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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 20.1909

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Literatur

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Die Urkundenbelege, wie auch die eingehenderen tech-
nischen und polemischen Erörterungen hat Frey von dem
Texte seines Buches abgesondert in einem begleitenden
Bande von »Quellen und Forschungen zum Leben Michel-
agniolos Buonarotti« vereinigt. Dies war ein lobenswerter
Oedanke, denn der Text ist dadurch fließender geworden,
während diejenigen, die seinen Ausführungen auf den
Grund gehen wollen, ebenfalls zufriedengestellt werden.
Ich möchte nur auf die ausführlichen Auszüge aus den
Ricordi Lorenzos und Pieros Magnifici und die Abschnitte
über die Medicäischen Wohnungen und den Herkules der
Casa Strozzi, die mir überaus wertvoll erscheinen, auf-
merksam machen. — Ausführliche Register sind beiden
Abteilungen beigefügt, und ich möchte diese Besprechung
mit dem Wunsche schließen, die Fortsetzung des Werkes
möglichst bald vor uns haben zu können.

Morton H. Bernath.

Neue ostasiatische Kunstliteratur.

1. Oaston Migeon (Au Japon. Promenade aux Sanc-
tuaires de l'Art. Paris, 1908. Hachette) macht Spazier-
gänge in Japan. Alle die Stätten des fernen Inselreiches,
die dem kunstfreudigen Reisenden etwas zu bieten vermögen,
besucht der Verfasser. Schon jetzt sind das Rom, das
Florenz, das Pisa, Siena und Assisi von Japan nicht mehr
zu verfehlen. Schon jetzt stillen viele Amerikaner ihre
Kunstsehnsucht in Japan statt in Italien. Migeon wandert
von Tokyo nach Nikko und Kamakura, von Kyoto nach
Nara, zum Horyuji und zu den Klöstern des Koyasan.
Er beschränkt sich auf Beschreibungen, holt wenig aus und
bemüht sich nur wenig um große Zusammenhänge und
Signifikanz. Meyers »Weltreise« und gar Murrays »Japan«
geben ebensoviel und mehr — natürlich abgesehen von
dem graziösen Stile des Franzosen. Immerhin stellt sich
der Verfasser nicht nur auf die Kunst der letzten drei
Jahrhunderte ein; er kennt auch die Meister aus Japans
blühendem Mittelalter und Altertum. Bei Natureindrücken
schweifen seine Gedanken allerdings noch ausschließlich
zu Hiroshige. Nur der, der sich schon eine gewisse An-
schauung von japanischer Kultur erworben hat, wird Mi-
geons Kunstschilderungen mit einigem Genuß folgen. Viel
allgemeineres Interesse dürften seine Naturbilder und die Ab-
schnitte überTheater und Teezeremonie finden 68 gutekleine
Abbildungen illustrieren das sonst dürftig ausgestattete Buch.

2. Oskar Münsterberg (Japans Kunst. Braunschweig,
1908. Westermann) gibt einen Auszug aus seiner drei-
bändigen Kunstgeschichte. Auf hundert Seiten wird die
gesamte japanische Kunst vorgetragen. Die Worte sind
mehr als begleitender Text zu den 161 Abbildungen und
8 Tafeln gedacht. Nicht nur Malerei, Holzschnitt, Plastik,
Lackkunst und Keramik, auch Waffen, Kleidung, Schwert-
zieraten und Gärten werden behandelt. Die Einteilung
ist eine andere als in dem Hauptwerk. Sie ist historisch
und basiert auf den feststehenden charakteristischen Ge-
schichtsperioden Japans. Aber nicht nur diese zieht der
Autor heran; auch die noch so unklare vor- und halb-
historische Zeit läßt er trotz des geringen Umfanges seines
Buches nicht unberücksichtigt. Das ist vielleicht ein zu
schwerer Ballast für den Laien, an den Münsterberg sich
hier wendet. Sonst ist das Werkchen allen denen, die
einen raschen Überblick über die japanische Kultur ge-
winnen wollen, wohl zu empfehlen. Zudem ist es sehr
preiswert.

