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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — 3.1887

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Heinrich Steyners Modelbuch
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https://doi.org/10.11588/diglit.4106#0064

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Neliefstickerei mit Silbereandille auf roter Seide. Jtalien, 17. Jahrh.

Heinrich ^teyners Modelbuch.

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Mit dtzn Spitzen-, Stick- und Strickmuster-
biichern pMtzt eine eigenartige Gruppe von
VorlcigewerPN aufgeführt zu werden, die nach
Jnhalt und 'ßweck für sich dastehen. Bis etwa
1540 giebt H keine eigentlichen Spitzenbücher.
Die bisher runter dem Namen mitbegrisfenen
Werke, welchewor diesem Datum erschienen sind,
enthalten überlanpt keine Vorlagen für Spitzen,
und nur eiip Bruchteil ihrer Entwürfe ist aus-
schließlich für^Bortenwirkerei oder für Stickerei
gedacht. Der Hauptinhalt besteht in allgemeinem
Ornament an Grottesken, Mauresken, Knoten-
werk, Laubwcrk, Pilasterfüllungcn. Für diese
Gattung dürfi' die alte Bezeichnung Model-
buch, mit der sie sich auf dem Titel selber
nennen, beizub chalten sein. Von der Mitte des
sechzehnten Jahrhunderts ab verschwand aus den
Vorlagewerken das allgemeine Ornament in
demselben Maße, wie sich an der Ausbildung
der Spitzentechnik die Entwickelung einer neuen
Formensprache sür dieselbe knüpfte.

Die Modelbücher stehen in der Mitte zwi-
schen dem Ornümentstich und dem Stickmuster-
buch. Sie mpgen sast gleichzeitig mit der
Wiederbelebungi des deutschen Ornamentstichs
um 1502 demselben Bedürfnis, das diese wach-
rief, ihren Ursprnng verdanken. Noch ist es
nicht möglich, rinigermaßen Sicheres über die
frühesten Ausgaben anzugeben. Die bislang
altesten, namentlich das von Quentel in Köln
1527 herausgegebene Modelbuch, beziehen sich
im Text auf frühere. Aber von diesen ist nur
eins bekannt, und dies ist ein ziemlich nnbedeu-
tendes (Gewerbemuseum in Dresden).

Noch mehr als mit den Ornamentstichen
hat mit den Modelbüchern die Zeit aufgeräumt.
Von mehreren ist nur ein Exemplar bekannt,
und es existiren Einzelblatter, die sich in keins
der bekannten einfügen. Diese Seltenheit ist

Kunstgewerbeblatt. iw.

um so auffälliger, da die Modelbücher in Holz-
schnitt reproduzirt wurden, der beliebig große
Auflagen gestattet; auch die Buchform mußte
der Erhaltung günstig sein. Aber der Holzschnitt
stand nicht in so hoher Wertschätznng wie der
Kupferstich, man achtete den Verschleiß nicht
weiter. Vor allen Dingen aber haben erst seit
kurzem die Sammler ein Auge auf diese seltenen
Produkte geworfen.

Jhrer Zeit haben die Modelbücher einen
nicht zu unterschätzenden Einflnß ausgeübt. Der
Formenreichtum der vier bedeutendsten bisher
bekannt gewordenen übertrifft den des gesamten
Kleinmeisterornaments um das vielfache. Von
Wichtigkeit ist auch der Umstand, daß während
die Ornamentstiche bis 1550 in Dentschland als
Einzelblätter in die Welt zu gehen pflegen, die
Modelbücher in ihrer geschlossenen Form die
momentane Aktion eines umfangreichen Stoffes
sicherten. Für die schnelle Verbreitung des Re-
naissanceornaments dürften sie mindestens eben-
so kräftig gewirkt haben wie der gleichzeitige
Ornamentstich.

Auffallend ist die Geltung, welche sie über
die deutsche Grenze hinaus gewannen. Die
frühen französischen Modelbücher bestehen fast
ausschließlich aus Kopien der deutschen. Ebenso
schöpfen die venezianischen, die gleich den fran-
zösischen schon in der Form sich dem deutschen
Vorbild anschließen, sast ausschließlich aus deut-
scher Quelle.

Die bedeutendsten deutschen Modelbücher
sind der Qnentel f1527s, das wichtigste von
allen; der Egenolff fnach 1530s, der Schartzem-
berger s1534s und der unbeschriebene, bisher
nur in dem einen Leipziger Exemplare bekannte
Steyner, dessen Reprodnktion wir unsern
Lesern dieses Jahr hindurch als Beilage geben.

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