Ans der Ornamentstichsammlung des Leipziger Kunstgewerbemuseums.
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in Fühlung mit den gelehrten Kreisen gestanden
zu haben, wie wir auch aus seiner Beherrschung
der lateinischen Sprache erkennen. Geradezn an
die alten Humanisten erinnert aber die seltene
Gewandtheit, mit der er, unbeschadet der eigenen
Überzeugung, sich die Gunst der Großen zu
sichern verstand, sein Selbstbewußtsein diesen
gegenüber, sowie die kluge Vorsicht, die sich für
das höhere Alter und den Fall der Not ein
sicheres Asyl zu verschaffen wußte. Letzteres
war freilich sehr nötig, wenn er nicht das
Schicksal seiner Glaubensgenossen teilen wollte,
denn auch Androuet war, ebenso wie Delaune,
Protestant.
Ob er, wie angenommen, 1515 zu Orleans
geboren, ist nicht sicher bezeugt. Frühzeitig
muß er im Gefolge eines großen Herrn, wahr-
scheinlich des Kardinal Armagnac, nach Jta-
lien gekommen sein, und dort erwarb er sich
in der Herzogin von Ferrara, Renae de France,
snr das ganze Leben eine Gönnerin. Diese
edle Fürstin hielt ihm, wie später deren
Tochter Auna von Savoyen, in ihrem souve-
ränen Herzogtum Montargis stets ein Asyl
offen. Gelegentliche Pausen in seiner Thätig-
keit und damit zusammenfallende religiöse Ver-
folgungen lassen vermuten, daß er diese Zu-
flucht auch benutzt hat. Liebevoll spricht er
einmal von Montargis als von dem Orte, in
wclchem er sein Leben in Ruhe zu beschließen
hofft.
Aus Jtalien heimgekehrt, ließ er sich um
1548 in Orleans nieder, wo der Besuch König
Heinrichs II. dcm gewandten Künstler die Ge-
legenheit bietet, die Gunst des Hofes zu ge-
winnen. Es wird berichtet, wie Androuet bei
diesem Anlasse die Stadt zu schmücken hatte,
und nun, um weder die Königin, Katharina
von Medicis, noch die Geliebte des Königs,
Diana von Poitiers, zu verletzen, jenes berühmte
Monogramm Heinrichs II. erfuuden habe, in
welchcm die Buchstaben so gestellt waren, daß
man sowohl 8. 6, als 8. 8, endlich aber auch
8. 6. 8 lesen konnte. Zur Befriedigung aller
Teile löste er hierdurch mit künstlerischem Witz
und diplomatischcr Feinheit eine Frage, die kurz
zuvor iu Lyon viel böses Blut gemacht hatte.
Dort war die Königiu auf das höchste beleidigt
worden, als man in den nach der Mode der
Zeit unentbehrlichen Monogrammen die Ge-
liebte der Königin vorzog und sich mit einem
einfachen 8. 8 begnügte. Seitdem steht der
Künstler unter der Protektion des Hofcs, er
erhält Pensionen und widmet seine Werke den
höchsten Personen.
Er verlegt auch seinen Wohnsitz nach Paris
und erhält große Aufträge, die er infolge der
unruhigen Zeiten nicht immer schnell genug
erledigen kann. Bei einem solchen Anlasse ent-
schuldigt er sich bei der Königin Katharina,
damals der entschiedensten politischen Gegnerin
der Hugenotten, sehr freimütig. Der Zustand
Frankreichs, die Uugerechtigkeiten der Zeit und
innerer Hader hindern, so schreibt er ihr, das
Fortschreiten meiner Arbeiten. Später, als er
endlich müde wird, da kommt neben seinen Ent-
schuldigungen an die Gönner auch einmal die
Sehnsucht nach dem Ruhehafen, den er sür sich
in Montargis gesichert glaubte, znm Durchbruch.
Ob es ihm vcrgönnt war, dort seine
Tage zu beschließen, ist höchst zweifelhaft. Die
neuen Angaben schwanken nur, ob er in Paris,
iu Orleans oder endlich im Exil, in Genf oder
Turin, bei dem Herzoge von Savoyen, dem
Schwiegersohne der Herzogin vou Ferrara, ge-
storbeu sei. Sein Todesjahr wird, gleichfalls
ganz unsicher, auf 1585 angegeben.
Jm Jahre 1570 hatte Jaques Androuet
du Cerceau seiuer alten Gönnerin Katharina
den 2. Band seines Hauptwerkes „die schönsten
Bauwerke Frankrcichs" überreicht. Wcnige Jahre
später berichtet der venctianische Gesandte übcr den
damaligen Zustand Frankreichs. Von märchen-
hafter Schönheit und ohnegleichen in Europa
findet er die Bauten, aber unfertig und verfallen.
Jch glaube uicht, so fährt er fort, daß sie je-
mals vollendet werden, denn das Königreich ist
durch die Kriegswirren völlig ausgesogen. Diese
Ansicht war nur zu richtig. Dahin war die
französische Renaissancekunst, und einem Epilog
gleich schließt jenes letztgenannte Werk An-
drouets mit dcr Darstellung der Kunstwerke
jener strahlenden Epvche diese selbst ab.
v. Ubisch.
