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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — 5.1889

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Heft 6
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Luthmer, Ferdinand: Graveurarbeiten an Taschenuhrwerken
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https://doi.org/10.11588/diglit.3586#0104

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Von F. Luthmer.

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machcr nnd cndlich auch dic Klobcnfabrikanten"
von den eigentlichcn Uhrmachcrn getrennt vor-
finden. Ein großer Schmerz der Augsburger
Arbeiter war, daß sich in dem bcnachbarten
Orte Friedberg ebenfalls eine bedentende Uhren-
industrie, wahrscheinlich unter günftigeren Ar-
bcitsbedingungen, entwickelt hatte, und daß die
Fricdbergcr ihrc Uhrenteilc nach Augsburg lie-
fcrn. Die Klagen, wclchc übcr dicsc Benach-
teiligung vor dcm Rate letztercr Stadt ansge-
fochten wurden, habcn uns dic Namcn zweicr
wciblichcr Klobenarbciter aufbewahrt. Die
cinc ist dic „Stadtinauermcistcrin Sängcr",
Uhrmachcrstochtcr zu Friedbcrg, wclche „tllobcn,
Uhrzeigcr nnd Stellnngen" nach Angsburg
liefcrt; wcitcres ist Vvn ihr nicht bckannt. Ein-
gchcndcr sind wir von der zweitcn Künstlerin
untcrrichtct, dcr Maria Johanna Schmicd, Bci-
sitzerin und Uhrmachcrstochtcr von Friedbcrg,
welche ebcnfalls die gcnannten Uhrcntcilc „aus
frcicr Hand" arbeitet nnd nach Augsburg lie-
fert. Darvb bcschwercn sich 1778 dortige Uhr-
machcr, „obgleich sie sclbst keine Kloben fertigen."
Jn ihrer Verteidignngsschrift sagt dic Schmicd,
„daß ihre frcic Kunstarbeit Vvn Zeigern, Klo-
bcn und Stellungen von nntcrschicdcncr Fasson
aus freier Hand noch immer den Preis vor
andcrn erhielte. Abcr cinige Uhrmacher ver-
folgtcn sic deshalb, weil sie in dem Wahne
lcbtcn, als würden ihre Töchter, deren
cinige von diescr ihrcr Kunst anch Be-
grisf hättcn, dnrch sie merklich zurllckgesctzt
und ihnen hicrdnrch cin Vcrdicnst vollcnds gar
bcnommen." Der Rat scheint dcnn allerdings
lctztcre Ansicht auch zu der scinigcn gemacht zu
haben, denn cr dekretirt, daß sich die Schmiedin
der Anfertigung dcr Kloben w. gänzlich zu ent-
haltcn hätte.

Leider können wir aus vorstehender Notiz,
wclche uns Frauenhändc gewerbsmäßig mit dem
Gravircn von Uhrklobcn beschästigt zeigt, nicht
entnehmen, ob es sich dabei um die landläufige
Art dieser Uhrcnteile oder nm künstlerisch ge-
staltetc gehandclt hat. Für die Herkunft dcr
letztcren bicten uns dagegen dic französischen
Kleinmcister willkommenes Matcrial. Bei meh-
reren derselben finden sich nämlich nntermischt
mit den Vorlagen für Goldarbeiter auch solche
für kreisrunde Ornamente; und wenn dieselben
bisher anch (u. a. noch bei Guilmard „tes
Naitrss oi'nömanistss") als „orivsttss äs man-
trss", Uhrcndcckel bezeichnet werden, so macht

Kunstgcwerbcblotl. v.

ihre Kvmpositionsweise nnd ein Vergleich mit
den Originalen unserer Sammlungen es augen-
scheinlich, daß wir es hier mit Entwürfen zu
Uhrkloben zu thun haben.

Der fruchtbarste dieser Meistcr scheint
Pierre Bonrdon gewesen zu sein. Jn einem
Exemplar seincr 1703 zu Paris erschiencncn
Stiche, welches sich in der Bibliothek Jeidels in
Frankfnrt a. M. befindet, zählt nian 42 Ent-
würfe für Spindclkloben, von denen manche,
in der Mitte geteilt, im rechten und linken
Halbkrcis verschicdcne Motive zeigen. Bei an-
dern ist der eine Halbkreis für flache Gra-
virung und Durchbruch, der andere für Relief
mit punktirtem Grunde behandelt. Zahlrcich
sind dabei die mit seitlichen koncentrischen Ösf-
nungen für das Pendelspiel (s. oben) versehenen.
Neben den schcibenförmigen Ornamcnten finden
sich auch Entwürfe zu Zeigern und Platinen-
stützcn. Ein Nachdrnck der Bvurdonschen Ent-
würfe wnrde 1710 von Döning in Nürnberg
mit dentschcm Titcl hcrausgegeben.

Sehr interessant ist ein Blatt dcr sehr
scltencn Stichc von Jean Vauguer ans Blois
(zwischcn 1670 nnd 1700), da dasselbc eine
Reihe Vvn Entwürfen zn Spindelkloben in
jener ältesten deutschen, kcllenartigen Form ent-
hält, der wir in Originalcn fast nur an jencn
Uhrcn begegnen, welchen die Unruhfeder nvch
sehlt. Jst das von Quaritch bei dcn Usprinls
dcr Vauguerschen Stiche gegebene Datnm richtig,
so bcweist dieses Blatt, daß dic länglich gc-
staltctcn Kloben, allcrdings mit symmetrischcr
Zeichnung, doch noch mehrere Dezcnnien nach
1658 im Gebrauch geblieben sind.

Auch Daniel Marot, der bekannte Archi-
tekt, Kupferstecher und Ornamentist, wcist nntcr
den überaus zahlreichen Heften, welche er im
letzten Drittel des 17. und im Anfang des 18.
Jahrhunderts herausgegeben hat, zwei Hcfte
mit Vorlagen für Uhrmacher auf, unter welchen
sich auch Spindelkloben befinden. Der etwas
ältere Gilles L'ägars, sowie auch der in Frank-
furt a. M. t 590 geborene, in Amsterdam 1656
verstorbene Michel le Blon, genannt Blondus,
zählen mehrerc Blätter mit rnnden Ornamcntcn
für Uhrmacher auf, wclche man nicht anstehen
wird, für Entwürfe zu Spindelklobcn zu halten.

Wenn aus der Beteiligung solcher nam-
haften Meister an dcr Gestaltnng dieses kleincn
Nebenorgans der Taschenuhr der Schluß ge-
zogen werden dars, daß man zur Zeit seiner

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