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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — 5.1889

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Heft 11
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Bücherschau / Kleine Mitteilungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.3586#0196

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Bücherschau.

xx.

Dekorationsmotive im Stile Ludwig XIV.
von Jean Berain. Lichtdrucktafeln nach
den Originalstichen in der Ornamentstich-
sammlnng des königl. Kunstgewerbemuseums
zu Berlin. Berlin, Ch. Claesen L Cie.
Preis 36 M.

Nahezu vollständig werden hier auf 42
Tafeln Jean Berains gestochene Entwürfe für
Wand- und Flächendekoration wiedergegeben,
deren Gattnng am besten dnrch den alten Namen
der Grotesken bezeichnet wird. Einzelne Blätter
daraus sind dem deutschen Pnblikum durch den
„Formenschatz" und andere Sammelwerke be-
kannt geworden; auch die größere Auswahl,
welche das Haus Quantin in Paris aus dem
Gesamtwerk des Meisters in recht unzuläng-
lichem Lichtdruck veröffentlicht hat, besitzen
wenigstens unsere Bibliotheken; doch erst die
vorliegende Ausgabe ermöglicht dem ausübenden
Maler und Zeichner den vollen Überblick über
den besten Teil von Börains Arbeit nnd deu
eigenen Besitz einer unerschöpflichen Quelle
künstlerischer Anregung.

Die Eigenart der großen französischen Er-
finder ist bei uns noch so wenig bekannt, daß
es nicht ohne Nutzen gewesen wäre, der Aus-
gabe einige Angaben zur Orientirung vorauf-
zuschicken.

Jn Börains ornamentalen Erfindungen
spiegelt sich der gereifte Klassizismus der Kunst
Ludwigs XIV. am reinsten wieder. Die mannig-
fachen Elemente des wuchtigen italienischen
Barock, welche sich in den Dekorationen und
Entwürfen des Lebrun und in den Stichen des
Jean Lepautre mit der französischen Eigenart
mischen und befehden, sind bei dem um zwanzig
Jahre süngeren Zeitgenossen völlig überwunden.
Berain übernimmt 1674 als Mann von sechs-

uuddreißig Jahren das Amt eines ässsinateur
cks 1a ollambrs et äu oalliust äu lloi und da-
mit die zeichnerische Leitung der Theater- und
Balletaufführungen, der Feste, Fenerwerke und
Trauerfeiern, welche der Hof gerade in den fol-
genden Jahren mit größter Pracht veranstaltete.
Bald darauf auch zum Zeichner für die kvnig-
lichen Gärten ernannt, bezieht er 1679 eine
der Künstlerwohnuugen im Lonvre mitten unter
den leitenden Kunsthandwerkern und giebt nun
bis nahe an sein Ende (1711) dem französi-
schen Ornament nnd Kunstgewerbe die Richtung.
Alle Teile der Dekoration und alle führenden
Jndustrien, die Mvbel, die Teppiche, das
Schmiedeeisen, das Flachornamcnt bereichern sich
an seiner Formenwelt.

Soweit seine Zeichnungen durch dcn Kupfer-
stich verbreitet worden sind, kommt sein Talent
nirgends vollkommener zur Erscheinung als
eben in den Grotesken, welche das vorliegende
Werk wiedergiebt. Zwei Abbildnugen, die wir
der Güte des Verlegers verdanken, geben ciue
große und eine kleine Füllung daraus in ver-
kleiucrtem Maßstabe wieder. Borains Groteske
entnimmt den antiken Wandmalereicn und deu
Erfiuduugen der Renaissance nnr die allgemcine
Richtung. Das Gerüst des spielenden Auf-
banes bildeu nicht in erster Reihe architekto-
nische Glieder, sondern frei gezogcne Linien,
Knrven nnd Bandverschlinguugen, welche den
Mauresken der Renaissance, zwar entfcrnt ver-
wandt, im wesentlichen aber sein ausschließliches
Eigentum sind. Jn immer neuen Wendnngen
weiß er sie über schmale uud breite Flächen,
über Borten, Friese und Hochfüllungen, über
Lambris, Pilaster oder Teppichwändc anszn-
spinnen. Den Säulen und Gesimsen der älteren
Groteske zieht er leicht aufschließende, idcale
Baluster oder Hermen und dnrchsichtiges Lattcu-
 
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