3. De la Mazeliere (Le Japon. Histoire et Civilisation.
Paris, 1907. Plön) hat die ersten drei Bände seines Werkes
über Japan erscheinen lassen. Zwei Bände stehen noch
aus, die der Periode Meiji (seit 1867) gewidmet sein sollen.
Der Verfasser bringt die denkbar weitesten Gesichtspunkte.
Er zeichnet ein ganzes Geschichtssystem, nicht unähnlich

dem Breysigschen Stufenbau. Die Zusammenhänge Japans
mit Indien und China — ja mit dem gesamten Westasien
werden beleuchtet. Kein Kulturzweig bleibt dem Verfasser
fremd. Seine Vielseitigkeit wirkt überraschend. Und immer
wird den letzten Wurzeln nachgespürt. Ob aber Mazelieres
Resultate im allgemeinen wissenschaftlicher Prüfung stand-
halten können, ist erst zu entscheiden, wenn Nachods
streng kritische Geschichte Japans vollständig vorliegt.
Was der Verfasser über bildende Kunst schreibt, ist jeden-
falls nicht auf der Höhe. Von durchaus bestimmenden
Kunstperioden wird ein nur unvollkommenes Bild entworfen.
Veraltete Angaben werden kritiklos wiederholt. Um nur
ein Beispiel zu nennen: dem Verfasser ist Tosa Mitsunobu
(1434—1525) der Hauptmeister der Yamatoschulen. Mitsu-
nobu bedeutet aber schon die Dekadenz dieser bedeut-
samsten Malerschulen Japans, die in Toba Sojo, Mitsunaga,
Keion und Nobuzane im 12. und 13. Jahrhundert ihre kraft-
vollsten Vertreter haben.

4. Unter den genannten »Neuerscheinungen bereichert
Laurence Binyons »Paintingin the far East« (London 1908.
Arnold) am meisten unsere Kenntnisse von asiatischer
Kunst. Die neuesten Funde, Reproduktionswerke und die
neueste Literatur sind hier verwertet. Der Untertitel des
Werkes besagt, daß der Autor sich speziell Chinas und
Japans annimmt. In der Tat ist das, was wir über eine
vorbuddhistische Kunst, über die Höhlenmalereien von Ajanta
und Sigiri, über die Funde von Khotan und Turfan, über
tibetische und persische Malerei erfahren, nur dürftig und
leider ohne jegliches Abbildungsmaterial. Im ersten Ka-
pitel vergleicht Binyon östliche und europäische Malerei.
Er differenziert schon viel mehr, als man es bisher gewohnt
war. Er weist auf die ausgedehntere Herrschaft der ästhe-
tischen Negation in der asiatischen Kunst hin, um einen
Ausdruck von Lipps zu gebrauchen. Er betont, daß in der
Malerei des Ostens wissenschaftliche Bestrebungen (Optik,
Anatomie, Perspektive, photographische Ähnlichkeit) nie-
mals so recht Eingang gefunden haben — wenigstens
nicht als Selbstzweck. Die näheren Analysen des Ab-
schnittes gelten aber doch hauptsächlich für die wunderbare
chinesische Sungmalerei und die von ihr abhängigen ja-
panischen Schöpfungen der Ashikagazeit — und nur sehr
bedingt für altbuddhistische Werke, für Yamatoemakimonos
und für die Korinkunst. Zudem verfällt Binyon in den
Fehler aller Asien-Enthusiasten, nun europäische Kunst an
der asiatischen Kunst messen und die europäische belehren
zu wollen. Das ist aber nicht am Platze. Jegliche Kunst
hat ihr eigenes Wollen und Sollen und kann nur immanent
beurteilt werden. Dagegen ist es wohl möglich, für jeden
chinesischen und japanischen Stil die parallele Kunststufe
Europas festzustellen. Das dürfte auch für das Verständnis
viel fruchtbarer sein. — Das dritte bis sechste Kapitel be-
schäftigt sich mit der chinesischen Malerei vor der Sung-
dynastie. Aus dieser Zeit sind nur wenige Werke bekannt.
Bis zum siebenten Jahrhundert eigentlich nichts weiter als
die grandiose Bildrolle von Ku K'ai-chih im britischen
Museum. Binyon beschreibt sie sorgfältig. Nach Adolf
Fischer sollen sich aber noch andere so alte Stücke in
chinesischem Besitz befinden. Welche Resultate für die
Weltkunstgeschichte sind zu erwarten, wenn diese Pro-
duktionen einmal ebenso ediert sein werden wie die japa-
nischen Altertümer. Der der ältesten japanischen Malerei ge-
widmete Abschnitt ist sehr dürftig und unzusammenhängend.
Ganz oberflächlich wird die sehr wichtige Ähnlichkeit der
Fresken von Ajanta mit denen des Horyuji in Japan ge-
streift. Der rätselhafte Tamamushi-Schrein wird sogar nur
in einer Anmerkung abgefertigt. Die Kamakuraperiode
und damit die Yamatomalerei stellt der Verfasser, scheint
I mir, nächst der Sungkunst am ausführlichsten dar. Hier
 
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