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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 20.1909

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Literatur

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Altare aus Heiligkreuztal stammen, schreibt St. dem Maler,
der um 1457 in Multschers Werkstatt gearbeitet hat, zu.
Die Arbeiten dieses Meisters werden mit niederländischen
Kompositionen verglichen, z. B. mit dem kleinen Marientod
der Londoner National Gallery, der hier (wie so oft) irrtüm-
lich mit dem Flemalle- Meister zusammengebracht wird.
St. macht wahrscheinlich, daß der Maler von Sterzing um
1450 in den Niederlanden gewesen sei. Die Tafeln mit
je drei Heiligen in Stuttgart werden als spätere Arbeiten
seiner Hand angenommen. Dem Schleißheimer Schmerzens-
mann von 1457 wird mit scharfer Kritik hart zugesetzt, die
Dreifaltigkeit in der Sakristei des Ulmer Münsters ganz
beiseite gestellt.

Nicht minder skeptisch betrachtet St. die Bildwerke,
die in neuerer Zeit mit dem Ulmer Meister in Verbindung
gebracht worden sind. Außer dem Palmesel in Wetten-
hausen, dem eine urkundliche Beglaubigung zugute kommt,
nimmt er nichts an, weder den Palmesel im Museum zu
Ulm, den er seinem Pseudo-Multscher, dem ersten Mit-
arbeiter an den Sterzinger Figuren, gibt, noch die Madonna
von Landsberg (abgeb. im Jahrb. d. pr. Ksts. XXVIII zu
S. 40).

Die beiden weiblichen Heiligen, die Frl. Dr. Schuette
im Jahrbuch (1. c.) bekannt gemacht und als Teile des
Altars von Heiligkreuztal bestimmt hat, scheint der Verf
nicht zu kennen. Sein Urteil auch darüber zu hören, wäre
interessant.

Anhangsweise wird nach all dieser Zerteilung und auf-
lösenden Kritik in einem Kapitel über Jörg Syrlin die Ver-
mutung vorgetragen, der Pseudo-Multscher, also der tüch-
tige Schüler und Helfer Multschers an den Bildwerken in
Sterzing, sei Jörg Syrlin. Die gesicherten Arbeiten des
jüngeren Meisters in Ulm werden mit den Sterzinger Ar-
beiten in Verbindung gebracht.

Schließlich ist von Herlin und Schüchlin die Rede.
Das Fränkische in der Art der beiden Meister wird betont
und dem Zusammenhang mit den Niederlanden Aufmerk-
samkeit gewidmet.

Von der schwäbischen Malkunst vor Zeitblom bleibt
freilich so gut wie nichts übrig, da Multscher der baye-
rischen Alpenkunst genähert, Herlin und Schüchlin mit
Franken in Verbindung gebracht, und die Anregungen von
den Niederlanden her so hoch bewertet werden.

Da ich keine Gelegenheit hatte, die erstaunlich scharf
scheidenden Beobachtungen des Verf. in Sterzing nachzu-
prüfen, begnüge ich mich mit dem Berichte. Früher ge-
bildete Urteile diesen Ausführungen einfach entgegenzu-
stellen, scheint hier nicht erlaubt zu sein.

Eine Kritik der Stadlerschen Resultate ist übrigens
schon erschienen — als Nachtrag in dem Werke von Marie
Schuette über den schwäbischen Schnitzaltar (91. Heft der
Heitzschen Studien zur deutschen Kunstgeschichte). Dieses
Buch bringt überraschend viel neues Material,.auch für die
Kunststufe Hans Multschers. Friedländer.
Manuel d'archeologie prehistorique celtique et gallo-
romaine, par Joseph Dechelette. I. Archeologie pre-
historique. Paris Librairie Alphonse Picard et fils. 1908.
XIII und 747 Seiten. 249 Abbildungen im Text.

Frankreich besitzt zweifellos die geeignetsten Gelehrten,
um die Prähistorie systematisch darzustellen. Nur eine
Nation ist durch einen einzigen Vertreter noch berufen,
Frankreich sich an die Seite zu stellen, das ist Schweden
durch die überragende Autorität von Montelius, dessen
»Kulturgeschichte Schwedens« (Leipzig, E. A. Seemann,
1906) für die Stein- und Bronzezeit ein Standarwerk ist
trotz seiner Kürze, und das, bei der ganz Europa treffenden
Typik dieser Kulturperioden für die allgemeine Vorgeschichte,
in seinem Heimatland und dem nächstliegenden Deutsch-

