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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 20.1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.5951#0238

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459

Funde — Archäologisches — Ausstellungen

460

FUNDE

»Giorgioneentdeckungen«. Justis »Giorgione« wirkt
merkwürdig anregend, ermutigend. Die Tendenz des
Buches zum Bejahen findet freudigen Widerhall und eifrig
sucht man das stattlich gewordene Oeuvre noch mehr zu
bereichern.

Vor mehreren Jahren schenkte der Fürst Liechtenstein
dem Museo Correr zu Venedig ein interessantes Bildchen,
das den Empfang des Herzogs von Ferrara durch den
Dogen Agostino Barbarigo auf der Piazzetta im Jahre 1488
darstellt. Ludwig und Molmenti wiesen das kleine Bild
der Werkstatt des Lazzaro Bastiani zu. Claude Phillips
(Burlington Magazine 1909, March) nimmt nun gegen
diese Zuweisung Stellung. Er mag recht haben, daß
wenig oder nichts für Lazzaro Bastiani spricht. Nicht recht
verständlich aber ist, warum nun für zwei Figürchen des
Vordergrundes Giorgione bemüht werden soll. Als Stütze
seiner Hypothese zieht Claude Phillips — der übrigens
seiner Sache nicht völlig sicher ist — das Salomonurteil
der Uffizien heran. Wer diese schwache Arbeit für einen
»Giorgione« hält, wird wohl auch etwas Glauben an Gior-
giones Beteiligung an dem Bildchen des Museo Correr
aufbringen können.

Herbert Cook (Burlington Magazine 1909, April) macht
uns mit einem großen Bilde (Leinwand, h. 4 ft., br. 6 ft.
4 in.) bekannt, das Lord Berwick in Attingham Hall bei
Shrewsbury besitzt. Diesmal ist es eine Kopie. Und zwar
nach Cooks Ansicht eine Kopie des 18. Jahrhunderts nach
einem verschollenen Original, das Giorgione um 1495 ge-
malt habe. Dargestellt ist eine Gesellschaft von Damen
und Herren im Freien, musizierend und der Musik lau-
schend, unter denen Cook Caterina Cornaro und Giorgione
entdeckt, Matteo Soranzo und Pietro Bembo vermutet.
Das Bild wird demnach »Ein Konzert in Asolo« getauft.

Trotzdem ich das »Konzert in Asolo« nur in der guten
Reproduktion der zitierten Zeitschrift kenne, erlaube ich
mir folgende Bedenken zu äußern. Die Kostüme weisen
unbarmherzig auf eine nicht unbeträchtlich spätere Zeit, als
Cook das verlorene Original ansetzt, etwa auf 1510. Das
Original müßte also ein Spätwerk Giorgiones gewesen
sein. Ist es möglich, daß in der reifesten Zeit des Künst-
lers eine so matte und banale Komposition entstand? Mit
nicht allzuviel Geist, etwa mit dem Geist eines Dutzend-
photographen ist die Gruppe gestellt, kulissenartig eine
Hügellandschaft dahinter gesetzt. Ich würde dem jungen
Giorgione so etwas Fades nicht zutrauen. Oder soll man
alle Schwächen dem Kopisten aufs Konto schreiben. Das
geht wohl nicht an. Nebensächliches, wie Teile der Land-
schaft, zierliche Bäume und Sträucher, sind ganz im Sinne
des beginnenden venezianischen Cinquecento wieder-
gegeben. Da ist es höchst unwahrscheinlich, daß an den
Hauptgliedern der Komposition gerückt worden sei. Die
Kopie scheint getreu zu sein. Vorausgesetzt, daß es wirk-
lich eine Kopie ist.

Nun ein paar Worte zu den Zelebritäten, die an dem
Konzert teilnehmen sollen. Caterina Cornaros Züge sind
uns »chronistisch getreu« durch Gentile Bellinis Bildnis in
Budapest überliefert, dessen echte Inschrift Namen und
Titel der Fürstin ausführlich nennt. Nun beliebt man aber
bei der Suche nach anderen Porträts Caterinas, anstatt von
diesem ikonographischen Dokument erster Güte auszu-
gehen, den Identitätsnachweis auf eine Büste der Samm-
lung Pourtales zu stützen, die in Asolo erworben wurde,
und nur darum für die Exkönigin gehalten wird. Diese
Büste, die mit Gentiles Bildnis so gut wie keine Ähnlich-
keit besitzt, läßt dann einige Forscher auch in der sogen.
Schiavona der Sammlung Crespi in Mailand ein Bildnis
Caterinas erkennen, ohne daß Übereinstimmendes zwischen

