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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 20.1909

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Schmidt, Karl Eugen: Der Salon der Société nationale
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https://doi.org/10.11588/diglit.5951#0227

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Der Salon der Societe nationale

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weiterhin sieht man eine Nymphe, die eben dem blauen
Wasser entstiegen zu sein scheint, und am jenseitigen
Ufer sprengt ein Zug Reiter hin, der an den Fries
vom Parthenon erinnert. Das Mittelbild zeigt ein
Vorgebirge am Meer, wo Frauen in antiker Tracht
zwischen den Trümmern eines Tempels wandeln. Auf
dem dritten Gemälde sehen wir auf einer Wald-
lichtung, über deren Gipfeln ein drohender Sturm
schwarze Wolken ballt, einen Hirten die Rinderherde
herantreiben, während ein Mädchen eine der Kühe
melkt. Daß der malende Poet seine Darstellungen
»Das goldene Zeitalter«, »Antiker Traum« und »Hirten-
leben« nennt, ist eigentlich überflüssig, denn diese
Gemälde erklären sich jedem Beschauer von selbst
und werden weder auf Studenten und Professonen
noch auf irgend einen Besucher der Universität ihren
träumerischen, zur antiken Schönheit zurücktragenden
Reiz verfehlen.

Dagegen wirkt Besnards großes Deckengemälde,
das für die Kuppel des Kleinen Palastes bestimmt ist,
weit weniger erfreulich. Ehe ich den Katalog zur
Hand hatte, suchte ich vergebens den Sinn dieses
Bilderrätsels zu erraten. Daß der sitzende Mann oben
in den Wolken Zeus ist, dem Hebe einschenkt, hatte
ich alsbald heraus, und auch die tiefer stehende Hera
und die behelmte Athene erkannte ich, wer aber das
nackte Mädchen sein sollte, das dem ebenfalls nackten
jungen Manne einen goldenen Apfel zu reichen schien,
machte mir etwas Mühe. Da der Jüngling auf einem
in die Wolken des Olymps hineinragenden Felszacken
steht und hinter ihm ein geflügeltes Roß sich bäumt,
dachte ich, das sei ein Dichter oder Künstler, der von
Pegasus bis zum Olymp emporgetragen wurde und
nun von einer Göttin zum Lohn einen Hesperiden-
apfel erhält. Was das Gemälde wirklich darstellt, hätte
ich in tausend Jahren nicht erraten, und sonst auch
kein vom Weibe geborener Mensch. Denn der Katalog
erzählt uns, daß das — »die Plastik« ist! Jetzt erkläre
ich mir die Sache so, daß der Jüngling einmal Paris,
das andere Mal aber ein Bildhauer ist, der sich das
schönste Modell sucht und der nackten Venus den
Vorzug vor den beiden anderen Göttinnen gibt. Aber
was soll ein solches Bilderrätsel, das nicht den Vorzug
der rauschenden Farbenschönheit hat, wie man sie in
seinen besten früheren Arbeiten von Besnard kennt? Es
ist das weiter nichts als ein riesiger rosig-grauer Fleck,
in dem unverständliche Gestalten herumschwirren. Der
Maler hat im Katalog eine zehn Zeilen lange Erklärung
geben müssen und damit seiner Arbeit eine vernich-
tende Kritik geschrieben. Zugleich kündigt er an, daß
er auch noch »den Gedanken«, »den Stoff« und »die
Mystik« für die[Kuppel des Kleinen Palastes zu liefern hat.
Man hätte die Kuppel ebensogut weiß lassen können.