land ebenso benützt werden kann, wie in Frankreich oder
Italien. Ebenso erfüllt das uns vorliegende Werk von
Dechelette im höchsten Maße den Zweck, auch außerhalb
Frankreichs als Lehr- und Nachschlagebuch der Prähistorie
zu dienen; und es wird durch seine gediegene Ausführlich-
keit, mit der die einzelnen Materien darin behandelt sind,
und seine Register (die leider bei Montelius fehlen) ein
unentbehrliches Hilfsmittel für die Vorgeschichte und ihre
Schwesterwissenschaften, Archäologie und Anthropologie,
sein. Sind die Franzosen durch ihre seit Jahrzehnten der
Prähistorie zugewandten Studien, wie sie denn auch diese
Wissenschaft mit ihrer Nomenklatur versorgt haben — nach
Chelles in Seine-et-Marne, St. Acheul bei Amiens, Moustier
in der Dordogne, Aurignac, Solutre und La Madeleine —
und dadurch, daß das College de France jetzt einen Lehr-
stuhl für Prähistorie besitzt, während schon seit Jahren
Separatkurse für diese historische Wissenschaft abgehalten
wurden, sind die Franzosen besonders dazu berufen, die
bisherigen Kenntnisse über jene fernen Perioden zusammen-
zufassen, so ist es speziell der Verfasser des Manuel d'ar-
cheologie prehistorique in hervorragendstem Maße. Neben
dem Deutschen Dragendorff ist er der beste Kenner der
römischen Töpfereien in Zentraleuropa, wie überhaupt der
römischen Provinzialkunst, und er hat maßgebende Arbeiten
darüber und über die gallische Stadt Bibracte (Mont Beuvray)
veröffentlicht; und wer die Antiquites nationales Frankreichs
verfolgt, die z. B. in der zu Bordeaux erscheinenden Revue
des etudes anciennes eine Stätte gefunden haben, der wird
dem Namen Joseph Dechelette für die an Altertümern so
reiche französische LaTene-Periode am häufigsten begegnen,
neben dem für seine »Histoire de la Gaule« jetzt mit dem
Prix Gobert bedachten Camille Jullian, dem Abbe Breuil,
Cartailhac und neben Salomon Reinach, der als Konservator
des Nationalmuseums von St. Germain ebenso auf die
prähistorischen Studien hingewiesen ist, wie Dechelette
selbst, der Konservator des Museums von Roanne (Loire) ist.

So erfüllt denn dieser erste Band des Manuel d'archeo-
logie prehistorique celtique et gallo-romaine, der nur der
Archeologie prehistorique gewidmet ist, alle Erwartungen,
die man nach dem jetzigen Stand der noch jungen Wissen-
schaft hegen kann, in vollstem Maße. Und wenn das Buch
einmal vollendet vor uns liegen wird, dann werden die
gallischen Altertümer von dem Erscheinen des Menschen
in dem schönen Lande bis zu dem Ende des römischen
Kaiserreichs in einer Weise geschildert sein, daß wir Deutsche
trotz unserer großartig organisierten römisch-germanischen
Studien mit Bewunderung und Neid auf dieses Werk sehen
dürfen. — Der vorliegende Band umfaßt nur das Steinzeit-
alter, jene primitiven Zeiten, in denen man die Metalle
noch nicht kannte. Der erste Teil des Buches schildert
die paläolithische Zeit, Tertiär- und Quarternärperiode,
die letztere in mehrere Unterabteilungen zerfallend: der
Epoque chelleenne und acheuleenne folgt die Epoque
mousterienne, dieser das Renntierzeitalter, das wieder nach
den Fundstätten (Aurignac, Solutre, La Madeleine) in Unter-
abteilungen zerfällt. Mit der größten Ausführlichkeit und
einem den ganzen Stoff beherrschenden Wissen ist hier
das geologische, anthropologische, zoologische und klima-
tische untersucht und die Kultur dieser Zeiten wieder her-
zustellen gesucht, die in Ritzarbeiten und Wandmalereien
schon eine primitive Kunst hatten und im Totemismus,
Magie und Gräbern religiöse oder geistige Interessen er-
kennen lassen. Hinzugetreten sind nach dem Erscheinen
von Dechelettes Buch namentlich noch sehr erfolgreiche
neue Ausgrabungen zu Les Eyzies de Tayac (Dordogne),
die in vorbildlich methodischer Weise gemacht worden
sind (s. O. Hauser »Fouilles scientifiques dans la vallee de
la Vezere« 1908). — Der zweite Teil, l'äge de la pierre polie,
 
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