Bild und Büste mehr als ganz allgemeiner Natur wäre.
Wiederum von dem Crespi-Porträt ausgehend hat man
eine Zeichnung der Uffizien, die florentinisch ist, für eine
Caterina Cornaro erklärt. Es soll eine Studie zu dem
Porträt sein. Und weiter liefert nun auch die Schiavona
den »Beweis«, daß eine der Damen des »Konzertes« in
Attingham Hall Caterina Cornaro darstellt und daß dem-
nach das Konzert in Asolo spielt. Wenn das so weiter
geht, werden wir bald ungeheuer reich an Bildnissen der
Fürstin sein.

Mit Hilfe des Braunschweiger Selbstporträts wird dann
ein lockiger Jünglingskopf des »Konzertes« Giorgione in
jüngeren Jahren benannt. Wie eine Frisur mit dem Scheitel
in der Mitte, volles Kinn und volle Wangen ausreichten, um
in vier verschiedenen Frauenbildern Caterina Cornaro zu
erkennen, genügt auch hier zur Identifikation eine gewisse
Fülle des Antlitzes und lockiges Haar. Die Leute sind sich
ähnlich, soweit sich Leute der gleichen Rasse, des gleichen
Standes, nach dergleichen Mode gekleidet und frisiert, not-
wendigerweise etwas gleichen müssen. — Ich glaube nicht,
daß auf dem Bilde in Attingham Hall Caterina Cornaro
und Giorgione dargestellt sind. H.

AUSSTELLUNGEN

Eine Jean Frangois Millet-Ausstellung zeigt die
Galerie Heinemann in München. Es sind an fünfzig Werke;
neben einigen Ölbildern hauptsächlich Pastelle und Zeich-
nungen.

Eine Ausstellung von Arbeiten des Nürnberger Ma-
lers und Graphikers Professor Ludwig Kühn hat an-
läßlich des 50. Geburtstages des Künstlers der Nürnberger
Dürerbund veranstaltet. Sie umfaßt etwa 150 Nummern,
Bildnisse in Öl und Pastell, Landschaften und graphische
Arbeiten.

Eine Nachlaß-Ausstellung von Werken des am
14. April d. J. in Hamburg gestorbenen Malers Carl Ro-
deck ist am 18. Mai in der Hamburger Kunstausstellung
Karl Stendler eröffnet worden.

Die Greco-Ausstellung in Madrid. Seit einigen
Jahren hat die Bewunderung für die Bilder des Meisters
von Toledo, Domenico Theotocopuli, genannt el Greco,
stets zugenommen. Und das, soweit die Werke aus seiner
guten Zeit in Betracht kommen, wie z. B. »Die Entkleidung
Christi auf dem Kalvarienberg« im Dom von Toledo, mit
vollem Recht. Dieses Interesse ist jedoch zur Modesache
geworden. Nur so ist es zu verstehen, daß Bilder, wie sie
jetzt in der Akademie de San Fernando zu sehen sind, mit
Meisterwerken ersten Ranges gleichgestellt werden. Schon
ihre Aufstellung ist wenig vorteilhaft für Greco, weil man
sie auf Staffeleien vor Bildern von Murillo, Zurbaran, Ribera,
Rubens, Goya u. a. aufgestellt hat. Die neunzehn Bilder,
die man uns hier zeigt, stammen aus der abgerissenen
Kirche von Santiago in Toledo. Seitdem sind sie in ein
Gemeinde-Krankenhaus und zuletzt in dem sehr dürftigen
Museum von Toledo angelangt. Dieses ist jetzt geschlossen,
weil es einzustürzen droht. Die äußerst verwahrlosten
Bilder wären ganz zugrunde gegangen, wenn sich der
Marques de Ia Vega Inclän nicht ihrer angenommen hätte
und sie durch D. Enrique Martinez Cubello, Konservator
der Akademie de San Fernando, hätte restaurieren lassen,
was die Veranlassung zur jetzigen Ausstellung gegeben hat.
Von den neunzehn Bildern stellen vierzehn den Heiland
mit seinen Aposteln dar (es gibt drei solcher Apostel-
gruppen), eins Christus am Kreuz, vier sind Porträts und
eins ein Panorama der Stadt Toledo. Der erste Eindruck,
den diese Bilder hervorrufen, ist der einer Karikatur. Es sind
 
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