Von den anderen dekorativen Malereien ist nicht
sehr viel zu sagen. Das ungeheuere »Korndreschen«
von Hippolyte Berteaux ist trotz seiner mammutgroßen
Ochsen und seiner lebensgroßen staubigen Landstraße
über die Maßen langweilig und leer. Besser wirkt
schon der Park mit der Damengesellschaft und den
Akrobaten von Aman-Jean, der uns diesen liebens-
würdigen Maler zwar nicht in neuer, aber doch in

der angenehmen alten Gestalt zeigt. Auburtin malt
jedes Jahr ein großes Bild in matten Farben, nackte
Mädchen an und in einem See darstellend, und man
meint immer, es sei das nämliche Bild, das man
schon zehn- oder zwanzigmal gesehen hat. Dubufe
macht sich alljährlich durch den rastlosen Eifer, wo-
mit er die Ausstellungsräume einrichtet, dermaßen um
den Salon verdient, daß es unrecht wäre, seine großen
Malereien irgendwie kritisch zu besprechen. Die dies-
jährige Arbeit ist für das Rathaus in Saint-Mande be-
stimmt, wo wir glücklicherweise nicht wohnen und
wohl auch kaum jemals hinkommen werden. Auch
Gaston Latouche ist in diesem Jahre hinter den An-
sprüchen zurückgeblieben, wozu uns seine früheren
außerordentlich schönen Arbeiten berechtigt haben.
Weder sein Gartentheater, noch seine Karnevalszene,
noch seine Verkäuferin von Liebesgöttern, noch end-
lich sein Pont des arts, läßt sich irgendwie mit den
sprühenden und glühenden Farbenkonzerten ver-
gleichen, die er uns in früheren Jahren beschert hat.
Natürlich sind auch die diesjährigen Arbeiten immer
noch sehr schön und eigenartig, und sie brauchen
den Vergleich mit keinem anderen ausgestellten Ge-
mälde zu scheuen. Aber sie halten den Vergleich mit
ihren aus dem nämlichen Atelier hervorgegangenen
früheren Bildern nicht aus. Rolls »Gefilde der Seligen«,
wo sich nackte Mädchen in und an einem durch einen
Park fließenden Bache herumtummeln, ist ein schöner
und guter Roll, dem es nichts schadet, daß er uns
wie ein alter, lieber Bekannter anmutet.

Von den Porträtisten sind zu nennen die wohl-
bekannten Namen: Jacques Blanche mit vier Bildnissen,
deren keines den von diesem Maler sonst behaupteten
Gipfel erreicht; Boldini, der mit bekannter Virtuosität
den Pinsel führt, wie Paganini den Fiedelbogen tanzen
ließ und Paderewski auf dem Piano herumturnt; Leo-
netto Cappiello, der bekannte Äffichenmaier, dessen
gewaltige Dimensionen innehabendes weibliches Por-
trät etwas leer und schwach erscheint und danach aus-
sieht, als ob Cappiello besser täte, bei seinen Plakaten
zu bleiben; Carolus Duran sei nur der Ordnung halber
erwähnt, sintemalen er die Villa Medici in Rom regiert,
als Maler wird er von Jahr zu Jahr unzulänglicher und
greisenhafter, und man hat Mühe, den Mann wieder-
zuerkennen, der einst von seinen Verehrern nicht nur
neben, sondern über Velasquez gestellt wurde; aus-
gezeichnet in der malerischen Anordnung ist das fast
in den reichen, farbigen Stoffen verschwindende weib-
liche Porträt von Claudio Castelucho; Dagnan-Bouveret,
dessen Kollektivausstellung von Zeichnungen den Clou
in dieser Abteilung abbildet, ist mit einem seiner über-
aus sorgfältig und schön gezeichneten, in der Farbe
etwas kalten weiblichen Bildnisse vertreten; Gervex
muß wie Duran aus Achtung vor lange vergangenen
Leistungen genannt werden; John Lavery ist auch
schon lange der Routine verfallen und vermag uns
nicht mehr zu blenden; besser bleibt sein Landsmann
mit dem deutschen Namen Wilfrid von Glehn, und
Antonio de la Gandara stellt ein wie gewöhnlich bei
diesem aparten Künstler eigenartiges und interessantes
weibliches Porträt aus.
 
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