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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 21.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.5952#0079

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Literatur

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Herrn Dr. Fritz Traugott Schulz die rechte Persönlichkeit zur
Durchführung der mühseligen Arbeit gefunden worden
war. Mit bewunderungswürdigem Fleiß und großem Ge-
schick hat dieser sich der Aufgabe unterzogen, die ganze
Stadt auf das in den alten Bürgerhäusern steckende künst-
lerische Material zu untersuchen und er entdeckte dabei
eine solche Fülle künstlerischer Einzelheiten, daß selbst
der überrascht sein muß, der sich schon in den Gassen,
Gäßchen und Höfen Nürnbergs gründlich umgesehen hat.
Von Haus zu Haus galt es zu wandern, alles irgendwie
Wertvolle am Äußern und im Innern der Häuser zeich-
nerisch oder photographisch aufzunehmen, jede künstlerische
Einzelheit genau zu beschreiben und zeitlich zu bestimmen
und soweit es anging, die Besitzer und die Baugeschichte
eines jeden Hauses festzustellen. Kam hierbei dem Ver-
fasser die Mitwirkung des städtischen Archivrats Mummen-
hoff zu statten, so hat er für die Herstellung der Grund-
rißaufnahmen, Aufrisse, Schnitte und künstlerischen Detail-
zeichnungen im Architekten Dennemarck einen zuverlässigen
Zeichner gefunden, dessen Aufnahmen mit stilistischer
Korrektheit künstlerische Frische und Freiheit verbinden und,
wie die vielen Profilschnitte, die Wiedergabe der Gitterver-
steifung auf S. 72 u. a. m. erkennen lassen, überall die prakti-
schen Bedürfnisse des Architekten berücksichtigt haben. Auf
diese hat auch der Verfasser bei seinen autotypisch wieder-
gegebenen photographischen Aufnahmen besonders Rück-
sicht genommen. Daß so einfache Dinge wie die Haustüre
auf S. 3 und die Fensterauskragung auf S. 23 Aufnahme ge-
funden haben, erhöht wesentlich die praktische Brauchbar-
keit des wie den künstlerischen so auch den archäologischen
Interessen im weitesten Maße Rechnung tragenden Werkes,
dessen sorgsam durchgearbeiteter Text eine wesentliche
Förderung der kunstgeschichtlichen Erforschung Nürnbergs
verheißt. Noch liegt ja erst ein kleiner Teil des Ganzen
fertig vor. Die beiden bisher erschienenen Lieferungen
stellen ungefähr ein Zwölftel des ganzen Werkes dar, für
dessen Erscheinen etwa ein Jahrzehnt in Aussicht genommen
ist. Es soll acht Bände umfassen, die den alten acht
Nürnberger Stadtteilen entsprechen. Innerhalb eines jeden
Stadtteils ist der Stoff in alphabetischer Folge der Straßen
und in numerischer Folge der Häuser angeordnet. Den
Anfang bildet das Milchmarktviertel, d. h. der sich um den
heute Albrecht Dürer-Platz benannten alten Milchmarkt
gruppierende Straßenkomplex. Ein Plan des Viertels dient
zur Orientierung. Leider sind auf ihm die Namen- und
Zahlenangaben so klein und undeutlich, daß er praktisch
nicht zu gebrauchen ist. Unter den Illustrationen vermisse
ich eine Aufnahme nach dem vor einigen Jahren ins Ger-
manische Museum übergeführten und durch eine Kopie er-
setzten Chörlein des Sebalder Pfarrhofes. In der Tendenz
des Werkes und im Sinne unserer Denkmalspflege hätte
es gelegen, seine Abbildung der nach der Kopie gemachten
Aufnahme gegenüberzustellen. Andererseits hätte man
gut daran getan, neben einem der Originalreliefs dieses
Chörleins seine Kopie abzubilden. Von den im übrigen
mit großer Sorgfalt vorgenommenen Datierungen sind zu
beanstanden die der Stukkaturausstattungen der Häuser
Agnesstraße 9 und Albrecht Dürer-Platz 3. Jene gehört
nicht dem Empire- und diese nicht dem Biedermeierstil
an, sondern beide liegen dem Empire voraus und sind
bezeichnende Schöpfungen des Louis XVI.-Stils. Erstere
gemahnt stark an die Ornamentationsweise des um 1780
blühenden Jean Baptiste Huet. Sehr übersichtlich ist die
seitliche Ausrückung der Illustrationsbeischriften, doch ver-
misse ich dabei die die Benutzung des Werkes wesentlich
erleichternde Angabe der die Besprechung enthaltenden
Seiten. Bei dem Fehlen der lebenden Kolumnentitel wäre
diese Zutat in den nachfolgenden Lieferungen sehr zu be-

grüßen. Von den Autotypien dürften die meisten schärfer
sein. Die Zeichnungen sind eindrucksvoller als sie.

