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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 20.1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.5951#0128

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Sammlungen — Anzeigen

240

führen zu einer Kunst, die völlig abseits von aller rea-
listischen Wiedergabe de Natur nur den letzten Extrakt
ihrer malerischen und linearen Existenz geben will; die
alle Routine beiseite lassen und im Anschluß an die Aus-
drucksform primitiver Jahrhunderte eine Sprache von lapidarer
Bestimmtheit finden möchte. Aber es wäre Heuchelei, wollte
man behaupten, daß von alldem in den verblüffenden
Arbeiten von Matisse etwas lebendig geworden sei. Etwas
von einer individuellen Phantasie auf Motive der Natur.
Etwas von einer machtvollen persönlichen Kraft, die in
solchen Reduktionen von Wirklichkeitseindrücken wahrhaft
eine Steigerung des Gesehenen darböte. Was sich kund-
gibt, ist lediglich ein Unvermögen, über das hinauszudringen,
was die älteren Impressionisten-Generationen an subjektiver
Abspiegelung der Welt geleistet haben, und ein krampfhaftes
Bemühen, dies Unvermögen hinter intransigenten Gebärden
zu verstecken. Dabei ist Matisse von Hause aus wahrlich
keine heraufgeschwindelte Größe, sondern eine eminente
Begabung. Er stammt aus dem Kreise der Cezanne^Schule,
die an Stelle der Analyse die Synthese, an Stelle des Ein-
dringens in die Mannigfaltigkeit der Natur das souveräne
Zusammenfassen setzen wollte, und seine Bilder, die Be-
ziehungen zu diesen Tendenzen aufweisen, erfordern gewiß
Respekt. Vor allem ein großes Gemälde, das wir bei
Cassirer sahen: ein Interieur mit gedecktem Dinertisch, an
dem sich eine Zofe mit den Blumen zu schaffen macht,
eine außerordentlich feine Studie, in der sich Farben, Lichter
und Reflexe der Einzelgegenstände mit kultiviertestem Ge-
schmack durch einen gedämpften, warmen Zimmerluftton
zu einer Einheit zusammenschlössen. Daneben eine Reihe
von Blumenstilleben in frei gehandhabter Cezannescher
Flächenmosaik. Und eine reiche Serie glänzender Aktzeich-
nungen, kleine Kunstwerke von größter Delikatesse. Aber
das sind ja alles Arbeiten von Matisse aus einer ȟber-
wundenen« Epoche. Was seine Anbeter vor allem begeistert,
sind die Porträts in wenigen Flächen und Linien, die Akt-
malereien mit roh hingestrichenen und dann illuminierten
Konturen, die »dekorativen Kompositionen« mit ihrer ge-
heuchelten Pseudo-Naivität, und nun gar noch seine Bronzen
(»in je 10 numerierten Exemplaren gegossen!«), die Ma-
tisse im Nebenamt herunterhaut, und die Maillols gesuchte
ägyptisch-assyrische Stilisierung ins Lächerliche und Kin-
dische übertreiben. Ich stehe allen diesen Extravaganzen

ratlos gegenüber und habe, wie ich offen erkläre, davor
nur eine einzige Empfindung: die eines ungeheuren, un-
überwindlichen Lachreizes. m. o.

SAMMLUNGEN

Neues vom Kaiser-Friedrich-Museum zu Berlin.

Für die Gemäldegalerie des Kaiser-Friedrich-Museums sind
folgende Neuerwerbungen zu verzeichnen, die in der näch-
sten Zeit zur Ausstellung gelangen werden: Zwei Tafeln
(Hochformat) von Petrus Christus, Johannes den Täufer
und Katharina von Alexandrien vor reicher, interessanter
Landschaft darstellend. — Als Geschenk des Auktionshauses
Rudolph Lepke kam, wie bereits erwähnt, das Werk eines
niederländischen Meisters vom Anfang des 16. Jahrhunderts
in die Galerie, ein Triptychon (Eichenholz): Die Beweinung
Christi unter dem Kreuze wird durch eine Darstellung der
Stigmatisation des h. Franziskus (links) und eine h. Anna
Selbdritt (rechts) flankiert. — Schließlich gelang es, aus
englischem Privatbesitz eine ungemein ansprechende ve-
nezianische Arbeit des späten Cinquecento zu erwerben.
Zwei schwarz gekleidete junge Männer (Halbfiguren) beim
Schachspiel an einem mit rötlichem Teppich bedeckten
Tische sitzend. Als Folie dient eine leicht vergoldete
Ledertapete. Neben dem einen Schachspieler hockt ein
kleiner, langhaariger Hund, der mit drolliger Treuherzigkeit
aus dem Bilde blickt. — Das sympathische Werk wird sich
wohl noch näher benennen lassen. Die Malweise erinnert
an Moroni, doch schließen allein die Kostüme diesen
Meister als Urheber aus. Das Bild muß später entstanden
sein. Man hat an Leandro Bassano gedacht. Doch
scheint mir das Bild nichts von den Eigenarten dieses
Künstlers zu besitzen. — Schließlich mag berichtet werden,
daß man beginnt, in den Vorraum der Basilika, wo ein
italienischer Brunnen bisher ein einsames Dasein fristete,
deutsche Skulpturen des 18. Jahrhunderts aufzustellen, h.

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DENKMAL-KONKURRENZ.

■> Das unter dem Allerhöchsten Protektorat Seiner Majestät des
Kaisers von Rußland stehende Komitee zur Errichtung eines Denkmals
für Kaiser Peter d. Großen in Riga hat eine Konkurrenz zwecks
Einreichung von Entwürfen (Gipsmodellskizzen) für das zu errichtende
Denkmal ausgeschrieben. ***4-********->*->*->**'**

* Es sind drei Preise ausgesetzt; 1500, 1000 und 500 Rubel. * ■> ■>

* Termin für die Einreichung der Entwürfe: 1./14. Mai 1909. * * *

* Die Bewerbungsbedingungen und der Lageplan sind im Rigaschen
Stadtamt (Riga, Königstraße 5) erhältlich, «■s.-b.**********

Inhalt: Eine neue Michelangelo-Biographie; Neue ostasiatische Kunstliteratur; Franz J. Stadler, Hans Multscher und seine Werkstatt; J.Dechelette,
Manuel d'archeologie prehistorique cellique et gallo-romaine; Fr. X. Kraus, Geschichte der christlichen Kunst. — Die Kunst und die süd-
italienische Erdbebenkatastrophe. — Rudi Rother t. — Personalien. — Wettbewerb für ein Fünfundzwanzigpfennigstück. — Berliner Virchow-
Denkmal; Wildenbruch-Denkmal in Weimar; Fontane-Denkmal in Berlin.— Schadow-Ausstellung in Berlin; Bilder alter Meister bei Agnew
in Berlin; Ausstellungen der Berliner Salons. — Neues vom Kaiser-Friedrich-Museum zu Berlin. — Anzeigen.

Herausgeber und verantwortliche Redaktion: E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13
Druck von Ernst Hedrich Nachf. o. m. b. h. Leipzig
 
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