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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 20.1909

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Maas, Max: Der zweite internationale archäologische Kongress: (Alexandrien - Kairo)
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https://doi.org/10.11588/diglit.5951#0220

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Der zweite internationale

archäologische Kongreß

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von Ägypten lernten; sie sahen die Szenen auf den
ägyptischen Waffen vor sich, ohne sie jedoch skla-
visch nachzuahmen. In späterer Zeit will Karo (auch
Bissing schließt sich dieser Ansicht an) sogar eine
Reflexbewegung mykenischer Kunstübung bei den
Ägyptern konstatieren. — Die Sarkophage von Hagia
Triada ließen A.J. Reinach (französische Schule Athen)
gleichfalls mykenisch-ägyptische Beziehungen in der
Kunst feststellen (s. auch dessen Abhandlung Revue
archeologique 1908, II).

Aus dem Gebiet der klassischen Archäologie

— die orientalische und auch die einheimische ägyp-
tische hatten bekanntlich auf diesem eigentlich klas-
sischen archäologischen Kongreß nur nebenbei zu
tun — möchte ich erwähnen: einen Vortrag von
Cavvadias über seine Rekonstruktion der Tholos von
Epidauros, in der er sich mit Thiersch auseinander-
setzte, dessen Arbeiten er im ganzen trotz Verschieden-
heiten im einzelnen für die Rekonstruktion durch
seine eigenen Ausgrabungen bestätigt fand. Was aber
die Bestimmung der Tholos betrifft, so hat sich dar-
über Cavvadias gar nicht äußern wollen. Er nannte
dies eine müßige Frage, während in der Diskussion
allgemein Widerspruch dagegen erhoben wurde, da
die Bestimmung eines Gebäudes doch zweifellos auch
von Wichtigkeit für seine Rekonstruktion sein muß.

— Sauer (Gießen) sprach über die neugefundene
Niobide in Rom, für welche, wie auch für die ihr
nahestehenden Kopenhagener Niobiden, ihm die The-
seion-SkuIpturen und die Berliner Athena aus Perga-
mon Analoga sind. Sauer legte reiches Vergleichs-
material vor und kam zu dem Schluß, daß der
Künstler sowohl der »Bank-Niobide« wie der The-
seion-Skulpturen myronische Richtung und eine aus-
gesprochene Vorliebe für nackte Formen hatte und
endlich von den Parthenon-Skulpturen abhängig war.
Er nannte Lykios von Eleutherai, den Sohn und
Schüler Myrons, als den möglichen Schöpfer der
prachtvollen Statue im Besitze der Banca commerciale
in Rom. — Eine umfangreiche Szene auf einem im
athenischen Museum befindlichen Votivrelief erklärte
V. Stais (Athen) als irgend ein Ion-Drama illustrie-
rend, wofür das euripideische allerdings nicht in Be-
tracht kommt. — Ein weiteres Relief (in Delos 1908
gefunden, aus Bronze) erklärte F. Courby (französisches
Institut in Athen) als hellenistisch und die Darstellung
als eine Artemis mit zwei als Quellgötter anzusehenden
Silenen. In nicht ungewöhnlicher Weise erscheint
hier die Göttin selbst bei dem für sie bestimmten
Opfer und nimmt die eigene Fackel, um den Opfer-
brand zu entfachen. — Wundervolle Aufnahmen des
alten Selinunt hat Fougeres vorgelegt; und Svoronos,
der hervorragende griechische Numismatiker, hat sich
in einer Hypothese wohlgetan, wonach die bekannten
Genreszenen, »Der Knabe mit der Gans« und der
»Dornauszieher« Darstellungen von Asklepios-Söhnen
seien. Es war übrigens früher schon die Meinung
ausgesprochen worden, daß der Knabe mit der Gans
eine Darstellung des Kindes Asklepios selbst sei. — Die
Russen haben mit drei ineinandergearbeiteten Vor-
trägen bedeutendes Interesse erregt. Touraieff-Peters-

burg erwähnte ägyptische und ägyptisierende im süd-
lichen Rußland gefundene Gegenstände; E. von Stern-
Odessa sprach von den Handelsbeziehungen der Jonier
in Naukratis mit den Bewohnern von Olbia am
Schwarzen Meere, die im 7. Jahrhundert begannen
und mit der persischen Eroberung Ägyptens und den
Perserkriegern, denen die athenische Vorherrschaft
folgte, aufhörten. Milet hat vielfach als Zwischen-
händler in diesen Zeiten fungiert. Mit der Gründung
von Alexandria lebte der direkte Handelsverkehr zwi-
schen der südlichen Metropole und den Griechen-
städten am Schwarzen Meer wieder auf und dauerte
bis in die Römerzeit fort. Die Vasenfunde lassen die
Erörterungen Sterns genau verfolgen; aber auch die
Bronze- und Silberindustrie in Alexandrien hat stark
auf Südrußland eingewirkt. Endlich hat Pharmakowsky
noch über seine Ausgrabungen in Olbia zusammen-
fassend berichtet, wobei er allerdings nicht viel dem
hinzuzusetzen hatte, was in seinem vorjährigen Be-
richt im Archäologischen Anzeiger bereits zu lesen
gewesen ist.

Kunstarchäologisches aus der Sektion »Archeologie
religieuse« wissen wir nicht zu berichten. In der
byzantinischen Sektion hat leider derjenige gefehlt,
dessen Name bei allem, was byzantinische Kunst be-
trifft, in erster Linie zu nennen ist, Josef Strzygowski.
Die Sektion wurde von Charles Diehl (Paris) durch
zwei hochinteressante Vorträge erfreut. In der Frage
nach der Herkunft der byzantinischen Kunst will Diehl,
der im allgemeinen mit Strzygowski geht, das ägyp-
tische Element, namentlich die prachtvollen Stoff-
muster aus dem Nilland, mehr in den Vordergrund
gestellt haben. — Ein byzantischer Stoff gab dem
Pariser Gelehrten auch die Veranlassung zu seinem
zweiten Vortrag. Er sprach über das byzantinische
Gewandstück im Reliquiarium Karls des Großen im
Dom zu Aachen und ging dabei von der griechischen
Inschrift aus, deren Entzifferung Lessing nicht weiter
versucht hatte. Diese Inschrift nennt Hofämter, welche
Diehl Gelegenheit gaben, in interessanten Exkursen
unter anderem »Hoffabriken für Stoffe« in Byzanz zu
erwähnen. In der Inschrift auf dem Stoffe im Reli-
quiarium zu Aachen sind Titelträger genannt, die
zweifellos mit der Fabrikation desselben zu tun ge-
habt haben. Vor 810 resp. 850 n. Chr. sind aber
diese Hofämter nicht bekannt. Diehl kommt zu
dem Schluß, daß der Stoff im Grabe Karls des
Großen in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts
in Byzanz gefertigt worden ist und bei der Öffnung
des Grabes im Jahre 1000 durch Kaiser Otto hinein-
kam. — Der griechische Byzantinist Spiridion Lambros
sprach über das Projekt einer Ikonographie der by-
zantinischen Kaiser, wofür er bereits Vorarbeiten ge-
macht hat, und über die Herkunft des byzantinischen
Doppeladlers.

Es wäre undankbar, wenn wir in einem Bericht
über den Archäologen-Kongreß in Kairo nicht des
unermüdlichen Leiters Gaston Maspero gedenken
würden, der neben seinen repräsentativen Pflichten
und seinen täglichen Kongreßarbeiten noch Zeit zu
Führungen im ägyptischen Museum und zu Vorträgen
 
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