Bei der Fülle und Mannigfaltigkeit des hier gebotenen
architektonischen und ornamentalen Materials — die reichste
Ausbeute lieferten außer dem Sebalder Pfarrhause die
Häuser Albrecht Dürer-Platz Nr. 4, 10, 11, 14 und 16 und
das Albrecht Dürerhaus — wird das vollendete Werk ein
wichtiges Dokument nürnbergischen Kunstfleißes darstellen,
das um so wertvoller ist, als es die günstige Gelegenheit
bietet, lückenlos zu verfolgen, welche Wandlungen der
I künstlerische Geschmack in der kunstreichsten deutschen
Stadt im Laufe von sechshundert Jahren durchgemacht hat.

P. J. Rie.

Weese, Dr. Artur, Die Bildnisse Albrecht von Hallers.

Mit 160 Lichtdrucken. Großquart. 284 Seiten. Kartoniert.

Preis 40 Frcs. (32 Mk.). Verlag von A. Francke, Bern.
Die Schweizer wissen ihre großen Männer zu ehren.
Am 16. Oktober 1908 waren zweihundert Jahre vergangen,
daß Albrecht von Haller in Bern geboren wurde, der große
Naturwissenschaftler und Dichter. Bern hat ein volles
Recht, ihn vollständig zu den Seinen zu zählen, denn dort
hat er seit 172g als Arzt praktiziert, dort wurde er 1735
zum Stadtbibliothekar ernannt, und in seiner Geburtsstadt
ist er auch 1777 gestorben. Vor der Berner Hochschule
haben ihm die Schweizer an seinem 200. Geburtstage unter
großer Anteilnahme des In- und Auslandes ein Bronzedenk-
mal errichtet, eine Schöpfung Hugo Siegwarts. Aber auch
ein literarisches Denkmal wundervoller Art ist aus diesem
Anlaß dem großen vielseitigen Gelehrten in Gestalt des
obigen vornehmen Werkes gesetzt worden. Im Auftrag
des Denkmalkomitees und unter Mitwirkung von Dr. Johannes
Bernoulli, Prof. Dr. Wolfgang Friedrich von Mülinen und
Prof. Heinrich Türler hat der Berner Professor der Kunst-
geschichte, Dr. Artur Weese, eine Festschrift herausgegeben,
die dem Inhalt und vor allem der Ausstattung nach in
ihrer Art geradezu als einzig dastehend bezeichnet werden
muß. Eine Ikonographie von einer derartigen Reichhaltig-
keit, erschöpfenden Behandlung, künstlerischen Ausstattung
kann man getrost als Unikum bezeichnen. 160 in vorzüg-
lichen Lichtdrucken von größter Schärfe reproduzierte Bilder
schmücken den stattlichen Quartband von 284 Seiten, sie
sind nach photographischen Aufnahmen von Fred. Bois-
sonnas & Co. in Genf von der Societe anonyme des arts
graphiques in Genf hergestellt worden. Aus dieser Reich-
haltigkeit des Bildermaterials ist schon die hohe Wert-
schätzung zu ersehen, der sich Haller in den naturwissen-
schaftlichen Kreisen, vor allem als Anatom und Physiologe,
sowie als Dichter erfreute, ist er doch in letzterer Eigenschaft
einer der ersten, der nach dem hohlen Pathos der schle-
sischen Dichterschulen der Sprache wieder neue Kräfte
verlieh, die Poesie wieder vertiefte. Erstaunlich mannig-
faltig sind in der Tat die Bilder und Büsten des großen
Mannes, im Format wechseln sie von einem Kupferstich
allerkleinsten Formates (16X14 mm) bis zu den großen
bronzenen Standbildern. Der Kupferstich stammt aus einem,
wohl seiner enormen Seltenheit wegen nicht herbeizu-
schaffenden Almanach: »Neujahrsgeschenk für das schöne
Geschlecht, im Allerkleinsten Format, so daß es sich in
eine Nußschale packen läßt 1764«. Durch das Entgegen-
kommen der Familie Hallers, bekannter Bibliothekare und
anderer Persönlichkeiten war es möglich, ein so außer-
ordentlich umfangreiches Material zusammenzubringen,
dessen meisterhafte Bearbeitung in Erstaunen setzt. Aber
weit über die Darstellung des Geistesheroen hinaus fes-
selt das geistvolle Werk den Leser durch die Art und
Weise, wie zur Kunst des Schauens und zum Verständ-
nis der Physiognomik angeregt wird. Den ersten Teil nimmt
die geschichtliche Schilderung der künstlerischen Dar-
 
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