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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 20.1909

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Literatur

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Friedrich Ostendorf, Die Geschichte des Dachwerks, er-
läutert an einer großen Anzahl mustergültiger alter Kon-
struktionen. 269 Seiten und 346 Abbildungen. Leipzig
und Berlin, B. O. Teubner, 10,08. Preis 28 Mark.

Es kann hier nicht der Ort sein, eine eingehende Be-
sprechung dieser grundlegenden Arbeit zu geben, da ihr
Hauptinhalt in das Gebiet der Konstruktionsgeschichte fällt
und die kunstgeschichtliche Seite hinter der bautechnischen
Betrachtung zurücktritt.

Das Werk ist von einem Architekten verfaßt, einem
langjährigen Schüler des im vorigen Jahre verstorbenen
Dietrich Schäfer in Karlsruhe, dessen Verdienste um die
Erforschung der mittelalterlichen Architektur große sind.
Unter der unmittelbaren Einwirkung der Vorlesungen
Schäfers hat der Verfasser seine Studien zur vorliegenden
Arbeit betrieben.

Das Werk wird in erster Linie für die Praxis von
Nutzen sein; namentlich die Denkmalspflege, die häufig
vor die Erneuerung schadhafter alter Dachwerke gestellt
ist, wird aus der Arbeit Vorteil ziehen.

Gegenstand der Behandlung ist, wie dies der Titel
nicht vermuten läßt, nur die Entwickelung des Dachwerkes
im Mittelalter, bis zum Ausgang des 15. Jahrhunderts;
und demgemäß bildet die Dachkonstruktion der Kirchen-
bauten den Mittelpunkt der Darstellung. Die für die moderne
Profanarchitektur naturgemäß wichtigeren Dachkonstruk-
tionen des 18. Jahrhunderts, wie die Mansarddächer und
die, in dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts in Paris
und darnach in Berlin sehr gebräuchlichen gebogenen
Bohlendächer, eine Erfindung des französischen Architekten
Philibert de l'Orme in der zweiten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts, werden gar nicht behandelt, weil es dem Ver-
fasser ausschließlich auf die Herausarbeitung der Grund-
prinzipien der Dachkonstruktionen angekommen ist und
diese allerdings im 15. Jahrhundert fertig herausgebildet
sind; wogegen die neuaufkommenden Dachkonstruktionen
der Renaissance und der folgenden Zeit in technischer
Hinsicht aus diesen älteren Elementen zusammengesetzt
worden sind. Endlich mag den Verfasser zur Beschrän-
kung auf das Mittelalter der Umstand bewogen haben,
daß die Dachkonstruktionen seit der Renaissance von den
zeitgenössischen Architekturtheoretikern häufig und ausführ-
lich beschrieben worden sind. Gerade darum ist dem Ver-
fasser Dank zu sagen: daß er die Mühe auf sich genommen
hat, den dunkelsten Teil des Gebietes zu beleuchten. Da
genau datierte mittelalterliche Dachstühle kaum erhalten sind
und die wenigsten wegen der vielen Brände im ursprüng-
lichen Zustande auf uns gekommen sind, so ist die Unter-
suchung vielfach nur mit Hilfe von Hypothesen zu führen.
Der Verfasser untersucht zunächst die Entstehung der
frühesten mittelalterlichen Dachkonstruktion aus den römi-
schen Dachbildungen und aus den germanischen Holzbau-
konstruktionen, die sich in den ältesten Bauernhöfen und
den norwegischen Stabkirchen erhalten haben. Er verfolgt
dann in drei Kapiteln (das germanische Kehlbalkendach;
die Pfettendachwerke römischer und germanischer Art; die
sichtbaren und offenen Dachwerke römischer und germani-
scher Art) die Wandlung der Hauptdachform, des Sattel-
daches, bis zu den Hausbauten und Hallenkirchen des
15. Jahrhunderts; daran schließt sich die Betrachtung der
Nebenformen: die Konstruktion der Pult-, Walm- und Zelt-
dächer, endlich die Ausbildung der Turmhelme (seit der
Mitte des 12. Jahrhunderts), der interessanteste Abschnitt
des Buches, und die Entwickelung der Dachreiter. Zum
größten Teil beruhen die Mitteilungen und Zeichnungen
auf eigenen Beobachtungen und Aufnahmen an Ort und
Stelle, Bauten aus Deutschland, Frankreich, England, Hol-
land, Italien und Norwegen sind herbeigezogen. Dieses

