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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — 5.1889

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Heft 6
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Luthmer, Ferdinand: Graveurarbeiten an Taschenuhrwerken
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https://doi.org/10.11588/diglit.3586#0101

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Graveurarbeiten an Taschenuhrwerken.

offene nnd mehr geschlosfene Kvmpositionsweise,
ketztere oft so weitgehend, daß das Stück, von
der Rückseite betrachtet, nur in regelmäßigen
Abständen mit dem Bohrer durchlöchert zn
sein scheint. .

Seltener als die symmetrisch ornamentirten,
aber meist auch geringer au Kunstwert, sind
die unsymmetrischen, bei welchen ein Rankenzug
vom Fußausatz auszugeheu pflegt, der bald sich
teilend und in verschiedener Richtung sich kren-
zend die Fläche überzieht; doch zeichnet sich da-
für diese Gattnng hänsig durch hübsche, ausge-
zackte und durchbrochene Ränder aus. Selten
endlich nnd schon den Verfall der Arbeit in
diesem Jahrhundert andeutend, sind nnter den
einfüßigen Kloben die radial verzierten, die
sich als Nachahmung der späten französischen
darstellen; ansznuehmen von diesem Urteil sind
solche (s. Taf. I, 5), welche einen stärker profi-
lirten Rand vermittelst dreier schön ornamentirter
Spcichen mit dem Mittelpunkt verbinden. Auch
diese waren, wie erhnltene Uhren beweisen, mit
einer Glaslinse bedeckt. Die Verbinduug zwi-
schen Scheibe und Fuß wird meist durch eiu
Maskerou vermittelt, grinsende Faunköpfe, au-
mutige Mädchen, Engel u. a.; die Ausführung
dieses Kopfes giebt dem Sanimler meist schon
auf den ersten Blick einen Maßstab für deu
Wert des Klobens. Außer Köpfen kommeu
hier auch Ornamente und Bcuscheln vor; rechts
und links von der Verbindungsstelle pflegt sich
eine delikat gezeichnete Blattwelle frei abzulösen.
Jn dem Ornament der halbmondförmigen Fuß-
scheibe läßt sich meist die Verwandtschaft mit
demjenigen des Klobens unschwer erkennen; oft
weiß der Künstler mit vielem Geschick die
Schraubenlöcher im Kelche kleiner Blumeu zu
verstecken.

Nebeu dieseu Erscheinungen, welche die
Hauptgattungen der künstlerisch wertvollen Klo-
ben darstellen, sind noch einzelue Besonderheiten
kurz zu erwähneu. Ein hüscher Klobe iu meinem
Besitz (Taf.II, 15) euthält in sinniger Weise und in
ausgezeichneter Ausführung den Kopf »nd die
Embleme des Chronos mit dem nicht ganz zweifel-
losen Hexameter: Oiunia mktitur tempus, seä
mstioi- ipsum. Einc andere, wiederholt vorkom-
mende Gattung enthält Wappen mit wappcnhal-
tende» Figureu, die auf eine spätere Zeit, etwa
Anfang des 19. Jahrhunderts, deuten (Taf.11,16).
Diese pflegen aus Silberblech getrieben (vielleicht
auch gestanzt?) und auf die entsprechend durch-

schnittene Messingplatte genietet zu seiu. Jn
gleicher Weise sind die Passionskloben behandelt,
deren Entstehuug ich in Bayern und Tirol suchen
möchte: der Gekreuzigte, rechts nnd links Maria
und Johannes oder zwei tranernde Eugel in Silber
auf Messing aufgesetzt. Die Figurenbehandlung
bei diesen Gattungeu weist nur geringe Kuust-
sertigkeit auf. Endlich enthält die Marfelssche
Sammlung zwei Beispiele vou Kloben, welchen
Emailplättchen mit der bekannten späteren Bunt-
malerei (Frauenkopf und erotische Scene) ohne
wesentlichen Kunstwert eingesetzt sind.

Das Material der Kloben Pflegt Bcessing
mit starker Feuervergoldung zu sein; auch ver-
silberte kommen vor. Solche ans Silber sind
selten nnd meist besonders gut gearbeitet.

Fragen wir uns, was diese kleinen Werke
der Graveurkunst, die mehrere Gencrationen lang
von den llhrmachern zum alten Messing geworfeu
wurdeu, und zu Tausenden untergegangen sein
mögen, jetzt plötzlich zu begehrtcu Gegenständen
der Sammlung macht. Nächst dem allgemeinen
Fundamentalsatz aller Sammlerliebhaberei, daß
man kein Kunsterzeugnis verschmähen soll, das
zu billigerem Prcise angeboteu wird, als seine
heutige Herstellung kosten wird, ist es vor
allem der absolute Kunstwcrt dieser stets vari-
irten kleinen Ornamente. Wie schon gesagt,
giebt es dabei sowenig eine Wiederholnng, wie
eincn Gedanken an mechauische Herstellung, die
erwühnten Wappen- und Passiousklobeu ausge-
nommen. Das einzige Beispiel eines gegossenen
Klobens in der Marfelsschen Sammlung, zu
welchem der Besitzer eiue geuaue Dublette ge-
sunden hat, bin ich geneigt, für eine Fälschnng
zu halteu. Prägung, welche die absolute Gleich-
heit zweier Stücke zur Folge haben müßte, läßt
sich selbst bei den wertlosesten, zu Hnnderten iu
annähernd gleicher Rosettenform vorkommende»
spätfranzösischen Brücken nicht nachweisen.

Der außerordentliche Reichtum an Erfiu-
duug macht diese kleiueu Ornamente, bei welchen
die Phantasie sich im kleinsten Raum zu eut-
falten gezwungcn sah, aber auch zu dankbaren
Vorbildern sür moderne Prodnktion verschie-
dcner Art. Jn diesem Sinue hnt schon im
Jahre 1876 der bekannte Architekt und Kupfer-
stecher R. Pfnor bei Ducher L Co. eine Samm-
lung von llhrkloben, iu vergrößertem Maßstab
gestochen, erscheinen lassen, betitelt: ülotits ck'oi-
neuionts ponr rosss, rosaoos, inääaillons, tdnäs
ot panneaux oirculaires, 16. 17. et 18. siäeles
 
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