei Gurlitt eine Kollektion von Werken
der klassischen französischen Landschaft des neunzehnten
Jahrhunderts. Ein paar Corots führen, darunter an erster
Stelle ein Bild »Le vieux pont de Mantes«, eine Symphonie
aus weichen blonden Tönen. Unter den Daubignys ragt
ein großes Sommerbild hervor, das die Architektur des
Grün in einem zauberhaften blühenden Obstgarten mit
vollendeter Kunst vorträgt, daneben eine Abendstimmung
von tiefen, sanften Farbenklängen. Von Diaz sieht man
ein sehr schönes Waldbild (»La mare sous bois«) und noch
zwei Stücke. Auch Decamps und Dupre, Troyon (vorzüg-
lich: »Le troupeau sur les dunes«) und Jacque, Monticelli
undHarpignies, Jongkind, Millet (»La famille du laboureur«,
auffallend lebhaft in der Farbe) und sogar Delacroix (mit
einem Araber) sind vertreten.
Im Künstlerhause herrscht zurzeit Richard Müller aus
Dresden mit einer großen Kollektion. Daß er von Hause
aus nicht eigentlich ein Mann des farbigen Ausdrucks ist,
wissen wir längst. Trotzdem ist es interessant, einmal
eine größere Reihe seiner Bilder nebeneinander zu sehen und
zu verfolgen, wie ein Talent, das ganz und gar von linearen
Vorstellungen ausgeht und zeichnerisch empfindet, Ein-
drücke der Wirklichkeit mit Pinsel und Palette wiederzu-
geben sich müht. Bei rein malerischen Motiven, wie etwa
dem Blick auf eine Ruine, den wir jetzt hier haben, muß
Müllers Eigenart natürlich versagen; bei einem Interieur,
wie seinem bekannten Atelierbilde, wo alles auf toniges
Zusammenfassen ankommt, zerfällt ihm die Komposition
in lauter einzelne, sorgsam ausgeführte Teile. Eine große
Allegorie »Die Nacht« ist nur als ein unklar und ver-
schwommen geratener Versuch zu bezeichnen. Aber bei
den Figuren und Köpfen steht es anders. Wenn Richard
Müller den ausgestreckten Leichnam eines toten Christus
oder eine David- und Goliathgruppe malt, so entwickelt
er eine so fabelhafte Kunst der Detailschilderung, daß
trotz der ängstlichen Nachbildung jeder Falte, jedes Här-
chens und jedes Gesichtszuges ein eigentümlicher Eindruck
herauskommt, der fesselt. Anderes wirkt dann wieder
ganz starr und hart, wie das Porträt eines fanatischen
Mönchs, oder der Kopf eines verwitterten alten Mannes,
oder die Bilder eines Hundes, einer Ziege, wobei die
peinliche Akkuratesse nur äußerlich-rohe Effekte ergibt.
Außerordentlich aber ist Müller wieder als Zeichner ver-
treten. Für das Phantastische ist seine Liniensprache zwar
auch hier noch zu sehr gebunden, doch er erreicht mit
den wilden Alpdruckträumen, die er mit seiner fanatischen
Genauigkeit festzuhalten sucht, doch eine seltsame, gleich-
sam ornamentale Wirkung. Vorzüglich aber ist er bei
einfachen realistischen Vorwürfen, wenn ihn auch sein
akademisch-spitzer, im eigentlichen Sinne »nicht geistreicher«
Strich verhindert, etwas Ausdrucksvolles über die Dinge zu
sagen, die er schildert: er gibt sie nur so, wie sie eben
sind. Indessen das ist auch etwas, und seine Zeichnungen
einer verhungerten Katze, deren ausgedörrter Balg in der
Dresdener Akademie zwischen zwei Schränken gefunden
wurde, einer toten Maus, die von Würmern angenagt wird,
oder das Atelier des Dresdener Präparators Schwarze, in
dem gerade eine Löwenhaut zum Ausstopfen zurecht ge-
macht wird, eine Ritterrüstung (die von fern an Menzel
erinnert), ein Porträtkopf (Ismael Gentz), vor allem aber die
ausgezeichnete Pappelallee in der Ebene mit denTelegraphen-
stangen zur Seite (ein Blatt, das offenbar von Max Klingers
ähnlichem Motiv in den »Radierten Skizzen« beeinflußt ist)
haben große Qualitäten. Noch höher stehen Müllers Ra-
dierungen: die Boote am Flußufer, das Kornfeld in der.
Erntezeit mit den Garben und besonders der große Hahn.
Denn hier ist endlich die ängstliche Sauberkeit überwunden
und eine freie Schwarz-Weiß-Sprache hilft dazu, an Stelle
einer sklavischen Nachbildung der Natur eine wahrhaft
künstlerische Auswahl der entscheidenden Züge zu geben
(»Zeichnen ist Fortlassen«, sagte Max Liebermann).
Von den übrigen Dingen, die gegenwärtig im Künstler-
hause hängen, seien nur einige hervorgehoben. Unter
den Arbeiten von G. Ad. Cloß fällt eine kleine Studie
»Herbstwind« auf, eine trübe Landschaft mit einem Reiter,
dem der Sturm den Mantel aufbläst. Frisch und sonnig
sind zwei Bilder von Philipp Panzer, in denen kleine
Mädchen in Feld und Heide auftreten. Eugen Kampf,
der Düsseldorfer, ist durch eine kräftig und pastos ge-
malte Landschaft mit weißen Wolkenballen am Himmel
vertreten. Albin Egger-Lienz hat sein großes dekorativ
behandeltes Bild »Der Totentanz von Anno Neun« mit
den Meunier-Laermans-Hodlerischen Tiroler Bauern ge-
schickt, die ein grinsendes Gerippe dem Feind entgegen-
führt. Anderes von Kayser-Eichberg, Eschke, Wilhelm
Wrage, E. Massau sei kurz notiert.
In einem kleineren Saal des Künstlerhauses hat der
»Verein der Kunstfreunde im preußischen Staate« seine
diesjährigen Gewinne ausgestellt, unter denen Bilder von
Osk. Frenzel, O. H. Engel (»Stiller Septemberabend«, Blick
auf eine weite Wasserfläche), Wilhelm Hambuchen
(»Holländischer Strand«), Karl Wendel (»Ein Maiabend«)
und eine Zeichnung von Wilhelm Busch die Losbesitzer
besonders reizen mögen.
Eine amüsante Ausstellung von Trachtengruppen und
plastischen Karikaturen hat das Hohenzollern-Kunstgewerbe-
haus den großen und kleinen Kindern Berlins zur Weih-
nachtszeit beschert. Eine ungemein lustige und drollige
Welt! Zunächst eine riesige Puppenansammlung. Histori-
sches und Modernes von künstlerischem Charakter. Alte
italienische Krippenfiguren aus dem Besitz zweier deutscher
Sammler (ein Teil davon gehörte einst dem letzten König
beider Sizilien), meist Terrakotten in italienischen Volks-
trachten, mit venezianischen Glasaugen; dazu Ungarisches,
Russisches, Japanisches, Mexikanisches, Ägyptisches und
sogar eine Negergruppe aus Tanamaribo; weiter Rokoko-
und Biedermeierstücke, Teewärmer aus der Nymphenburger