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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 20.1909

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46g

Personalien

470

Der Historienmaler Professor Emil Lauffer in Prag

ist am 31. Mai, 72 Jahre alt, gestorben.

Alfred Chauchard f. Wenn man dem »Figaro« und
den ihm nachbetenden Blättern trauen dürfte, bestände dem
Louvre ein Glück bevor, wie es ihm seit den Tagen des
seligen Herrn Lacaze nicht begegnet ist. Aber diesmal
darf man dem »Figaro« nicht trauen. Der Arzt Louis
Lacaze, der im Jahre 1869 starb und dem Louvre die
herrliche Sammlung französischer Bilder aus dem 18. Jahr-
hundert, sowie einige Spanier und Italiener vermachte,
war ein feiner Kenner und ein Kunstsammler, wie er sein
soll, das heißt, einer, der mit Geschmack und Verständnis
sammelt. Der soeben verstorbene Gründer des Waren-
hauses »Louvre« Alfred Chauchard dagegen gehörte eher
in die Kategorie der amerikanischen Sammler, zu den
Pierpont Morgan und ähnlichen, die nicht mit Verstand
und Geschmack, sondern mit Banknoten und Schecks
sammeln. Seine Sammlung, mag sie auch vom »Figaro«
auf vierzig Millionen eingeschätzt werden-, kann sich nicht
nur nicht mit der Sammlung Lacaze messen, sondern auch
gegen Moreau-Nelaton und Thomy-Thierry, um nur die
Vermächtnisse und Schenkungen der letzten Jahre zu er-
wähnen, muß Chauchard still verschwinden. Nur was den
Preis anlangt, kann er mit ihnen und mit allen andern
konkurrieren, aber die Pariser sind doch noch nicht ganz
auf dem amerikanischen Standpunkte angelangt, der Kunst-
werke wie andere Waren nur nach dem dafür gezahlten
Preise bewertet. Monsieur Chauchard stand allerdings
auf diesem Standpunkte, und wie seine amerikanischen
Gesinnungsgenossen hätte er niemals ein Bild gekauft, das
weniger als hunderttausend Franken gekostet hätte. Denn
für weniger als hunderttausend Franken kann man doch
unmöglich ein gutes und berühmtes Bild haben!

Zu dem Marinemaler Eugen Boudin wurde von einem
Bekannten ein reicher Amerikaner gebracht, der sich nach
einigem Beschauen für ein Bild entschied und den Maler
nach dem Preise fragte. Als aber der Maler, der sein
Leben lang ein armer Teufel war, nach langem Zögern
den seiner Ansicht nach gewagt hohen Preis von fünf-
hundert Franken verlangte, zuckte der Amerikaner die
Achseln und ging weg, ohne gekauft zu haben. Nachher
kam der Bekannte und machte dem Maler Vorwürfe:
»Zehntausend Franken hättest du verlangen sollen, dann
hätte der Mann das Bild gekauft! Daß man für fünfhundert
Franken kein anständiges Bild kaufen kann, ist ein Axiom
für diese Leute!«

Monsieur Chauchard war noch tüchtiger. Eines Tages
wurde ihm ein Bild von Troyon angeboten, das unter dem
Titel »Die weiße Kuh« eine Perle der jetzt dem Louvre
vermachten Sammlung ist. Der Besitzer verlangte 25000
Franken und Chauchard lehnte ab, denn für 25000 Franken
kann man doch keinen wirklich schönen Troyon haben!
Nachher wurde ihm von einem schlaueren Händler das
nämliche Bild für 200000 Franken angeboten, und froh
griff der Mäzen zu, denn bei diesem Preise war er sicher,
ein wirklich kostbares Bild zu erwerben.

Diese Anekdote genügt eigentlich schon, um den
wahren Wert der Sammlung Chauchard von den vierzig
Millionen des »Figaro« auf die richtige Ziffer zurückzu-
bringen. Es wäre ein wunderbares Gaudium geworden,
wenn die Sammlung nicht in den Louvre, sondern ins
Hotel Drouot gekommen wäre. Da hätte man sein blaues
Wunder erlebt, und aus den vierzig Millionen wäre kaum
ein einziges kleines Milliönchen geworden. Denn Chau-
chard bezahlte nicht nur echte Corots, Rousseaus, Millets
usw. zehnmal höher, als andere Leute, sondern die Händler
schwindelten ihm auch Fälschungen zu horrenden Preisen
auf, und er hat für Bilder hunderttausend und mehr Franken

gegeben, die der Händler dem Fälscher mit hundert oder
zweihundert Franken bezahlt hatte. Natürlich hat Chauchard
auch gute und schöne Bilder gekauft, und schließlich kann
es ja dem französischen Staate und uns einerlei sein, ob
er seine Bilder teuer oder billig erworben hat, wenn sie
nur schön und sehenswert sind. Und das ist immerhin
mit der Hälfte seiner Gemälde der Fall.