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in Fühlung mit den gelehrten Kreisen gestanden
zu haben, wie wir auch aus seiner Beherrschung
der lateinischen Sprache erkennen. Geradezn an
die alten Humanisten erinnert aber die seltene
Gewandtheit, mit der er, unbeschadet der eigenen
Überzeugung, sich die Gunst der Großen zu
sichern verstand, sein Selbstbewußtsein diesen
gegenüber, sowie die kluge Vorsicht, die sich für
das höhere Alter und den Fall der Not ein
sicheres Asyl zu verschaffen wußte. Letzteres
war freilich sehr nötig, wenn er nicht das
Schicksal seiner Glaubensgenossen teilen wollte,
denn auch Androuet war, ebenso wie Delaune,
Protestant.
Ob er, wie angenommen, 1515 zu Orleans
geboren, ist nicht sicher bezeugt. Frühzeitig
muß er im Gefolge eines großen Herrn, wahr-
scheinlich des Kardinal Armagnac, nach Jta-
lien gekommen sein, und dort erwarb er sich
in der Herzogin von Ferrara, Renae de France,
snr das ganze Leben eine Gönnerin. Diese
edle Fürstin hielt ihm, wie später deren
Tochter Auna von Savoyen, in ihrem souve-
ränen Herzogtum Montargis stets ein Asyl
offen. Gelegentliche Pausen in seiner Thätig-
keit und damit zusammenfallende religiöse Ver-
folgungen lassen vermuten, daß er diese Zu-
flucht auch benutzt hat. Liebevoll spricht er
einmal von Montargis als von dem Orte, in
wclchem er sein Leben in Ruhe zu beschließen
hofft.
Aus Jtalien heimgekehrt, ließ er sich um
1548 in Orleans nieder, wo der Besuch König
Heinrichs II. dcm gewandten Künstler die Ge-
legenheit bietet, die Gunst des Hofes zu ge-
winnen. Es wird berichtet, wie Androuet bei
diesem Anlasse die Stadt zu schmücken hatte,
und nun, um weder die Königin, Katharina
von Medicis, noch die Geliebte des Königs,
Diana von Poitiers, zu verletzen, jenes berühmte
Monogramm Heinrichs II. erfuuden habe, in
welchcm die Buchstaben so gestellt waren, daß
man sowohl 8. 6, als 8. 8, endlich aber auch
8. 6. 8 lesen konnte. Zur Befriedigung aller
Teile löste er hierdurch mit künstlerischem Witz
und diplomatischcr Feinheit eine Frage, die kurz
zuvor iu Lyon viel böses Blut gemacht hatte.
Dort war die Königiu auf das höchste beleidigt
worden, als man in den nach der Mode der
Zeit unentbehrlichen Monogrammen die Ge-
liebte der Königin vorzog und sich mit einem
einfachen 8. 8 begnügte. Seitdem steht der
Künstler unter der Protektion des Hofcs, er
erhält Pensionen und widmet seine Werke den
höchsten Personen.
Er verlegt auch seinen Wohnsitz nach Paris
und erhält große Aufträge, die er infolge der
unruhigen Zeiten nicht immer schnell genug
erledigen kann. Bei einem solchen Anlasse ent-
schuldigt er sich bei der Königin Katharina,
damals der entschiedensten politischen Gegnerin
der Hugenotten, sehr freimütig. Der Zustand
Frankreichs, die Uugerechtigkeiten der Zeit und
innerer Hader hindern, so schreibt er ihr, das
Fortschreiten meiner Arbeiten. Später, als er
endlich müde wird, da kommt neben seinen Ent-
schuldigungen an die Gönner auch einmal die
Sehnsucht nach dem Ruhehafen, den er sür sich
in Montargis gesichert glaubte, znm Durchbruch.
Ob es ihm vcrgönnt war, dort seine
Tage zu beschließen, ist höchst zweifelhaft. Die
neuen Angaben schwanken nur, ob er in Paris,
iu Orleans oder endlich im Exil, in Genf oder
Turin, bei dem Herzoge von Savoyen, dem
Schwiegersohne der Herzogin vou Ferrara, ge-
storbeu sei. Sein Todesjahr wird, gleichfalls
ganz unsicher, auf 1585 angegeben.
Jm Jahre 1570 hatte Jaques Androuet
du Cerceau seiuer alten Gönnerin Katharina
den 2. Band seines Hauptwerkes „die schönsten
Bauwerke Frankrcichs" überreicht. Wcnige Jahre
später berichtet der venctianische Gesandte übcr den
damaligen Zustand Frankreichs. Von märchen-
hafter Schönheit und ohnegleichen in Europa
findet er die Bauten, aber unfertig und verfallen.
Jch glaube uicht, so fährt er fort, daß sie je-
mals vollendet werden, denn das Königreich ist
durch die Kriegswirren völlig ausgesogen. Diese
Ansicht war nur zu richtig. Dahin war die
französische Renaissancekunst, und einem Epilog
gleich schließt jenes letztgenannte Werk An-
drouets mit dcr Darstellung der Kunstwerke
jener strahlenden Epvche diese selbst ab.
v. Ubisch.