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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 20.1909

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Florentiner Brief, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5951#0258

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Florentiner Brief

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in einem Wachsfigurenkabinett. Zudem leiden alle
Räume in der unangenehmsten Weise an Überfüllung.

Denselben ungünstigen Eindruck gewinnt man
von den sonstigen ausgestellten Gegenständen. Es
fehlt an nichts: Majoliken und Plaketten, Kleinbronzen
und Bilder, Truhen und Möbel aller Stile; der diese
Dinge aber zusammenbrachte, sah auf prunkvolle
Wirkung, nicht auf künstlerische Qualität. Und dieser
Unkultur des Sammlers entsprach der Ungeschmack
bei der Verwendung in den Räumen. Bedenkt man,
was mit den hier aufgewandten Mitteln hätte ge-
schaffen werden können, so steigert sich noch das
Gefühl des Mißbehagens. Unter den vielen mittel-
mäßigen Stücken, unter denen es auch an ein paar
holländischen Bildern und deutschen Holzschnitzereien
nicht fehlt, bemerke ich: eine Replik des tizianischen
Porträts des Vincenzo Cappello, in der früheren Fassung
im Panzer, ein mittelgutes Porträt von einem der
jüngeren Bassani, ein merkwürdiges Profilbild eines
Mannes, Venedig, Quattrocento (schlecht erhalten, wenn
nicht falsch; aus der Entfernung nicht sicher zu be-
urteilen), eine dem Beccafumi nahestehende Predelle
mit Heiligenlegende, ein sehr stattliches Porträt eines
ungewöhnlich häßlichen Mannes von Maratta (nach
der Malerei des Spitzenkragens zu urteilen), endlich
ein großer und recht guter Gobelin mit der Auf-
erweckung des Lazarus, vlämisch, frühes 16. Jahr-
hundert. Unter den Möbeln ist ein runder Empire-
tisch auf Bronzesphinxen mit einer Platte aus Malachit
und schönen Goldbronzezieraten recht guter Qualität.
— In den oberen Räumen ist unter anderem eine
größere Sammlung chinesischer und japanischer Stich-
platten.

Wahrhaft schön an dieser Schenkung ist nur der
Park, durch den man zu der Villa hinaufsteigt, und
deren Lage. Die Stadt, die jetzt im Besitz dieses
Flecks ist, würde sich um die Fremden ein Verdienst
erwerben, das größer ist, als wenn sie das »Museo
Stibbert« dreimal wöchentlich gegen eine Lira Eintritts-
geld zugänglich macht, indem sie diesen Park an den
späteren Nachmittagsstunden gegen einen mäßigen
Obolus dem Besuch eröffnete. An Frühlingsnach-
mittagen hier herumzugehen oder sein Auge auf die
Zypressenwand der Villa Fabricotti gegenüber zu
richten, ist wirklich ein Genuß. Die frühzeitige
Schlußstunde macht ihn leider in der warmen Jahreszeit
illusorisch. Ein Machtwort des Bürgermeisters könnte
hier Gutes schaffen.

Weit beachtenswerter, als diese zwei Museen ist
die Eröffnung des »Quartiere degli Elementi« im
Palazzo Vecchio und die Neuordnung des Quartiers
der Eleonore von Toledo. Den Fachgenossen waren
jene als Bureaus verwendeten Räume nicht unbekannt;
doch machte es immer einige Schwierigkeit, sie zu
sehen, und dann bot sich dem Durchwandernden das
stimmungslos-unerfreuliche Bild, das Bureaus unter
allen Umständen bieten. Jetzt kann man durch diese
Zimmerfolge gemächlich wandeln, die Decken und
Friese mit Muße betrachten; etwas Mobiliar belebt sie,
nimmt ihnen das Kalte, das unbewohnte Räume stets
haben.

Vom eigentlichen Quartier der Eleonore, das allen
wohlbekannt ist, brauche ich nicht zu sprechen; es
genügt, über die neu hinzugekommenen Säle ein paar
Worte zu sagen.

Vasari, welcher der spiritus rector der Dekoration
gewesen ist, hat uns doppelten Bericht über diese
Arbeiten hinterlassen. Einmal spricht er in der Auto-
biographie kurz darüber (Milanesi VII, S. 697; vgl.
VI, S. 239), dann sehr ausführlich in seinen »Ragio-
namenti« (Milanesi VIII, S. 11 ff.). Den Zugang bildet
eine schmale, mit Grottesken und Puttendarstellungen
dekorierte Treppe, die von der Sala di Leone X aus
in den Oberstock führt, und an deren Eingang man
sich einer interessanten Darstellung eines Festes auf der
Piazza della Signoria gegenüber sieht, wichtig auch,
weil sie uns ein sehr gutes Bild der Ringhiera vor
dem Palast gibt, welche 1812 abgebrochen wurde.

Man betritt als ersten Raum die »Sala degli ele-
menti«, so genannt nach den Deckenbildern und Wand-
fresken von Vasari, der sich hier von seiner besten
Seite zeigt. Der Kreis der Darstellungen beginnt an
der Decke, in deren Mitte die Entmannung des Himmels-
gottes durch Saturn dargestellt ist, während in den
anderen Feldern allegorische Gestalten zu sehen sind,
über deren Bedeutung man Vasaris eigene Worte nach-
lesen mag. Daran schließt sich an der Wand, dem
Eintretenden gegenüber, die Geburt der Venus an,
der Neptun, Thetis, Galathea und zahllose andere
Meeresgottheiten staunend beiwohnen. Über dem
Kamin folgt die Schmiede des Vulkan (eine hübsche
Gruppe bilden ein paar Putten, die eifrig den Schleif-
stein drehen, um die Pfeile Amors zu schärfen); links
davon die Darstellung der Erde, der die Menschen
Produkte ihres Fleißes darbringen. An der Fenster-
wand in Schmalfeldern Merkur und Pluto. Diese sehr
figurenreichen, doch nicht überfüllten Kompositionen
sind in leichtem Stil offenbar rasch heruntergestrichen;
dem Beschauer, der sie auf ihren künstlerischen Wert
hin prüft, entgehen (zum Glück) die zahlreichen
höfischen Anspielungen auf den »großen« Cosimo
Primo. Besonders erfreulich sind die in Sepiatönen
gehaltenen Darstellungen am Sockel unterhalb des
Hauptbildes: ich weise auf die Zentaurenkämpfe neben
dem Kamin hin, die das Studium Vasaris an den
Fassadenmalereien Polidoros in Rom aufs glück-
lichste dartun.

An diesen Hauptraum schließen sich vier kleinere,
nach der Hofseite zu gelegene Zimmer an, die Vasari
nach den Gegenständen an den Decken das Zimmer
des Saturn, der Ops, der Ceres und Jupiters benannte.
Wer an den Bilderrätseln, an denen sich jene Epoche
so sehr gefiel, Freude hat, wird gut tun, zum Ver-
ständnis der einzelnen Darstellungen Vasaris »Ragiona-
menti« mitzunehmen. In dem einen Raum ist der
prächtige Fußboden, mit Cosimos Namen und der
Jahreszahl 1556, in einer Art Mosaik aus gebrannten
Ziegeln, wohl erhalten. Es fehlen die Folgen der
Gobelins, die für jeden Raum, dem Stoff an der Decke
entsprechend, damals in Florenz gewebt worden sind;
aber man hat den guten Gedanken gehabt, die kahlen
Wände mit anderen Teppichen zu schmücken, nament-
 
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