Die berühmteste Perle ist selbstverständlich der Angelus
von Millet, denn für dieses Bild hat er mehr bezahlt als
für irgend ein anderes. Im übrigen ist das Bild zwar ein
guter Millet, aber Millet war ein weit größerer Zeichner
und Radierer als Ölmaler, und keines seiner Ölgemälde
steht in Wirklichkeit so hoch, wie man nach dem Weltrufe
Millets annehmen sollte. Dem Angelus aber war die
genialste Händlertat des 19. Jahrhundert gewidmet. Die
Händler bedienten sich der Presse und der Künstler, um
das Bild bis in den siebenten Himmel zu erheben, sie ver-
breiteten die falsche Nachricht, daß das Bild nach Amerika
verkauft sei, und sie stellten es als eine nationale Tat hin,
diesen Millet aus den Händen der transatlantischen Bar-
baren zu retten und in die Patrie des Arts zurückzubringen.
Und dabei bedienten sie sich der Presse mit solcher Ge-
schicklichkeit, daß die ganze Welt sich mit diesem Bilde
beschäftigte, und daß ganz Frankreich Monsieur Chauchard
für einen Patrioten vom reinsten Wasser hielt, als er das
Bild für 800000 Franken zurückgekauft hatte. Die Händler
verteilten dabei ungefähr 700000 Franken, nachdem sie die
Unkosten bezahlt hatten. Monsieur Chauchard aber verlor
nichts, denn man ernannte ihn um seiner patriotischen
Mäzenatentat willen zum Kommandeur der Ehrenlegion,
und später erkletterte er sogar den allerhöchsten Grad und
ergatterte das Großkreuz der Ehrenlegion, wofür er dem
damaligen Minister Leygues in seinem Testament fünfzehn
lumpige Millionen hinterlassen hat. Man mag also die
Sammlungen Chauchards nach Gefallen loben, im Grunde
ist damit nur, was den Geldpunkt anlangt, großes Auf-
heben zu machen, und der Louvre hat in den letzten vierzig
Jahren zahlreiche Legate von weit höherem künstlerischen
Wert erhalten. Frankreich hat in der Tat Ursache, auf
seine Sammler stolz zu sein, aber gerade Sammler von
der Art Chauchards sind es nicht, die dem Lande beson-
dere Ehre machen. Karl Eugen Schmidt.

PERSONALIEN

Der bisherige Leiter der Kupferstichsammlung der k. k.
Hofbibliothek, Dr. Friedrich Doernhoeffer in Wien, ist
zum Direktor der Modernen Galerie in Wien ernannt wor-
den. Man freut sich, daß diese junge Kraft, die für die
Münchener Pinakothek in Aussicht genommen war, für
Wien erhalten worden ist. Doernhoeffer ist ein Schüler
Franz Wickhoffs und hat den strengen Geist des öster-
reichischen Instituts für Geschichtsforschung auf sich wirken
lassen. Nach zwei Jahren am niederösterreichischen Archiv
kam er 1897 als Assistent an die Kupferstichsammlung und
wurde 1898, nach Chmelarz' Tode, ihr Leiter. Das Haupt-
gebiet seiner Forschung war bisher die süddeutsche
Malerei, insbesondere auch Nürnberg, Dürer und die
Dürerzeit. Sein bedeutendster Erfolg auf diesem Gebiete
ist die Auffindung bez. Feststellung eines bisher ver-
schollenen oder nicht qualifizierten Dürerkodex in der k. k.
Familien-Fideikommiß-Bibliothek. Er handelt von der Ring-
kunst und ist eigenhändig geschrieben und mit zahlreichen
Federzeichnungen illustriert. Die erstmalige Veröffent-
lichung steht bevor. Auch das Thema Lukas Cranach in
Wien hat durch Doernhoeffer an Körper gewonnen, und
zwar durch die Feststellung einer im Wiener Schottenstift
befindlichen Kreuzigung vom Ende des 15. Jahrhunderts,
die der Meister in Wien gemalt hat. (Mitgeteilt im Jahr-
 
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