umfassende, vielfach zum ersten Male untersuchte Material,
das der Verfasser in vieljähriger Arbeit gesammelt hat, ver-
leiht der Publikation einen dauernden Wert. Bei dem
Studium der mittelalterlichen Baugeschichte wird man das
Werk immer zur Hand haben müssen. Nur ist das Arbeiten
mit dem umfänglichen Volut dadurch erschwert, daß jedes
Register fehlt und noch mehr dadurch, daß die 346, übrigens
sehr klar gezeichneten Risse und Schnitte, die in den
Text verstreut sind, keinerlei Unterschriften tragen, so
daß man beim Nachschlagen jedesmal erst die betreffende
Textstelle suchen muß, wo die Abbildung genannt wird.

Hermann Schmitz.

Catalogus van de Meubelen in het nederlandsch Museum
voor Geschiedenis en Kunst te Amsterdam.
Dieser sorgfältig gearbeitete und illustrierte Katalog
der im Amsterdamer Museum bewahrten Mobilien ist von
W. Vogelsang mit einer Einleitung versehen, die mehr
gibt, als man gewöhnlich bei dergleichen beschreibenden
Sachkatalogen geboten erhält. Nicht nur hat es sich der
Verfasser angelegen sein lassen, uns über die alte Praxis
der holländischen Möbeltischler Auskunft zu geben, er hat
auch den ersten befriedigenden Überblick über die Ent-
wickelung der Tischler- und Schreinerkunst von der Gotik
bis zum 17. Jahrhundert in den Niederlanden, speziell in
Holland gegeben. Auch der Fachmann kommt hier auf
seine Kosten. Besonders in den terminologischen Er-
örterungen und in der Kritik der Ornamentik sind beachtens-
werte Winke gegeben. Auch das ist ein Vorzug dieser
Einführung, daß sie bei der Besprechung des einzelnen
Möbels immer den Blick auf die Umgebung offen hält.
Für das deutsche Mobiliar besitzen wir fürs erste nur
wenige Detailstudien und geringe Ansätze zu einer zu-
sammenfassenden Arbeit, die das Möbel nicht nur als
typische Einzelform, sondern wie hier geschehen ist, im
Zusammenhang des Einrichtungswesens betrachtet.

R. Graul.

Achill. 15 Lithographien zur Ilias, von M. Slevogt. Verlag
A. Langen, München. Preis 15 Mark.
Als vor reichlich einem Jahr bei Albert Langen die
Mappe mit Lithographien zur Ilias von Slevogt erschien,
war der Erfolg, den sie dem Künstler eintrug, so groß, daß
die Auflage im Handumdrehen vergriffen war. Sie bedeutete
auf dem Gebiete der Lithographie auch wirklich nicht nur
etwas Neues, sondern auch etwas außerordentlich Schönes.
So viel Großes die Schwestern der Lithographie: Kupfer-
stich, Holzschnitt und Radierung, hervorgebracht haben,
ist es doch verwunderlich, wie wenig sich die großen
Künstler, speziell unserer Tage, dieser vielleicht ausdrucks-
vollsten graphischen Technik bedient haben. Wir haben
vielleicht nur zwei »Klassiker« der Lithographie, trotz man-
ches Guten, aufzuzählen: Daumier und Toulouse-Lautrec.
Ihnen wird man als dritten Slevogt anreihen dürfen. Slevogt
hat die Lithographie bisher fast als einziger unter den
modernen Deutschen gepflegt, aber wir dürfen erwarten,
daß die Anregungen, die er damit gibt, schöne Früchte
zeitigen werden. Hatte er vordem die Lithographie selbst
nur im Dienste der Buchillustration gebraucht, so bezeichnen
die 15 Blätter der Ilias bei uns wieder seit langem den
ersten Versuch, sie zu monumentaler Einzelwirkung zu
erheben, ohne den Charakter der Graphik durch falsches
Wetteifern mit der Malerei, mit der sie heute so oft als Wand-
schmuck konkurriert, zu verletzen. Die Iliasblätter besitzen
alle Vorzüge von Slevogts männlicher Kunst: das stürmische
Temperament, den Reichtum an Geist und Phantasie, die
unerschrockene Faust, die, von klaren Augen geleitet, zu-
greift, und die Fülle inneren Erlebens. Was ihnen aber noch
einen besonderen Reiz gewährt, das ist gerade der rein
graphische, enger gefaßt lithographische Charakter der
 
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